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Wer daheim pflegt, soll Pension erhalten

Von Karl Ettinger

Politik

ÖVP-Seniorenchefin Korosec fordert Anreize für Betreuung Angehöriger. SPÖ-Pensionisten lehnen Pflegeversicherung ab.


Wien. Ohne die Betreuung durch Angehörige wäre in Österreich der Pflegekollaps längst perfekt. 436.000 Menschen, der Großteil davon Frauen, pflegen derzeit Familienmitglieder daheim. Weil der Mangel an Pflegepersonal schon jetzt groß ist und gleichzeitig die meisten Menschen weiter daheim betreut werden möchten und nicht in ein Pflegeheim übersiedeln wollen, wird die Pflege zu Hause auch zentrales Thema der von der ÖVP-FPÖ-Bundesregierung für den Herbst angekündigten Pflegereform.

Unmittelbar vor einer PflegeFachtagung des Sozialministeriums lässt jetzt die Obfrau des ÖVP-Seniorenbundes, Ingrid Korosec, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" mit einem weitreichenden Vorschlag aufhorchen. Personen, die Angehörige daheim betreuen, sollen künftig allein durch diese Pflegeleistung einen eigenen Anspruch auf eine spätere Pension erwerben.

"Das muss uns das wert sein", betont Korosec. Derzeit sind insgesamt 15 Jahre als Beitragszeiten notwendig, um einen Anspruch auf eine eigene Pension zu erwerben. Bisher werden bereits Betreuungszeiten als Beitragszeiten für die Pension angerechnet, wenn jemand einen Menschen ab Pflegestufe drei pflegt. Voraussetzung, damit jemand eine Pension bekommt, ist aber, dass von 15 Beitragsjahren mindestens sieben Jahre aus Erwerbstätigkeit resultieren. Dies ist sowohl für pflegende Angehörige so als auch für Mütter mit Kindererziehungszeiten.

Wer als Pensionist pflegt, soll Pflegebonus erhalten

Die Forderung der ÖVP-Senioren stellt damit eine entscheidende Zäsur dar. Denn künftig würden 15 Jahre Pflege von Angehörigen daheim ausreichen, um einen Pensionsanspruch zu begründen. Das stellt einen zusätzlichen Anreiz dar, die Pflege zu Hause zu machen. Die Unterstützung pflegender Angehöriger würde damit deutlich ausgeweitet.

Dabei soll es nach dem Pflegekonzept des ÖVP-Seniorenbundes nicht bleiben. Wenn jemand, der einen Angehörigen daheim betreut, selbst bereits in Pension ist, soll ein Pflegebonus eingeführt werden. Dieser Bonus für ältere pflegende Angehörige müsse der der Förderung bei der 24-Stunden-Betreuung durch Pflegekräfte entsprechen. Das sind derzeit 275 Euro je Pflegekraft.

Hintergrund der Debatte ist auch die Abschaffung des Pflegeregresses, mit dem auf Vermögen des Heimbewohners zurückgegriffen wird, seit Anfang 2018. Damit ist Heimbetreuung für die Betroffenen zumindest in Relation zu früher billiger geworden. Das ist nunmehr ein Mitgrund, warum neue Anreize für die Pflege in den eigenen vier Wänden überlegt werden.

Vorbehalte gegen deutsches Modell der Pflegeversicherung

Der ÖVP-Seniorenbund strebt wie beispielsweise auch Oberösterreichs Soziallandesrätin Birgit Gerstorfer (SPÖ) ein dreistufiges System für die Pflege an: erstens mobile Dienste sowie teilstationäre Angebote; zweitens alternative Wohnformen etwa in Wohngemeinschaften und drittens Pflegeheime für Menschen mit einem hohen medizinischen Betreuungsbedarf. Derzeit kommen vor allem Menschen ab der Pflegestufe fünf, sechs und sieben in Heime.

Neben dem Personalmangel sorgt vor allem die Finanzierung der Pflege für das meiste Kopfzerbrechen. Ähnlich wie im Spitalsbereich, wo die Finanzströme sehr verworren sind, verlangt Korosec bei der Pflege eine Entflechtung. Derzeit sind bis zu 19 Geldgeber beteiligt. Künftig sollen die Kompetenzen beim Bund zusammenlaufen und alle Mittel in einen Pflegefonds fließen. Gleichzeitig werden bundesweit einheitliche Strukturen und Kostenbeiträge verlangt.

Die bisher je nach Bundesland völlig unterschiedlichen Kostenbeiträge sind Korosec ein besonderer Dorn im Auge. In der Sozialversicherung habe es auch 20 Jahre gedauert, die Umstellung auf einheitliche Kostenbeiträge für bestimmte Leistungen einzuleiten, argumentiert sie.

Bei der Finanzierung meldet Korosec massive Skepsis gegenüber der Einführung einer Pflegeversicherung an, betont aber: "Man muss alles prüfen." Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) lässt derzeit verschiedene Modelle prüfen.

Korosec macht kein Hehl daraus, dass sie sich mit einer Pflegeversicherung wie es sie in Deutschland seit gut zwei Jahrzehnten gibt, gar nicht anfreunden kann. "Das ist wirklich kein Erfolgsmodell", betont sie. Das sei letztlich eine "Teilkaskoversicherung", weil Betroffene hohe Zahlungen übernehmen müssten. Die Beiträge hätten sich von einem Prozent auf mehr als drei Prozent verdreifacht.

Wer soll von einer Erhöhung des Pflegegeldes profitieren?

Zwar schließt sie eine Pflegeversicherung nicht kategorisch aus. Zuerst müssten im Pflegebereich die "Hausaufgaben" gemacht werden und alle Einsparmöglichkeiten, die vom Rechnungshof und vom Fiskalrat genannt worden seien, genützt werden.

Der Präsident des SPÖ-Pensionistenverbandes, Peter Kostelka, legte in einer Presseaussendung nach. Kostelka erinnerte daran, dass sich der Seniorenrat als Dachorganisation der Pensionistenorganisationen einstimmig und damit auch mit Korosecs Stimme zur Finanzierung der Pflege auf ein steuerfinanziertes Modell festgelegt habe.

Einer Pflegeversicherung wurde damit eine Absage erteilt. Auch Kostelka verwies darauf, dass Deutschland "schlechte Erfahrungen" mit einer Pflegeversicherung gemacht habe.

Unterschiede gibt es zwischen ÖVP-Senioren und SPÖ-Pensionisten bei der Anhebung des Pflegegeldes. Für Korosec steht eine Erhöhung der untersten drei Stufen im Vordergrund, weil damit die Pflege daheim unterstützt wird. Kostelka drängt hingegen auf eine Erhöhung aller sieben Pflegegeldstufen.