Wien. Die Novelle des Ökostrom-Gesetzes ist im Bundesrat gescheitert. Damit hat die Länderkammer erstmals in ihrer Geschichte ein Gesetz zu Fall gebracht. Die SPÖ blieb in der Abstimmung am Donnerstag bei ihrer Ablehnung und verhinderte damit die Zwei-Drittel-Mehrheit, die für die Annahme des Gesetzes nötig gewesen wäre. Zugleich bot die SPÖ aber gleich "ab morgen" neue Verhandlungen an.

In der Diskussion davor warfen einander Bundesräte von Regierungsparteien und SPÖ wechselseitig "kabaretthafte" Auftritte vor. Gelacht wurde dennoch wenig. Die Argumentation von ÖVP und FPÖ: Das Gesetz bedeute nur eine Verlängerung der bestehenden Bestimmungen - bisherige Förderungen würden um drei Jahre verlängert. Diesen habe die SPÖ ursprünglich zugestimmt, die Verlängerung sichere 47 Biomasse-Kraftwerken das Überleben. Untermalt von türkisen Taferln mit der Aufschrift "Wer Ökostrom abdreht, dreht Atomstrom auf" wiesen sie auf die heimische Wertschöpfung dieser regional verankerten Kraftwerke und damit verbundene tausende Jobs hin.

Diskussion um betroffene Arbeitsplätze

Die SPÖ kritisiert hingegen, dass die genaue Verwendung der im Gesetz verankerten Förderungen nicht fixiert sei, eine Zustimmung bedeute daher einen "Blankoscheck" für Umweltministerin Elisabeth Köstinger, das Geld zu verteilen, wie sie wolle. Ein Teil der erfassten Kraftwerke erfülle gar nicht die Voraussetzung, einen Wirkungsgrad von 60 Prozent zu erreichen, wie im Gesetz gefordert. Es gehe auch um sehr wenige Arbeitsplätze. Und heftig monierten die SPÖ-Vertreter, dass sie bei der Entstehung des Gesetzes nicht eingebunden worden seien.

Zur Argumentation griffen die beiden Seiten gerne auf unterschiedliche Datengrundlagen zurück. Die Regierungsparteien wiesen auf 6.400 Arbeitsplätze hin, die laut einer Studie betroffen seien. Das umfasst alle in der gesamten Wertschöpfungskette errechneten Jobs, nicht nur von den 47 zu fördernden Kraftwerken, sondern von allen rund 130 Biomasse-Kraftwerken. Demgegenüber sprach die SPÖ lieber von lediglich 200 Arbeitsplätzen - das wiederum sind die direkt in den Kraftwerken angestellten.

Auch über die Strommenge, um die es geht, argumentierten die Bundesräte mit Vergnügen aneinander vorbei. Die SPÖ verwies darauf, dass alle 137 Biomassekraftwerke zusammen 3,4 Prozent des Stromverbrauchs in Österreich erzeugen, die 47 zu fördernden Kraftwerke würden es daher nur auf 1 Prozent bringen. Dem hielt der ÖVP-Bundesrat Magnus Brunner, im Zivilberuf Vorstand der Ökostrom-Förderstelle OeMAG, entgegen, dass die 47 zu fördernden Kraftwerke doch "60 Prozent" des Stroms erzeugen - nämlich 60 Prozent des Stroms aller Biomasse-Kraftwerke. Konkret seien es 1.190 von 1.900 Gigawattstunden. Seine Rechnung würde darauf hinauslaufen, dass etwas mehr als zwei Prozent des heimischen Stromverbrauchs aus den 47 Kraftwerken stammen, deren Förderung nun am Spiel steht.

Nicht ganz einig waren sich die Abgeordneten auch, ob die Kraftwerke die im Gesetz verlangten 60 Prozent Wirkungsgrad erreichen. Die SPÖ meint nein, daher würden sie auch keine Förderung erhalten, die ÖVP sagt ja. Aus dem Biomasseverband heißt es dazu, dass die Kraftwerke in der Regel technisch den nötigen Wirkungsgrad erzielen können, im täglichen Geschäft aber teilweise nicht genug Kunden haben, um vor allem die Wärmeleistung abzusetzen. Daher sei es nicht möglich pauschal zu sagen, wie viele die 60 Prozent real erzielen.

"Schwarzer Tag" für Biomasse

Die SPÖ hat in der Diskussion laufend ihre Bereitschaft betont, neue Verhandlungen aufzunehmen und dafür fünf Forderungen aufgestellt. SPÖ-Klubvorsitzender Jörg Leichtfried schreibt nach der Abstimmung sogar sehr optimistisch: "Der Bundesrat hat heute den Weg frei gemacht für eine gute Ökostrom-Lösung". Nach weiteren Verhandlungen sieht es aber derzeit nicht aus. ÖVP und FPÖ winkten am Donnerstag nach der Abstimmung im Bundesrat ab. Sowohl ÖVP-Klubobmann August Wöginger als auch FPÖ-Klubobmann Walter Rosenkranz sagten der APA, neue Verhandlungen seien nicht geplant. Man habe schon genug verhandelt.

Nach der Abstimmung hagelte es Kritik von ÖVP und FPÖ an der SPÖ. Wöginger etwa sagte zur APA, heute sei "ein Tag der Enttäuschung, die SPÖ dreht den Ökostrom ab und den Atomstrom an". Es sei völlig unverständlich, dass die SPÖ die im Gesetzesvorschlag enthaltene Entlastung über 15 Mio. Euro für Einkommensschwache Haushalte zu Fall gebracht habe. "Leider kam die SPÖ nicht zur Vernunft", so Wöginger. Auch Umweltministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) sprach von einem "schwarzen Tag für die Biomasse und die Ökostrom-Erzeugung in Österreich". Sie sei "entsetzt, dass die SPÖ tatsächlich Parteitaktik vor Ökostrom, vor Biomasse, vor Arbeitsplätze und vor Klimaschutz gestellt hat. Diese Ablehnung bedeutet auch, dass die SPÖ dafür verantwortlich ist, wenn mehr Atom- oder Kohlestrom nach Österreich importiert werden muss."

Der freiheitliche Agrarsprecher Maximilian Linder wirft der SPÖ vor, sie habe sich mit ihrem Veto "ganz eindeutig gegen den Klima-und Umweltschutz und die betroffenen Bauern gestellt. ... Die SPÖ bringt damit tausende Arbeitsplätze in Forstwirtschaften, Heizanlagen und holzverarbeitenden Betrieben in Gefahr. Es ist einfach erschütternd, dass die Genossen hier ihre billige Parteipolitik vor eine Sachpolitik zum Wohle der Menschen stellt". FPÖ-Umweltsprecher Walter Rauch schrieb in einer Aussendung: "Die SPÖ nimmt alles und jeden zur Zielscheibe, um ihre regierungsfeindliche Linie durchzuziehen. Diese Vorgehensweise ist schändlich und ein Angriff auf Landwirte, Mensch und Umwelt. Wer derartige umweltfördernde Maßnahmen abdreht, dreht Atom- und Kohlestrom aus dem Ausland auf".