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"Leute brauchen mehr Freizeit": Streikdrohung vor Showdown

Von Karl Ettinger

Politik

Bei der Verhandlungsrunde für 100.000 Beschäftigte in Sozialberufen geht es am Donnerstag nicht nur um die Lohnerhöhung.


Wien. "Wir wollen die sechste Urlaubswoche sofort haben." Es sind Forderungen wie diese aus dem Mund von Reinhard Bödenauer, die einen Abschluss der Lohnrunde für rund 100.000 Beschäftigte in Sozialberufen noch schwieriger machen. Bödenauer ist stellvertretender Bundesgeschäftsführer der Privatangestelltengewerkschaft (GPA-djp). Er geht am Donnerstag mit dem Sanktus des Gewerkschaftsbundes (ÖGB) für etwaige Streikmaßnahmen in die vierte Gehaltsverhandlungsrunde.

"Wir sind halt einfach noch auseinander", sagt sein Gegenüber am Verhandlungstisch, Walter Marschitz, Geschäftsführer der Sozialwirtschaft, in dem Sozial- und Gesundheitsunternehmen vereint sind, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Trotz der sich zuspitzenden Lage sind beide "grundsätzlich zuversichtlich", nach langem Feilschen zu einem Abschluss zu kommen. Protestdemonstrationen in der Vorwoche und Betriebsversammlungen gab es schon. Gelingt diesen Donnerstag bei der vierten Runde keine Einigung, könnte es ab Dienstag kommender Woche Streiks geben.

Bei der Kollektivvertragsrunde für die Sozialberufe geht es um Mitarbeiter bekannter Organisationen wie der SPÖ-nahen Volkshilfe und dem ÖVP-nahen Hilfswerk oder der Lebenshilfe. Besonders viele Bedienstete sind beim Kuratorium der Wiener Pflegeheime der Stadt Wien tätig. Es geht um Pflegekräfte, aber etwa auch um Mitarbeiter in der Behindertenhilfe oder im Gesundheitswesen. Schon heute, Mittwoch, wird die Lohnrunde für einen nahen Bereich fortgesetzt: Dabei geht es um die Bezüge bei der Caritas.

Gewerkschafter Bödenauer betont im Gespräch mit der "Wiener Zeitung", dass die Forderung nach längerem Urlaub und einer Verkürzung der Arbeitszeit von derzeit 38 auf 35 Stunden pro Woche nicht aus einer Laune heraus erhoben wird. "Die Leute brauchen mehr Freizeit", um sich von den Herausforderungen in den Sozialberufen zu erholen. Dazu kommt die Forderung nach einer Erhöhung der Löhne um sechs Prozent. Davon sind die Gewerkschaften, neben jener der Privatangestellten sitzt auch die Dienstleistungsgewerkschaft Vida mit am Tisch, nicht abgerückt.

Auf Arbeitgeberseite hat die Sozialwirtschaft eine Abgeltung der Inflationsrate geboten und dann auf 2,37 Prozent und später auf 2,5 Prozent Lohnerhöhung nachgebessert. Das entspreche dem Abschluss für die Handelsangestellten, hebt Dienstgebervertreter Marschitz hervor.

Die Metallindustrie, wo es im Herbst einen Abschluss mit im Schnitt 3,46 Prozent mehr Lohn für 2019 gegeben hat, ist für ihn kein Vergleichsmaßstab. Die Metallindustrie habe von der Hochkonjunkturphase profitiert. Im Sozialbereich seien hingegen die Einkünfte der Betroffene wie das Pflegegeld seit 2016 nicht mehr erhöht worden. Selbst die Pensionserhöhung liege für heuer bei zwei bis maximal 2,6 Prozent, führt Marschitz an.

80 Prozent Teilzeitbeschäftigte

Bödenauer hält dem entgegen, der Pflegesektor werde immer als "Zukunftsbranche" angepriesen. Da müsse es höhere Gehälter geben. Immerhin 80 Prozent der rund 100.000 Arbeitnehmer in Sozialberufen seien nur teilzeitbeschäftigt. Am Donnerstag könnte es länger dauern, bis klar ist, ob man zu einem Abschluss kommt oder gestreikt wird.