Zum Hauptinhalt springen

Was wurde aus der zweiten NS-Liederbuchaffäre?

Von Jan Michael Marchart

Politik

Die Ermittlungen in der Causa sind seit mehr als einem Jahr anhängig. Die SPÖ will Antworten von Justizminister Josef Moser.


Wien. Vor mehr als einem Jahr tauchte ein NS-Liederbuch auf, das Herwig Götschober und seiner Burschenschaft Bruna Sudetia zugerechnet wurde. Das ist deshalb bemerkenswert, weil Götschober Pressereferent im Kabinett von Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) und Bezirksrat in der Leopoldstadt ist. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen drei Beschuldigte der Burschenschaft wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung gemäß Verbotsgesetz sind laut Behörde bis heute anhängig. Auch weil die Beschuldigten Beschwerde gegen den zuständigen Gutachter einlegten, der dann vom Oberlandesgericht Wien (OLG) abgesetzt wurde. Laut Staatsanwaltschaft nahm kein neuer Gutachter die Arbeit wieder auf.

Die SPÖ bringt am Dienstag eine parlamentarische Anfrage an Justizminister Josef Moser ein, um unter anderem den Ermittlungsstand zu eruieren und zu erfahren, ob gegen die drei Beschuldigten ein Strafantrag oder eine Anklage erhoben wurde. Außerdem wollen die Roten vom Minister wissen, was den von der Staatsanwaltschaft bestellten Gutachter vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands (DÖW) in seiner Ermittlungsarbeit disqualifizierte. Moser hat acht Wochen Zeit, die Anfrage zu beantworten.

Gericht zweifelt an Neutralität

Im März vergangenen Jahres wurde von der Behörde zur Aufklärung der Causa ein Sachverständiger bestellt, der das Liederbuch auf NS-Inhalte prüfen sollte. Die Beschuldigten legten Beschwerde gegen den bestellten Gutachter ein, weil sie wegen seiner Arbeit für das DÖW Befangenheit befürchteten. Das Oberlandesgericht Wien bestätigte Ende November 2018 die Absetzung des Gutachters, weil es an seiner Neutralität in dieser Sache zweifelte. Problematisch sei der "Rechtsextremismus-Ticker" des DÖW auf dessen Homepage, auf der auch mehrere Beiträge und Zeitungsartikel zur Burschenschaft Bruna Sudetia und zum Ermittlungsverfahren in der Causa Liederbuch zu finden seien. Laut DÖW pflegt Götschober ein Naheverhältnis zum Rechtsextremismus. Im Jahr 2009 war der Burschenschafter etwa bei einem Aufmarsch am Grab des Nazis und Luftwaffenmajors Walter Nowotny am Wiener Zentralfriedhof zugegen. In der Vergangenheit hat auch der Neonazi Gottfried Küssel das Grab Nowotnys besucht. Auch bei Pegida in Dresden war Götschober zu Gast.

Gegenwärtig sei aus Sicht der SPÖ völlig offen, ob ein neuer Gutachter von der Behörde eingesetzt wurde und wie weit die Ermittlungen gegen die Beschuldigten fortgeschritten sind.

Laut Staatsanwaltschaft wurde seit November kein neuer Gutachter eingesetzt. Auf Nachfrage war nicht klar, ob das noch einmal passieren wird oder ob die Behörde ohne Gutachten entscheidet.

Einen Tag, nachdem die Staatsanwaltschaft die Bude der Bruna Sudetia Ende Februar 2018 durchsucht hatte, ließ sich Götschober von seiner Ministeriumstätigkeit beurlauben, bis die Vorwürfe "restlos aufgeklärt" sind. Später wurde bekannt, dass er nach nur neun Tagen, konkret vom 22. Februar 2018 bis einschließlich 2. März 2018, seinen Dienst wieder angetreten hatte, obwohl die Ermittlungen erst anliefen. Die "Wiener Zeitung" berichtete im Vorfeld von seiner Rückkehr auf seinen Arbeitsplatz. Über die Dauer seines Fernbleibens schwieg sich sein Chef Hofer bis zu seiner Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage von der SPÖ aus.

Auflösungsverfahren gegen Germania eingestellt

Im zweiten Fall um rassistische und NS-verherrlichende Liedertexte – diesmal geht es um die Burschenschaft Germania – ist das eingeleitete Auflösungsverfahren eingestellt worden. Wie die "Salzburger Nachrichten" am Montag berichteten, nennt der Bescheid der St. Pöltner Vereinsbehörde keine Gründe für die Einstellung. Die "Liederbuch-Affäre" hatte die FPÖ im niederösterreichischen Wahlkampf unter Druck gebracht.