Wien. (ett) In Österreichs katholischer Kirche hat es seit 1945 rund 2000 Fälle von Gewalt oder sexuellem Missbrauch gegeben, wobei Letztere ein Drittel ausmachten. Während der Großteil in den 1960er und 1970er Jahren passierte, waren es seit 2000 lediglich 0,8 Prozent. Der Wiener Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn setzt beim Kampf gegen Missbräuche in der katholischen Kirche daher auf einen "Kulturwandel" durch eine Öffnung der Gesellschaft und der Kirche. Geschlossene Systeme seien besonders gefährdet. Geschlossene Systeme seien das "Mistbeet", auf dem Missbrauch gedeihe.

Der Vorsitzende der österreichischen Bischofskonferenz nützte die traditionelle Pressekonferenz nach der Frühjahrsvollversammlung der Bischöfe am Freitag in Wien aber auch in eigener Sache, um etwaigen "Gerüchten" über seinen Gesundheitszustand zuvorzukommen. In bisher einzigartiger Form überraschte Schönborn mit einem offenen Umgang und teilte mit, dass er sich im Mai einer Krebsoperation unterziehen müsse.

Es handelt sich um Prostatakrebs. Das sei "nicht so etwas Dramatisches". Prostatakrebs sei heutzutage in den meisten Fällen gut heilbar. Der Wiener Erzbischof wird im Mai nicht in der Öffentlichkeit auftreten. Die Öffentlichkeit werde das "gut überleben, ich hoffe, ich tue es auch".

2000 Missbrauchsfälle in Österreichs Kirche seit 1945

Überschattet war die Frühjahrstagung im niederösterreichischen Reichenau an der Rax von einer Reihe für die Kirche unangenehmen Themen. Allen voran der Umgang mit sexuellem Missbrauch und Gewalt in den eigenen Reihen. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz erinnerte daran, dass es seit 2010 Richtlinien im Kampf gegen Gewalt und sexuellen Missbrauch gebe. An Missbrauchsopfer seien freiwillig 27,8 Millionen Euro bezahlt worden.

Am 9. März wurde unter dem Vorsitz des Vorarlberger Bischofs Benno Elbs ein Beirat eingesetzt, der über die konsequente Einhaltung der Richtlinien wachen soll. Österreichs Bischöfe stehen beim Kinderschutz und Maßnahmen gegen sexuellen Missbrauch voll hinter dem Kurs von Papst Franziskus. Es geht bei dem Beirat, um ein bewusstes Hinschauen, damit jedem Verdachtsfall nachgegangen wird.

Der deutliche Rückgang von Fällen seit 2000 ist für Schönborn ein Grund zur Hoffnung. Er warne davor, zu glauben, dass es etwa durch Reformen wie den Zugang zu Ämtern auch für Frauen zu Verbesserungen gegen Missbräuche komme. Entscheidend sei, dass man sich in einer offenen Gesellschaft traue, über dieses Thema zu reden. "Deshalb erwarte ich von einem Kulturwandel die beste Prävention", sagte er.