Linz/Graz. Nach tagelangen Diskussionen um die Verstrickungen der Freiheitlichen mit den Identitären treten nun die Blauen die Flucht nach vorne an. Laut "orf.at" kündigte der FPÖ-nahe Studentenverein, der die Villa Hagen im Linzer Stadtteil Urfahr an eine Privatperson mit offenbar unmittelbarer Nähe zu den Identitären vermietet hatte, den Mietvertrag mit der rechtsextremen Gruppierung auf. Zuvor hatte der oberösterreichische Landesparteichef Manfred Haimbuchner auf eine Beendigung gedrängt.

Die Kündigung sei schon am Donnerstag erfolgt, wird der freiheitliche Linzer Vizebürgermeister Markus Hein zitiert. Die Villa ist auch die Heimstätte der Burschenschadft Arminia Czernowitz, der neben Hein viele weitere Freiheitliche in Oberösterreich angehören. Sowohl die Freiheitlichen als auch die Burschenschaft behaupteten zuvor, die Identitären in der Villa nie bemerkt zu haben.

Auch das Mietverhältnis für das Hauptquartier der Identitären in Graz könnte bald aufgelöst werden. Der Grazer Vizebürgermeister Mario Eustacchio kündigte in einem "Krone "-Interview an, dass das Mietverhältnis zwischen FPÖ-Gemeinderat Heinrich Sickl und den Identitären in Graz  "zum nächstmöglichen Zeitpunkt" aufgelöst werde. "Die Identitären ziehen aus." Außerdem ging Eustachhio nun doch auf Distanz zu dem rechtsextremen Kader.

Freiheitliche sprechen von "Partei-Hygiene"

Das überrascht, da Eustacchio vergangene Woche noch keinen Grund sah, sich von der rechtsextremen Gruppierung zu lösen. "Es ist ja niemand verurteilt", sagte Eustacchio. Auch machte er keinen Hehl daraus, 2015 selbst an einer Demonstration der Identitären im steirischen Grenzort Spielfeld teilgenommen zu haben.

Das Mietverhältnis mit den Identitären in Graz rechtfertigte der freiheitliche Klubobmann Walter Rosenkranz im "ZiB 2"-Interview vergangene Woche noch mit dem "österreichischen Mietrecht".

Im Doppelinterview stellte Verteidigungsminister Mario Kunasek nun klar: "Wenn sich jemand mit den Identitären auch nur solidarisiert, hat er in der FPÖ nichts zu suchen. Das ist parteischädigendes Verhalten und hat den Ausschluss zur Folge." Es gehe um "Partei-Hygiene", meinte Kunasek.

Eustacchio ruderte nach seinen umstrittenen Aussagen in der vergangenen Woche zurück: "Ich habe gesagt, dass ich drei Positionen der Identitären unterschreiben kann: Deren traditionelles Familienbild 'Vater-Mutter-Kind' sowie ihre Haltung zu Islamisierung und Zuwanderung. Ich habe allerdings nicht gesagt, dass ich alles unterschreibe, was die Identitären tun und denken."

"Radikal, oft sogar kriminell und antisemitisch"

Mit dem bekannt gewordenen Hakenkreuz-Aufkleber an eine Synagoge sei eine "rote Linie klar überschritten" worden, sagte der Stellvertreter des Grazer ÖVP-Bürgermeisters Siegfried Nagl. "Der freiheitliche Weg ist kein Weg des Aktionismus. Wir haben finanziell, strukturell und personell keinerlei Verknüpfungen mit den Identitären. Wir entziehen jedem Anschein einer angeblichen Verflechtung endgültig den Boden", so Eustacchio weiter.

Die Aussagen der vergangenen Tage würde er nicht mehr in der Art formulieren: "Heute bin ich gescheiter." Er wolle bei niemanden anstreifen, der "radikal, oft sogar kriminell und antisemitisch" sei.

Grüne halten an Misstrauensantrag fest

Der Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) zeigte sich mit der Distanzierung seines Koalitionspartners nach anfänglichen Schwierigkeiten zufrieden. Eustacchio "hat für mich die notwendige Klarstellung und Distanzierung seines persönlichen Verhältnisses und auch die der Grazer Freiheitlichen vollzogen".

Die Grazer Grünen wollen hingegen trotz der jüngsten Distanzierungsaussagen von Vizebürgermeister Eustacchio an ihrem geplanten Misstrauensantrag festhalten. "Die Aussagen sind nicht glaubwürdig", sagte der grüne Klubobmann Karl Dreisieber. Eustacchio sei den Identitären nicht nur nahe, sondern "er denkt im Inneren wie die Identitären".

Dreisieber sagte, dass die Grazer KPÖ und SPÖ am Montagnachmittag im Klub darüber beraten, ob sie den Misstrauensantrag der Grünen mitunterschreiben wollen. Für den Antrag ist zumindest ein Viertel der Gemeinderäte - also zwölf Unterschriften - nötig. Die Grünen, mit fünf Gemeinderäten vertreten, brauchen also zumindest einen Teil der 10 Kommunisten für ihren Antrag. Die Stimmen von SPÖ (5) und Neos (1) alleine reichen nicht aus.