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Die FPÖ möchte nicht identitär sein

Von Jan Michael Marchart

Politik

Vizekanzler Strache sieht "klare Distanz", aber es gibt Berührungspunkte. Auch Linzer Bürgermeister unter Druck.


Wien/Graz/Linz. Es gibt klare Beweise für die vielfältigen Berührungspunkte mit den Identitären, die die Freiheitlichen nach wie vor verleugnen. Vizekanzler Heinz-Christian Strache versuchte sich am Dienstag einmal mehr, von dem rechtsextremen Kader abzugrenzen. Es gebe Beschlüsse, wonach jene Freiheitlichen, die Identitären-Mitglieder sind, keinen Platz in der Partei hätten. "Wir haben eine klare Distanz zu jedwedem Extremismus", sagte Strache. Bundeskanzler Sebastian Kurz, der die Freiheitlichen zuvor zu einer klaren Trennung von den Identitären aufforderte, könne sich darauf verlassen.

Das darf bezweifelt werden. Da wäre der Grazer Gemeinderat Heinrich Sickl, der bei Demonstrationen der Identitären nicht nur mitmarschierte, sondern in Graz dem rechtsextremen Kader auch Räumlichkeiten für das Hauptquartier des Vereins zur Verfügung stellt.

Da sind aber auch Mitarbeiter der Freiheitlichen in Oberösterreich wie Jan Ackermeier. Dieser ist politischer Referent der dortigen Landes-FPÖ. Ackermeier hält als Gesellschafter aber auch 30 Prozent am extrem Rechten Magazin "Info-Direkt", das eine deutliche Nähe zu den Identitären aufweist und mit Inseraten von FPÖ-Politikern wie dem ehemaligen Linzer Vizebürgermeister und Sicherheitsreferenten Detlef Wimmer gefüllt wird.

Linzer Verbindungen

Der Geschäftsführer des Magazins, Michael Scharfmüller, war Anfang November vergangenen Jahres nachweislich Diskutant auf einer Podiumsdiskussion der Identitären im "Khevenhüller Zentrum" zum Thema "Alternative Medien". Ebenfalls zu 30 Prozent an "Info-Direkt" beteiligt ist Ulrich Püschel, Büroleiter des jetzigen Linzer Vizebürgermeisters Markus Hein. Dieser sitzt auf einem FPÖ-Ticket im Aufsichtsrat der Linz AG.

Püschel marschierte auf Demonstrationen der Identitären im steirischen Grenzort Spielfeld mit, was dieser laut einem Bericht der "Oberösterreichischen Nachrichten" vom 11. April 2018 auch nicht in Abrede stellt. "Info-Direkt", das FPÖ-nahe Magazin unzensuriert.at und die Burschenschaft Arminia Czernowitz, bei der Püschel "Schriftwart" ist, waren Mitveranstalter beim rechtsextremen Kongress "Verteidiger Europas" im Oktober 2016 in den Linzer Redoutensälen, bei dem der heutige Innenminister Herbert Kickl die Eröffnungsrede hielt. Als Aussteller waren die Identitären gelistet.

Die Neuauflage des umstrittenen Kongresses im März 2018 im Wasserschloss in Aistersheim organisierte Püschel mit. Dort trat übrigens der Grazer FPÖ-Vizebürgermeister Mario Eustacchio auf.

Die schlagende Burschenschaft Arminia Czernowitz zieht die Verbindungen zu den Identitären noch weiter. Ihr gehören nicht nur Püschel und der ehemalige Linzer Vizebürgermeister Wimmer an, sondern etwa auch der nunmehrige Vize Hein oder der FPÖ-Bundesrat Michael Raml. Laut den "Oberösterreichischen Nachrichten" ist das FPÖ-geführte Studentenheim Villa Hagen in Linz-Urfahr zudem nicht nur Sitz der Burschenschaft, sondern es beherbergt auch (laut einem Facebook-Eintrag der Identitären seit 25. September 2016) das "Khevenhüller-Zentrum" der Identitären, in dem die Podiumsdiskussion mit "Info-Direkt"-Beteiligung im November 2018 stattfand.

Von den FPÖ-Politikern unter den Burschenschaftern will niemand etwas davon gewusst haben, mit wem man sich die Villa teilt. Allein schon aufgrund der Verbindung zwischen "Info-Direkt"-Chef und Diskutant Scharfmüller und dem Burschenschafter und FPÖ-Mitarbeiter Püschel scheint das mehr als fragwürdig.

Generell zeigen sich die Freiheitlichen wortkarg. Nachfragen in den blauen Parteistuben werden entweder damit abgewunken, nichts mit den Identitären zu tun zu haben, völlig ignoriert oder gar mit vagen Klagsdrohungen quittiert. In Graz nimmt man Straches Aufruf zur Trennung zwar wahr, sieht aber nichts dabei, wenn ein FPÖ-Gemeinderat bei Identitären-Demos mitgeht oder Räumlichkeiten an sie vermietet.

Distanz mit Hindernissen

Das freiheitlich-identitäre Netz bringt nicht nur die Koalition im Bund unter Druck. Der rote Linzer Bürgermeister Klaus Luger hat mit den Freiheitlichen seit Herbst 2015 ein Arbeitübereinkommen. Wohin die Verbindungen von FPÖ und Identitären führen werden, sei damals nicht absehbar gewesen. Wiewohl man "seit 2011 oder 2012" durch Aktionen der Identitären in Linz wisse, wer sie sind. Er fordert die FPÖ auf, sich glaubwürdig von den rechtsextremen Identitären zu distanzieren. Wie genau das passieren soll, lässt Luger offen. Dass das Vertrauen dahingehend fehlt "kann ich nachvollziehen, weil es nicht das erste Mal ist, dass wir über die rechtsextreme Nähe der FPÖ diskutieren". Trotzdem will er an der Zusammenarbeit festhalten. Was passiert, wenn die FPÖ nichts tut, will Luger nicht beantworten. Das sei abzuwarten. Luger sieht die oberösterreichische Landesregierung eher am Zug. Dort habe die ÖVP eine "ideologische" Koalition mit den Freiheitlichen. In Linz baue man gemeinsam Brücken.

Landeshauptmann Thomas Stelzer hat bei der Landespolizeidirektion einen Lagebericht über die Identitären in Oberösterreich angefordert. Nach Eintreffen der Ergebnisse soll ein Landessicherheitsrat einberufen werden.