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Der steinige Weg zum Doktor

Von Werner Reisinger

Politik
Mediziner aus Drittstaaten müssen in Österreich oft lange auf eine Basisausbildung warten.
© getty/juice

Österreich droht ein Ärztemangel. Mediziner aus Drittstaaten haben es hierzulande aber denkbar schwer.


Wien. Österreich fehlen Ärzte. Sowohl im Spitals-, vor allem aber im niedergelassenen Bereich mangelt es an Fach- und Allgemeinmedizinern. Besonders drastisch ist es in den abgelegenen ländlichen Gebieten. Bis 2029 werden laut Zahlen des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger fast die Hälfte aller Ärzte im niedergelassenen Bereich im Pensionsalter sein. Vier von zehn Medizin-Absolventen an einer österreichischen Universität verlassen nach dem Abschluss Österreich, und zwar nicht nur Deutsche, andere EU-Bürger oder Studierende aus Drittstaaten. Auch fast jeder 10. österreichische Absolvent sucht sich eine berufliche Zukunft als Arzt im Ausland.

Das ist soweit nichts Neues. Die Regierung will allerdings alles tun, um qualifizierte Fachkräfte nach Österreich zu holen. Dass es vor allem Ärzten aus Drittstaaten alles andere als leicht gemacht wird, in Österreich Fuß zu fassen, zeigt das Beispiel eines Südamerikaners, der der "Wiener Zeitung" seine Erfahrungen schildert. Der junge Mann - er möchte aus Sorge um seine Karrierechancen seinen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen - ist noch keine 35, hat in seinem Heimatland das Medizinstudium abgeschlossen und zudem an einer renommierten deutschen Klinik eine Post-Graduate-Ausbildung absolviert. Vor knapp einem Jahr ließ er sich seinen Studienabschluss an der MedUni Wien nostrifizieren, das habe problemlos funktioniert, erzählt er. Seitdem aber habe er immer stärker den Eindruck, das österreichische System würde ihm absichtlich Steine in den Weg legen.

Der junge Arzt würde gerne in Österreich bleiben und arbeiten, zuerst im Spital. Dafür wäre er bereit, überall hinzugehen - auch aufs Land, wie er betont. Damit er aber die für eine Spitalsanstellung nötige Basisausbildung, der reformierte "Turnus", absolvieren kann, muss er entsprechende Deutschkenntnisse nachweisen. Und hier beginnen die Schwierigkeiten.

Fast 900 Euro Prüfungsgebühr

Zwar erreichte der junge Mann schon nach nur etwas mehr als einem Jahr in Österreich das Sprachniveau B2 und legte die entsprechende Sprachdiplom-Prüfung ab. Voraussetzung für eine Basisausbildung ist aber das erfolgreiche Bestehen einer eigenen Sprachprüfung, die die Kandidaten auf der Akademie der Ärzte, einer Tochter der Ärztekammer, ablegen müssen.

Auf einen Prüfungstermin aber müsse man viele Wochen lang warten, sagt der junge Mediziner. Zudem sei der Andrang groß, da ab 1. April nicht mehr B2, sondern das höhere Niveau C1 nötig ist. So schreibt es die Ärztekammer vor - in einigen deutschen Bundesländern ist übrigens B2 ausreichend, um praktizieren zu können. "Auf der Akademie sagte man mir, es sei nicht möglich, weitere Prüfungstermine anzubieten", sagt der junge Arzt. Was ihn aber besonders verärgert, ist die Prüfungsgebühr: Stolze 891 Euro kostet diese, im Wiederholungsfall noch immer 446 Euro. "Für eine Prüfung, die kaum 45 Minuten lang dauert, wie ich erfahren habe", sagt er.

Fällt ein Kandidat kurzfristig krankheitshalber aus, kann niemand von der Warteliste nachrücken. Die Prüfungsgebühr bekommt in so einem Falle nur rück erstattet, wer sich mindestens zwei Wochen vor dem Termin wieder "aus berücksichtigungswürdigen Gründen" von der Prüfung abmeldet. Wer bis zu einer Woche vorher verschieben muss, dem wird eine Bearbeitungsgebühr abgezogen, wer mit weniger als einer Woche Abstand absagt, erhält von den 891 Euro gar nichts zurück. Fast 900 Euro - "das ist eine Menge Geld für jemanden, der Arbeit sucht und daher meistens kein oder nur ein geringes Einkommen hat", sagt der Arzt. Entgegenkommen seitens der Kammer gibt es keines.

"Dazu stehe ich", sagt der Präsident der Ärztekammer, Thomas Szekeres, zur Anhebung des Sprachniveaus für die Prüfung an der Akademie der Ärzte. "Wer als Drittstaatsangehöriger in Österreich praktiziert, muss sich ausreichend mit den Patienten verständigen können." Hierzu habe es Beschwerden gegeben, auf die die Ärztekammer nun reagiert habe. Dass nun bei der Prüfungsanmeldung ein starker Andrang herrsche, kann Szekeres nachvollziehen: Man wolle wohl jetzt noch die Chance auf eine leichtere Prüfung nutzen.Die Höhe der Prüfungsgebühr will der Ärztekammer-Präsident nicht direkt kommentieren. "Wir machen jedenfalls damit keinen Gewinn", sagt Szekeres. Zudem habe man das Prüfungsangebot sehr wohl verdoppelt, sagt er. Auf der Homepage der Akademie der Ärzte war davon am Freitagnachmittag allerdings noch nichts zu sehen. Bis Ende März sind demnach alle Termine ausgebucht.

Der junge Mediziner aber befindet sich so in einer fatalen Situation: Er hätte bereits eine Zusage eines burgenländischen Krankenhauses für die Basisausbildung.

Ärzte für 2019 Mangelberuf

Immerhin sind für das Jahr 2019 auch Ärzte als "besonders Hochqualifizierte" auf der Liste der Mangelberufe, für die eine Rot-Weiß-Rot-Card ausgestellt werden kann, angeführt. Die Card ist Voraussetzung für den Erhalt der angebotenen Basisausbildung, der junge Mediziner hat sie vor kurzem beantragt, noch hat er weder eine Zu- noch eine Absage erhalten. Zahlen, wie viele Rot-Weiß-Rot-Cards seit Jahresbeginn für Mediziner aus Drittstaaten beantragt und ausgegeben wurden, konnten Sozial- und Innenministerium am Freitag aber nicht nennen. Für den Job ist die Rot-Weiß-Rot-Card aber verbindlich, für die Card wiederum das verbindliche Jobangebot nötig. "Die Katze beißt sich in den Schwanz", sagt der junge ausländische Mediziner.

Auf der Suche nach einem Basisausbildungsplatz erlebte er weitere Ungereimtheiten. In Niederösterreich sagte man ihm, man könne gar keinen Platz anbieten, es sei denn, man habe bereits eine Zusage für einen Facharztausbildungsplatz. Österreichische Medizin-Absolventen aber würden einen Platz bekommen, habe er erfahren. Die niederösterreichische Landeskliniken-Holding konnte am Freitag dazu keine näheren Auskünfte geben.

Dass Österreich als Zielland für Ärzte aus Drittstaaten nicht allzu attraktiv sein dürfte, muss auch Ärztekammer-Präsident Szekeres zugeben. "Ärzte gehen dorthin, wo sie die besten Bedingungen finden", sagt er. Er überlege inzwischen, doch wo anders beruflich Fuß zu fassen, sagt der junge Mediziner.