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SPÖ dreht der Regierung den Strom ab

Von Jan Michael Marchart

Politik

Die Ökostromnovelle scheiterte im Bundesrat. Viele Biomassewerke stehen vor ungewisser Zukunft.


Wien. Das Ereignis war historisch - und emotional überladen. Der Bundesrat kippte zum ersten Mal in seiner Geschichte ein Gesetz, genauer eine Novelle zum Ökostromgesetz. Konkret ging es um die Verlängerung der Förderung von 47 Biomasseanlagen, ohne die einem beträchtlichen Teil davon der wirtschaftliche Tod droht. Die Sozialdemokraten stellen im Bundesrat mehr als ein Drittel und stimmten dagegen, weshalb die Zweidrittelmehrheit für ÖVP und FPÖ unmöglich wurde. Vorangegangen war ein rot-schwarzer Zwist, der mit der Sache nichts mehr zu tun hatte und an vergangene Regierungstage erinnerte.

Die Sozialdemokraten warfen der Regierung vor, Steuergeld für Energiekonzerne zu entfremden, die Atomstromkeule zu schwingen, obwohl der Biomasseanteil am Gesamtstrom nicht so hoch sei und verstand nicht, dass sich die Freiheitlichen für ein Gesetz einsetzen, das ausschließlich ein Problem der ÖVP sei, die mit Bauernbund und Wirtschaft streite.

Die FPÖ fragte die SPÖ, wie sie es ihren Kindern nun erklären wolle, wo der Atommüll gelagert wird, wenn man nach dem Aus der Biomasse auf Atomstrom umsatteln müsse. Als die Redezeit des FPÖ-Bundesrats Bernhard Rösch vorbei war, sagte er: "Ich sehe das rote Licht, aber gegen Rot bin ich allergisch." Die Regierungsfraktionen hielten türkise Schilder mit "Wer Ökostrom abdreht, dreht Atomstrom auf" in die Höhe (die die SPÖ mit "Mehr Ökostrom"-Taferln quittierte) und die ÖVP zitierte aus einem Text der Band STS: "Es wird kalt und immer kälter."

Inhaltlich ging es darum, die Förderung für Biomasseanlagen zu verlängern. Diese läuft für 47 von 130 Anlagen seit 2017 nach und nach aus. Dafür will die Regierung 150 Millionen für drei Jahre als Übergangslösung investieren, ehe die größere Reform im Ökobereich 2020 kommt. Ohne diese Förderung steht ein großer Teil dieser Werke vor der Schließung, weil sie sich über den niedrigen Strompreis selbst nicht erhalten können. 60 Prozent der wackligen Anlagen stehen in roten Städten und Gemeinden. Darunter das größte Einzelwerk in Wien-Simmering, das ab August vorerst still steht.

Die Neos stimmten im Nationalrat für das Gesetz. Die Grünen taten dies im Bundesrat. "Wer Ökostrom verhindert, schadet der Energiewende", sagte der grüne Bundesrat David Stögmüller. Die SPÖ blieb bei ihrem angekündigten "Nein" zur Fortführung der Förderung. Die SPÖ wollte der Ministerin keinen "Blankoscheck" für 150 Millionen Euro "an die Holzindustrie" erteilen. Niemand wisse, wie viel und an welche Werke dieses Geld fließe. Die SPÖ hatte den Verordnungsentwurf für die Förderungen seit 5. Dezember vorliegen. Diesen Zahlen traute sie nicht.

Schnelligkeit vor Taktik

Zuletzt war die Linie der Sozialdemokraten nicht mehr konzise. Unter Christian Kern wollte sie die Biomasse-Förderung noch stark zurückfahren. In der aktuellen Debatte wollte sie einmal nur "effiziente" Werke fördern, also nicht alle. An einem anderen Tag sorgte sie sich darum, dass die Nachfolgeförderung gesamt nicht ausreichen könnte und die Werke die geforderte Brennstoffnutzung nicht erreichen könnten. Die Nutzwerte stehen aber schon seit 2009 im Gesetz, mitbeschlossen von der SPÖ. Ihr Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda teilte wiederum den Standpunkt der Arbeiterkammer, ob überhaupt Werke unterstützt werden sollten, wenn sie sich nach 13 Jahren Förderdauer wirtschaftlich nicht selbst erhalten können.

Aber auch die Regierung machte Fehler. Die zuständige Umweltministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) brachte die Novelle per Initiativantrag im Nationalrat ein und umging eine Begutachtung durch Länder und Experten. Es musste schnell gehen, hieß es aus dem Ministerium.

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Die Förderverträge laufen aus. Das Argument, nun möglichst schnell sein zu müssen, darf bezweifelt werden. Der grüne Bundesrat Stögmüller meinte, dass man die Novelle schon vor einem Jahr hätte verhandeln können. Aber er kritisierte auch Köstingers Vorgänger, Andrä Rupprechter (ÖVP), das Thema nicht angegangen zu sein. Selbst die Wirtschaftskammer sieht es kritisch, dass die Biomasse aus der größeren Reform für 2020 herausgerissen wurde, weil sie nicht in ein Gesamtkonzept integriert, sondern nur das Symptom der fehlenden Förderung behandelt werden sollte.

Der Deal um Wien

Das wird sich nun gezwungenermaßen ändern. Die Novelle ist gescheitert, neue Verhandlungen ab Freitag nur für die auslaufenden Förderungen, wie es sich die SPÖ wünscht, wird es so nicht geben. Ministerin Köstinger spricht von einem "schwarzen Tag".

Die Biomasse werde nun im Zuge der größeren Reform im Ökobereich verhandelt, die 47 Werke seien allerdings in Gefahr. Aber auch für die größere Reform braucht es die SPÖ im Bundesrat.

Es ist davon auszugehen, dass sie es der Ministerin auch dann nicht leicht machen. Die SPÖ will weiterhin, dass die Tarife im Gesetz festgeschrieben werden. Aber auch ein abgestuftes Fördermodell nach Effizienz, das Öffentlichmachen der Fördernehmer und eine Entlastung einkommensschwacher Haushalte von der Ökostromabgabe, die schon mit diesem Gesetz hätte kommen sollen.

Das "Nein" der SPÖ soll auch darauf begründet sein, dass das Ministerium einen Deal nicht angenommen habe. Offenbar wollten die Sozialdemokraten die pauschale Verrechnung der Stromanschlusspunkte, die die Regierung abschaffen möchte, beibehalten. Die Wiener Stadträtin Ulli Sima schlug hier wegen der Wiener Linien Alarm. Diese hätten durch die pauschale Abrechnung von Ökostrombeiträgen zwischen 2012 und 2017 etwa 40 Millionen Euro gespart, hieß es.