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Druck für Landarztstipendien

Von Jan Michael Marchart

Politik
© Marco2811/stock.adobe.com

Sebastian Kurz kündigte im Wahlkampf Stipendien gegen das Hausarztsterben an. Seither geschah nichts.


Wien. Dass viele Gemeinden Schwierigkeiten mit der hausärztlichen Versorgung haben, ist hinlänglich bekannt. Dass sich das Problem durch die Alterung der Gesellschaft und durch eine bereits laufende Pensionierungswelle unter Allgemeinärzten weiter verschärfen wird, ist ebenso kein Geheimnis. Hinzu kommt, dass es für junge Ärzte wenig attraktiv zu sein scheint, auf dem Land eine Praxis zu übernehmen, geschweige denn eine zu eröffnen. Ablesen lässt sich das etwa an der Planstellenvergabe der steirischen Ärztekammer. Ob im Bezirk Murtal, Voitsberg oder Deutschlandsberg: Für entlegene Gebiete finden sich keine Bewerber.

Selbst eine Wien-nahe Gemeinde wie Altlengbach in Niederösterreich musste 100.000 Euro für Ordinationsausstattung berappen und 5700 Ärztinnen anschreiben, um eine Ärztin für eine Stelle zu finden, die seit 2015 unbesetzt war, schrieb Daniel Kosak, Sprecher der Umweltministerin Elisabeth Köstinger und Vizebürgermeister von Altlengbach, auf Twitter.

Im Parlament vergab man vergangene Woche die Chance, einer Antwort auf die Frage näher zu kommen, wie man den Ärztenachwuchs aufs Land bringt. Dort waren Hausärzte zwar ein großes Thema. Herausgekommen sind aber bloß Schuldzuweisungen. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner warf Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein vor, das Problem nicht anzugehen. Diese kritisierte ihre Vorgängerin, selbst säumig gewesen zu sein.

Des Kanzlers leise Forderung

Der Chef des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger, Alexander Biach, erinnert nun die Regierung an ihre Forderung nach Landarztstipendien und fordert eine gemeinsame Finanzierung von Bund, Ländern und der Sozialversicherung.

Vor seiner Amtszeit als Kanzler kündigte Sebastian Kurz die Stipendien an. Die Ankündigung schaffte es zwar ins Arbeitsprogramm der Regierung, näher ausgeführt wurde die Idee seither aber nicht mehr. Das zuständige Gesundheitsministerium schweigt dazu.

Die Stipendien folgen einer langjährigen Idee aus Deutschland, die in den dortigen Bundesländern unterschiedlich ausgestaltet ist, aber einem Grundsatz folgt: Die Länder zahlen dem Ärztenachwuchs bis zu 1000 Euro pro Monat während des Studiums und im Gegenzug verpflichtet sich dieser, nach dem Studium in einem unterversorgten Gebiet des jeweiligen Bundeslandes als Hausarzt zu arbeiten. Die Stipendienanzahl ist auf etwa 20 Studenten begrenzt und die verpflichtenden Arbeitsjahre liegen bei bis zu sechs Jahren. Aber auch in Deutschland ist der Hausärztemangel virulent.

Getan hat sich hierzulande dennoch etwas. Laut Biach, wurden zwei Pilotprojekte gestartet, die in die Richtung gehen. In Niederösterreich zahlt das Land bis zu 50.000 Euro für die Ordinationsausstattung dazu, wenn jemand eine Praxis mit einem Kassenvertrag übernimmt, die mehr als ein Jahr nicht besetzt war. Die Prämie gibt es mit einer fünf Jahre langen Bindung an die Ordination. Das Burgenland hat Landarztstipendien eingeführt. Dort gibt es für 20 Medizin-Studierende 300 Euro pro Monat - maximal vier Jahre lang. Im Gegenzug müssen die angehenden Ärzte fünf Jahre im Burgenland ordinieren.

Biach, ein Verfechter der Stipendien, will testen, wie die beiden Projekte angenommen werden und dann als Thema in die Bundes-Zielsteuerungskommission einbringen, das gemeinsame Gremium von Bund, Ländern (diese vertreten dort die Gemeinden) und Sozialversicherung, das gerade für die Periode ab 2021 einen neuen Vertrag samt Projekten ausverhandelt. Genauer sieht sich der Hauptverband das Modell aus Sachsen an. Dort gibt es für Studierende 1000 Euro monatlich ab dem ersten Semester, sechs Jahre bleibt man dafür verpflichtend in der sächsischen Provinz.

Das heimische Modell soll laut Biach restriktiv sein, um die Stellen im ländlichen Raum auch zu besetzen. Aussuchen, einmal abwarten oder doch noch länger studieren, bis etwas dabei ist, das soll es nicht sein, sagt Biach. "Deswegen ist die Laufzeit der Stipendien auch begrenzt."

Regeln will Biach die Verpflichtung auf Bezirksebene. "In der Nähe einer Großstadt finde ich leichter Ärzte als für St. Michael im Lungau". Deshalb belasse man auch die Ärzte-Honorare in Länderhand. "Da müssen Unterschiede gemacht werden, sonst bekommt man die Ärzte nicht dorthin, wo man sie braucht."

Die leidige Kostenfrage

Aber: Wer zahlt? Die Gemeinden nehmen sich selbst aus dem Spiel. "Die Gemeinden sind für die Ärzte nicht zuständig", so Gemeindebundpräsident Alfred Riedl. "Sie springen unter dem politischen Druck in vielen Fällen ein." So etwa bei der Ordinationsausstattung, um Ärzte überhaupt anwerben zu können. Stipendien könnten nur erste Ansätze sein. "Es mangelt an der Ausbildung, an Angeboten für eine gute Work-Life-Balance und vor allem auch an attraktiven Verträgen", sagt Riedl. "Wenn ein Arzt bei geregelten Arbeitszeiten gleich viel verdient wie als selbständiger Arzt, dann wird er sich fürs Krankenhaus entscheiden."

Für den Ärztekammerpräsidenten Thomas Szekeres, der den Stipendien etwas abgewinnen kann, gilt: Zahlen soll der, der es haben möchte. In diesem Fall der Bund.

Dass Bund, Länder und Gemeinden die Kostenfrage immer als eine Baustelle der jeweils anderen ansehen, genau darin sieht Biach das Problem der heimischen Gesundheitspolitik. Letztendlich betreffe das Hausarztsterben alle. Projekte wie die Primärversorgungszentren oder die Lehrpraxen für Allgemeinmediziner, die den ländlichen Raum ebenfalls versorgen sollen, hätten sich Bund, Länder (Gemeinden beteiligen sich im Bereich Gesundheit über den Finanzausgleich am Länderanteil) und Sozialversicherung finanziell aufgeteilt. "Das möchte ich genauso bei den Stipendien haben", sagt Biach.