Wien. Ohne die Betreuung durch Angehörige wäre in Österreich der Pflegekollaps längst perfekt. 436.000 Menschen, der Großteil davon Frauen, pflegen derzeit Familienmitglieder daheim. Weil der Mangel an Pflegepersonal schon jetzt groß ist und gleichzeitig die meisten Menschen weiter daheim betreut werden möchten und nicht in ein Pflegeheim übersiedeln wollen, wird die Pflege zu Hause auch zentrales Thema der von der ÖVP-FPÖ-Bundesregierung für den Herbst angekündigten Pflegereform.

Unmittelbar vor einer PflegeFachtagung des Sozialministeriums lässt jetzt die Obfrau des ÖVP-Seniorenbundes, Ingrid Korosec, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" mit einem weitreichenden Vorschlag aufhorchen. Personen, die Angehörige daheim betreuen, sollen künftig allein durch diese Pflegeleistung einen eigenen Anspruch auf eine spätere Pension erwerben.

"Das muss uns das wert sein", betont Korosec. Derzeit sind insgesamt 15 Jahre als Beitragszeiten notwendig, um einen Anspruch auf eine eigene Pension zu erwerben. Bisher werden bereits Betreuungszeiten als Beitragszeiten für die Pension angerechnet, wenn jemand einen Menschen ab Pflegestufe drei pflegt. Voraussetzung, damit jemand eine Pension bekommt, ist aber, dass von 15 Beitragsjahren mindestens sieben Jahre aus Erwerbstätigkeit resultieren. Dies ist sowohl für pflegende Angehörige so als auch für Mütter mit Kindererziehungszeiten.
Wer als Pensionist pflegt, soll Pflegebonus erhalten
Die Forderung der ÖVP-Senioren stellt damit eine entscheidende Zäsur dar. Denn künftig würden 15 Jahre Pflege von Angehörigen daheim ausreichen, um einen Pensionsanspruch zu begründen. Das stellt einen zusätzlichen Anreiz dar, die Pflege zu Hause zu machen. Die Unterstützung pflegender Angehöriger würde damit deutlich ausgeweitet.
Dabei soll es nach dem Pflegekonzept des ÖVP-Seniorenbundes nicht bleiben. Wenn jemand, der einen Angehörigen daheim betreut, selbst bereits in Pension ist, soll ein Pflegebonus eingeführt werden. Dieser Bonus für ältere pflegende Angehörige müsse der der Förderung bei der 24-Stunden-Betreuung durch Pflegekräfte entsprechen. Das sind derzeit 275 Euro je Pflegekraft.
Hintergrund der Debatte ist auch die Abschaffung des Pflegeregresses, mit dem auf Vermögen des Heimbewohners zurückgegriffen wird, seit Anfang 2018. Damit ist Heimbetreuung für die Betroffenen zumindest in Relation zu früher billiger geworden. Das ist nunmehr ein Mitgrund, warum neue Anreize für die Pflege in den eigenen vier Wänden überlegt werden.