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Bevölkerungswachstum mit Ablaufdatum

Von Petra Tempfer

Politik

Global gesehen wird die Bevölkerung bis 2060 weiter wachsen und danach abnehmen.


Wien. Noch rattert die Einerstelle stetig nach oben: Die Weltbevölkerung wächst, und auch in Österreich wird es immer enger - wenn auch aus etwas anderen Gründen. Denn während die globale Geburtenrate von aktuell 2,5 Kindern pro Frau noch über dem Bestandserhaltungsniveau von 2,1 liegt, ist jene in Österreich längst unterschritten. Hier bekommt eine Frau nur noch rund 1,5 Kinder. Dass die österreichische Bevölkerung dennoch wächst, ist der Zuwanderung - im Vorjahr vor allem aus Rumänien, Deutschland und Ungarn - geschuldet sowie der Tatsache, dass die Menschen aufgrund der besseren medizinischen Versorgung immer älter werden.

8.859.992 Menschen haben mit dem Stichtag 1. Jänner 2019 in Österreich gelebt, und damit um 0,43 Prozent oder 37.725 Personen mehr als am 1. Jänner 2018, so die am Dienstag veröffentlichten Zahlen der Statistik Austria. Die Anzahl der Österreicher sank zwar um 0,08 Prozent, jene der Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit in Österreich stieg jedoch. Konkret lebten zu Jahresbeginn um 43.521 mehr und insgesamt 1.439.401 ausländische Staatsangehörige in Österreich. Der Ausländeranteil lag somit bei 16,2 Prozent gegenüber 15,8 Prozent am 1. Jänner 2018.

Österreichs größte Ausländergruppe sind Deutsche

Die größten drei Nationalitäten waren deutsche (192.462), serbische (121.547) und türkische (117.262) Staatsangehörige. Verglichen mit dem Jahr davor gab es die stärksten Zuwächse bei rumänischen (plus 10.429), deutschen (plus 5621) und ungarischen (plus 5619) Staatsbürgern. Den größten Ausländeranteil gab es in Wien (30,2 Prozent), gefolgt von Vorarlberg (17,8 Prozent) und Salzburg (17,2 Prozent). Am niedrigsten war der Ausländeranteil im Burgenland mit 8,9 Prozent.

Laut Statistik Austria gab es in den westlichen Bundesländern Vorarlberg, Tirol, Salzburg und Oberösterreich, von wenigen Ausnahmen abgesehen, ein flächendeckendes Bevölkerungswachstum. Weiter im Osten sieht das etwas anders aus. Zunahmen wurden im Ballungsraum Wien, entlang der Hauptverkehrsachsen Niederösterreichs und im Nordburgenland registriert. Im Waldviertel, in der Obersteiermark - vor allem im oberen Murtal -, im Mittel- und Südburgenland, in großen Teilen Kärntens, in Osttirol und in den alpinen Gebieten Niederösterreichs ging die Bevölkerungszahl sogar zurück.

Damit gab es österreichweit gesehen zwar ein Wachstum, dieses hat sich aber deutlich verlangsamt. 2017 stieg die Einwohnerzahl Österreichs noch um 0,56 Prozent an. Der Statistik Austria zufolge war die Bevölkerungszunahme von 0,43 Prozent im Jahr 2018 die niedrigste der vergangenen sieben Jahre. In den Jahren von 2012 bis 2017 wurden Zuwächse von durchschnittlich 0,80 Prozent verzeichnet.

Dieses gebremste Wachstum beobachtet man auch global gesehen. Die Menschen werden zwar immer älter, die Geburtenrate sinkt jedoch weltweit: Mitte der 1960er Jahre bekam eine Frau im globalen Durchschnitt 5 Kinder, heute sind es 2,5. In naher Zukunft wird das Bestandserhaltungsniveau unterschritten sein.

Der Osten dünnteuropa- und weltweit aus

Die Bevölkerung kann und wird nicht ewig wachsen. Prognosen zufolge wird sich die Gesamtzahl von aktuell rund 7,7 Milliarden bis zum Jahr 2060 auf rund 10 Milliarden Erdbewohner erhöhen - und dabei ihren Scheitelpunkt erreichen. "Danach wird die Bevölkerungszahl vermutlich sinken", sagt Wolfgang Lutz vom Internationalen Institut für angewandte Systemanalyse (IIASA) zur "Wiener Zeitung".

Bis es soweit ist und falls sich die Prognosen bewahrheiten, wird sich die Bevölkerung durch Wanderungsströme umschichten. Wie in Österreich kann das dem Bevölkerungsrückgang in Ländern mit sinkenden Geburtenraten vorerst entgegenwirken. Das IIASA hat gemeinsam mit dem Wittgenstein Centre der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) Bevölkerungsprognosen erstellt, wonach sich ganz allgemein sagen lässt: Der Osten schrumpft.

Global gesehen ist es Asien, das im Vergleich zu den USA und vor allem Afrika verliert. Die Wirtschaft floriert hier zwar, Zuwanderung ist jedoch wenig erwünscht. Kombiniert mit einer geringen Geburtenrate von zum Beispiel 1,4 Kindern pro Frau in Japan, ist das Schrumpfen programmiert. Laut Prognosen leben in etwa 30 Jahren in Japan um 15 Prozent weniger Menschen. Die USA werden im selben Zeitraum um 21,5 Prozent wachsen. Der große Bevölkerungsgewinner ist jedoch Afrika - und damit ein Verlierer, weil Afrika arm und die Arbeitslosigkeit hoch ist. Bei einer durchschnittlichen Geburtenrate von derzeit fast 5 Kindern wird sich Afrikas Bevölkerung zumindest verdoppeln.

Ohne Migrationwürde Österreich schrumpfen

Europa, eingebettet zwischen den USA, Asien und Afrika, bleibt in seiner Gesamteinwohnerzahl relativ konstant. In der EU etwa sind es und werden es in den nächsten 30 Jahren laut Prognosen etwas mehr als 500 Millionen Einwohner bleiben. Innerhalb Europas sind die Bevölkerungszahlen der einzelnen Länder aber mächtig in Bewegung - und zwar von Osten nach Westen, weil es hier bessere Chancen am Arbeitsmarkt und höhere Löhne gibt. Konkret sind es Prozentsätze von bis zu 42,7 Prozent (Moldawien mit einer Geburtenrate von 1,6), um die die Bevölkerung in den östlichen Ländern laut Prognosen schrumpfen soll. Auch Litauen (minus 35,6 Prozent), Bulgarien (minus 24,8 Prozent) sowie Kroatien (minus 21,6 Prozent) werden stark an Einwohnern verlieren. Massiv wachsen werden indes Länder wie Norwegen (plus 53,6 Prozent), Schweden (plus 40,4 Prozent) und die Schweiz (plus 38,5 Prozent). Österreichs Bevölkerung nimmt um 22 Prozent zu.

Es sind Länder im Westen und Norden Europas, die vor allem wegen der Migration wachsen. Nimmt man nämlich bei den Prognosen an, es gäbe diese nicht, würde die Bevölkerungszunahme zum Teil um einiges geringer ausfallen. In Norwegen etwa läge diese ohne Migration bei nur 10 Prozent. Österreichs Bevölkerung würde sich um 7,9 Prozent reduzieren. Mit Migration könnte sie auch dann noch wachsen, wenn sie weltweit bereits schrumpft.

Im Osten bleiben vor allem die Älteren zurück - eine Herausforderung für die Pensions- und Sozialsysteme. "Sie werden vor allem auf Überweisungen von weggezogenen Verwandten angewiesen sein", sagt dazu Thomas Sobotka von der ÖAW, wie es bereits jetzt der Fall sei. Es sei aber auch möglich, so Sobotka, "dass der Pflegebedarf eine neue Migrationswelle von Pflege- und Gesundheitspersonal aus noch ärmeren Ländern nach Osteuropa auslösen wird." Lutz zufolge müsste man länger und in höherem Ausmaß arbeiten, dann stelle sich das demografische Problem gar nicht.