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Blaue Slalom-Akrobatin

Von Karl Ettinger

Politik

Vom Arbeitslosengeld bis zum Papamonat: Hartinger-Klein umkurvt die Regierung und manchmal sich selbst.


Wien. Ihr Name scheint nicht im österreichischen Aufgebot für die nun beginnende Ski-WM im schwedischen Are auf. Dabei kann es Sozial- und Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein mit ihren politischen Slalomkünsten mit den Torlauf-Spezialistinnen des ÖSV-Teams aufnehmen. Im Kippstangen-Wald der türkis-blauen Koalition hat die FPÖ-Politikerin auch schon eingefädelt - am Montag ein weiteres Mal.

In der ORF-"Pressestunde" ist die Chefin des Sozialressorts am Sonntag in einem Slalom, der zwischen dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum Karfreitag als Feiertag und den Interessen der österreichischen Wirtschaft an möglichst geringen Belastungen ausgeflaggt wurde, unerschrocken ins Rennen gegangen. Nur einen Tag später musste sie zurücksteigen und ihre Aussage, das Karfreitag-Problem könnte mit einem freien Tag für alle ("das wird wahrscheinlich sein, ja") gelöst werden, zurücknehmen.

Beim Karfreitag gar nicht als Top-Kandidatin nominiert

Zuvor hatte die Wirtschaftskammer hingewiesen, dass der Regierungskurs woanders verlaufe und "dass es zu keiner Mehrbelastung" für die Wirtschaft kommen werde. Dabei war die zuständige Sozialministerin für diesen Bewerb von der ÖVP-FPÖ-Koalition gar nicht nominiert worden, sondern Kanzleramtsminister Gernot Blümel (ÖVP). Dieser muss vor dem heurigen Karfreitag am 19. April eine Lösung ohne allgemeinen Feiertag finden.

Ministerin Hartinger-Klein trat nach regierungsinterner Disqualifikation zu einem weiteren Lauf an. Sie kündigte via ORF zur Verblüffung der Volkspartei einen Rechtsanspruch auf einen Papamonat in der Privatwirtschaft für Väter nach der Geburt noch heuer an - ähnlich wie bei den Beamten. Bei dem rasenden Tempo kam sie zu Sturz. Die ÖVP wollte alles nur als "Vorschlag" der Ministerin sehen, den man, so die Koalitions-Sprachregelung, intern "prüfen" werde. Am Montag trippelte Hartinger-Klein nach ihrem aufsehenerregenden Schwung auf der Strecke zurück. "Wir besprechen das jetzt intern auf Regierungsebene", wurde der "Wiener Zeitung" in ihrem Büro erklärt.

Viel zu besprechen dürfte es nicht geben. Die Wirtschaft lehnt einen Rechtsanspruch auf einen Papamonat ab. Dies wäre nicht praktikabel und für kleine Betriebe nur schwer umsetzbar, für vier Wochen auf Fachkräfte zu verzichten, erläuterte Generalsekretär Karlheinz Kopf.

Die Verwunderung über Hartinger-Klein war groß, weil sie vor einem Monat die gefinkelte Papamonat-Kombination zwischen Vätern im Staatsdienst und in der Privatwirtschaft schon gemeistert hatte. Nach dem unbezahlten Papamonat ihres Parteichefs Vizekanzler Heinz-Christian Strache fuhr die FPÖ-Ministerin im Parallelschwung mit Familienministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) in Richtung einer Evaluierung der Frage bis Jahresende.

Im Slalom im Gesundheitswesen setzte sie ebenso zur Kurve an: Die gelernte Medizinerin und ORF-Talk-Frau Vera Russwurm, einst von Joki Kirschner als "Tritsch Tratsch"-Moderatorin entdeckt, solle Gesundheitskoordinatorin werden. Nicht, dass die Ministerin damit freiwillig ihren Rückzug angekündigt hätte. Was Russwurm genau machen wird, war am Montag auf Nachfrage im Ministerium nicht hundertprozentig klar. Sie solle sich aber als "Testimonial" einbringen.

Die"völlig unpolitische" neue Gesundheitskoordinatorin

"Wir prüfen gerade, inwieweit dies mit ihrer Tätigkeit für den ORF vereinbar ist", hieß es beim ORF am Küniglberg. Russwurm selbst war via APA um eine "Klarstellung" bemüht: "Ich bin von der Regierung beauftragt, etwas zu tun, das völlig unpolitisch ist." Ziel sei es, "mehr Gesundheit in die Bevölkerung zu bringen", und "ich lebe einfach gesund und würde das gern vermitteln".

Hartinger-Klein war bald nach Antritt der Regierung schon Anfang Jänner des Vorjahres das erste Regierungsmitglied, das beim Verhaltenskodex von Türkis-Blau - nur nicht öffentlich streiten - eingefädelt hat. Sie stellte in einem "ZiB 2"-Interview den Zugriff auf Vermögen für bisherige Bezieher der Notstandshilfe bei einer Reform des Arbeitslosengeldes, wie sie im Koalitionspakt steht, in Frage. Danach hatten sie und die FPÖ ordentlich zu rudern, um im Lauf zu bleiben.

Das ficht sie nicht an. Nach der Sozialversicherungsreform sah sich Hartinger-Klein schon im Dezember 2018 in die Geschichtsbücher eingehen.