Wien. Drastischer Schritt bei der Wohnbaugesellschaft BWS - Gemeinnützige allgemeine Bau-, Wohn- und Siedlungsgenossenschaft: In einer außerordentlichen Aufsichtsratssitzung wurden am Freitag der Vorstandsvorsitzende und prominente Ex-Eisenbahnergewerkschafter Wilhelm Haberzettl und das Vorstandsmitglied Andreas Hamerle einstimmig abberufen und fristlos entlassen.

Basis für die Entscheidung war ein Prüfbericht der Rechtsanwaltskanzlei Jarolim Partner sowie PwC. Demnach sei es zu einer Verletzung der Sorgfaltspflichten durch den Vorstand gekommen, hieß es in einer Presseaussendung der BWS-Gruppe vom Freitagabend.

Haberzettl, dem in einer Aussendung der BWS eine Verletzung der Sorgfaltspflicht vorgeworfen wird, war bis zu seinem Einstieg als Vorstand der BWS im Jahr 2012 oberster Bahngewerkschafter und eine starke Stimme in der SPÖ. Details für die Gründe des drastischen Schritts wurden nicht genannt, interimistisch hat die BWS Ex-Asfinag-Vorständin Karin Zipperer und den Rechtsanwalt Wolfgang Schweinhammer als Vorstandsduo nominiert. Der Aufsichtsrat werde nun gemeinsam mit dem neuen Vorstand eine umfassende Aufklärung der Ereignisse gewährleisten. Die Mieter seien nicht geschädigt worden, so die BWS.

Kritik von FPÖ und ÖVP

Der Wiener FPÖ-Landesparteiobmann Johann Gudenus warf in einer Aussendung am Freitagabend dem Wiener Bürgermeister Ludwig und der Wohnbaustadträtin Kathrin Gaal (beide SPÖ) "Totalversagen" vor. "Kaum eine Woche vergeht ohne Skandal um Wiens sozialen Wohnbau", schreibt Gudenus. Dieser "wird vom historischen Musterbeispiel zunehmend zur Spielmasse für rote Parteibonzen und neoliberale Finanzinvestoren degradiert. ... Das Versagen der Aufsichtsbehörde und die ständigen Skandale haben System. Und dieses System heißt SPÖ Wien". Zugleich kündigte er zum Thema "freiheitliche Initiativen" an.

ÖVP-Stadtrat Markus Wöbitsch schrieb: "Bürgermeister und SPÖ-Vorsitzender Ludwig muss die unhaltbaren Zustände in seiner Partei in den Griff kriegen. Wir verlangen volle Aufklärung und Transparenz in der Causa BWSG. Michael Ludwig darf nicht länger den Mantel des Totschweigens über die zahlreichen SPÖ-Skandale hüllen." Wöbitsch forderte Neuwahlen in Wien.

SPÖ sieht funktionierende Kontrollmechanismen

Die SPÖ-Wohnbausprecherin Ruth Becher beeilte sich hingegen in einer Aussendung die Entlassung der beiden Manager als "ein Indiz für das Funktionieren der internen Kontrollmechanismen der in der Regel in privater Hand befindlichen, gemeinnützigen Bauträger" zu loben.

Die Genossenschaft BWS hat laut Wirtschafts-Compass 34.432 Mitglieder, die zusammen 37.752 Anteile halten. Die Gruppe hat demnach 2017 mit 339 Mitarbeitern 126,3 Mio. Euro Umsatz gemacht und dabei 15 Mio. Euro Gewinn (EGT) ausgewiesen.

Zur Gruppe gehören die BWS Gemeinnützige allgemeine Bau-, Wohn-und Siedlungsgenossenschaft und ihre drei 100-Prozent-Töchter (direkt und indirekt), die BWS Bau-, Wohn- und Sanierungsgesellschaft m.b.H, die BWSt Gemeinnützige Wohn- und Siedlungsgesellschaft Bauen und Wohnen Steiermark Ges.m.b.H. und die WBG Wohnen und Bauen Gesellschaft mbH Wien.

Das Unternehmen hat auch die Marke "BWSG" registriert - das steht für "Besser Wohnen Seit Generationen".

Haberzettel war einst Chef der Eisenbahngewerkschaft

Der oberste Eisenbahnergewerkschafter Wilhelm Haberzettl war einer der härtesten Kritiker der ÖVP/FPÖ/BZÖ-Regierung unter dem damaligen Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP). Aber auch vor Kritik an Parteifreunden schreckte das Urgestein der Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter (FSG) nicht zurück. Als der seinerzeitige ÖBB-Chef und spätere Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) 2011 über eine Dienstrechtsänderung nachdachte, sprach Haberzettel von einer "Kriegserklärung". Seinen Job bei der BWS-Gruppe trat er 2012 an, nachdem er sich überraschend von seinen Funktionen bei ÖBB und FSG zurückgezogen hatte.