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Wenn eine (k)eine Stiftung macht

Von Werner Reisinger

Politik

Kein einziger gekündigter AMS-Deutschtrainer profitiert bisher von der "stiftungsähnlichen Maßnahme".


Wien. "Sozialministerium: "Stiftung" für AMS-Trainer wird Dienstag beschlossen", ließ FPÖ-Sozialministerin Beate Hartinger-Klein am Donnerstag, den 13. Dezember, via APA verlautbaren. "Die Stiftung für arbeitslos werdende AMS-Trainer ist unter Dach und Fach", hieß es dann tatsächlich fünf Tage später, am 18. Dezember. Der Förderausschuss des Arbeitsmarktservice (AMS) habe grünes Licht für eine "stiftungsähnliche Maßnahme" ab Jänner 2019 gegeben, die rund 1200 gekündigte oder unmittelbar von der Kündigung bedrohte Deutschtrainer und anderwertige Trainer privater Bildungsinstitute auffangen sollte. Diese Institute wickelten - besonders nach dem Sommer 2015 und den Flüchtlingsbewegungen - die Deutschkurse für Flüchtlinge für das AMS ab.

Mit den Kürzungen der ÖVP-FPÖ-Regierung im AMS-Budget gingen die AMS-Aufträge für die Institute verloren. Es würden auch nicht mehr so viele Kurse benötigt, da ja weniger Flüchtlinge kommen, so die Argumentation der Regierung. So kündigten die Institute zahlreiche ihrer Trainer.
Eine von ihnen ist Frau C.. Bis zum 15. Jänner war die junge Frau und bis vor kurzem alleinerziehende Mutter bei BIT Training, einer der besagten privaten Bildungsinstitute, beschäftigt. Nach ihrer Kündigung - diese erfolgte sofort nachdem sie auf Anfrage von BIT einen Zeitausgleich angemeldet hatte, sagt sie - wandte sie sich an das AMS und erfuhr erst dort von der der Möglichkeit einer "Arbeitsstiftung".

Beim Kündigungsgespräch war eine Stiftung kein Thema, anders als sonst üblich. Seit dem läuft Frau C. "von Pontius zu Pilatus", wie sie es ausdrückt. "Der Betreuer im AMS hat mich gleich an meinen ehemaligen Arbeitgeber, BIT, verwiesen", sagt sie. Ihr Ansprechpartner dort wollte aber nichts von einer Stiftung gehört haben. Und erst von der Arbeiterkammer erfuhr Frau C., wer überhaupt Träger der "stiftungsähnlichen Maßnahme" ist, in die "Arbeitgeber und das AMS zu ungefähr gleichen Teilen" einzahlen sollte, wie Sozialministerium und AMS noch im Dezember vollmundig festhielten: die Aufleb GmbH, eine sozialpartnerschaftliche Firma, gegründet 1995 von ÖGB und WKO zum Zweck, Arbeitsstiftungen abzuwickeln. "Dort hat man mir gesagt, es sei keineswegs alle unter Dach und Fach, und schon gar nicht sei sicher, dass die Firmen auch in die "Stiftung" einzahlen", erzählt C.. Sie ist wütend.

Bisher kein einziger Vertrag

Bei Aufleb GmbH habe man ihr auch geraten, sich an ihren vorherigen Arbeitgeber, das private Institut Ibis Acam, das ebenfalls Deutschkurse anbietet, zu wenden - "wenn BIT nicht zahlen will". Und BIT will eben nicht zahlen. Das muss die Firma auch nicht. Wie Recherchen der "Wiener Zeitung" ergaben, bildet die "stiftungsähnliche Maßnahme" lediglich eine Art potenziellen Rahmen. In den Genuss der "Stiftungs"-Leistungen kommt nur, wessen (ehemaliger) Arbeitgeber einen schriftlichen Vertrag mit der Aufleb GmbH abgeschlossen hat und danach den Arbeitgeber-Anteil von 4536 Euro brutto einzahlt. Und dazu gibt es für die Firmen keinerlei Verpflichtung. Von "Auffangen" für die 1200 gekündigten oder vor der Kündigung stehenden Deutschtrainer kann also keine Rede sein. Die Firma BIT könne es sich schlicht nicht leisten, den Betrag einzuzahlen. Das habe ihr einer der leitenden Personen der Firma BIT persönlich gesagt, erzählt Frau C.. Eine Stellungnahme wollte am Donnerstag und Freitag niemand bei BIT abgeben.

Anders bei der Firma Mentor, die ebenfalls in den vergangenen Jahren zahlreiche Deutschkurse für das AMS abgewickelt hat, auch für Flüchtlinge. Rund 60 Kündigungen hat es dort in den vergangenen Wochen gegeben, erklärt Nerijus Soukup, Betriebsrat bei Mentor. Er betont, dass das private Institut bemüht sei, den Betroffenen entgegenzukommen. Er wisse jedoch auch, dass sich von den bereits gekündigten Trainern "einige bei der Aufleb GmbH über die stiftungsähnliche Maßnahme informiert haben", sagt Soukup.

Allerdings: Bis dato ist bei der Aufleb GmbH kein einziger Vertrag mit einem privaten Bildungsinstitut abgeschlossen worden. Das bestätigt der Geschäftsführer der Aufleb GmbH, Andreas Gruber. "Bemerkenswert ist, dass der Beschluss im Förderausschuss des AMS-Verwaltungsrates erst am 18. Dezember gefallen ist", sagt er. Dass es die Möglichkeit einer stiftungsähnlichen Maßnahme geben wird und damit die gekündigten Trainer "aufgefangen" werden, sei aber vom Sozialministerium schon viel früher kommuniziert worden. "Das ist das Tragische."

Ein Info-Schreiben der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA) zeigt nicht nur, dass die privaten Institute nicht nur von sich aus und für jeden einzelnen gekündigten Trainer jeweils einen schriftlichen Vertrag mit der Aufleb GmbH als Maßnahmeträger abschließen müssen, sondern auch, dass es an den Betriebsräten in den Instituten ist, Druck auf die Firmenleitungen auszuüben, einen solchen Vertrag abzuschließen. "Die Initiative zum Eintritt in die Maßnahme geht von den potenziellen TeilnehmerInnen und den teilnehmenden Unternehmen aus", ist im Info-Blatt zu lesen.

GPA will "Solidartopf"

Karl Dürtscher, Bundesgeschäftsführer der GPA, sagt, dass es ohne die Verhandlungen der Gewerkschaft nicht einmal diese stiftungsähnliche Maßnahme gäbe. "Bei den anstehenden Kollektivvertragsverhandlungen werden wir Druck machen, dass für jeden Mitarbeiter seitens der Firmen Geld in einen Solidartopf eingezahlt wird, aus dem dann die Mittel für die pro Jahr 600 Personen bereitgestellt werden können", sagt er.

Bei ihrem zweiten AMS-Termin Ende Jänner erlebt Frau C. eine überraschende Wende. Während sie bei ihrem ersten Gespräch von ihrem Betreuer noch zu hören bekam, er müsse sie als Deutschtrainerin führen und quasi versuchen, sie auf einen Arbeitsmarkt zu vermitteln, den es nicht mehr gibt, wird ihr nun ein eineinhalbjähriges Förderprogramm zugesagt. Bis zu 1200 Euro netto monatlich würde sie erhalten und könne sich bei einer Fachhochschule für einen Lehrgang bewerben. Auch die Kosten dafür werde das AMS tragen. Mit den rund 8,7 Millionen Euro an Mitteln, die aus dem AMS-Budget lockergemacht wurden, habe eine solche Maßnahme aber nichts zu tun, sagt Marius Wilk vom AMS. Im vorliegenden Fall handle es sich um einen maßgeschneiderten Beschäftigungsplan, der sich an "Arbeitsmarkt, Qualifikation und Chancen" orientiere, so Wilk.

Für Frau C. ist die Sache gut ausgegangen. Wie aber ergeht es anderen gekündigten Trainern? Es brauche die "Bereitschaft der Bildungseinrichtungen, um die sich das AMS und die involvierten Arbeitgebervertreter intensiv bemühen", lässt das Sozialministerium wissen. Die "Stiftung" interessiert längst auch die Opposition. Von einer "Mogelpackung seitens der FPÖ-Sozialministerin", die damit "falsche Eindrücke" bei den Trainern erwecke, spricht Daniela Holzinger-Vogtenhuber von der Liste Jetzt. "Der Zugang zu einer solchen Stiftung muss niederschwellig sein. So aber bleibt das AMS auf den Kosten sitzen."