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Wann Spenden die Sozialhilfe schmälern

Von Karl Ettinger

Politik
© Getty Images/Westend61

Ein Punkt bei der Mindestsicherungsreform sorgt für Zündstoff: Viel hängt von Härtefallklauseln der Bundesländer ab.


Wien. Vor dem öffentlichen Hearing am Montag um die neue Sozialhilfe, die nach den Plänen der ÖVP-FPÖ-Regierung die bisherige Mindestsicherung ablösen und Verschärfungen für Ausländer und Asylberechtigte sowie Mehrkindfamilien bringen soll, entwickelte sich ein weiterer Schlagabtausch zwischen der türkis-blauen Koalition und der SPÖ. Anlassfall diesmal war die Frage, ob und wann die Sozialhilfe gekürzt wird, wenn jemand Spenden erhält.

Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ), die am Donnerstag beim EU-Sozialministertreffen in Rumänien war, musste daheim mit dem Feuerlöscher ausrücken. Sie dämmte die aufgeflammte Debatte mit der Festlegung ein, "dass Spenden grundsätzlich nicht angerechnet werden müssen". Allerdings hängt ein Teil davon auch von den jeweiligen Regelungen der einzelnen Bundesländer ab.

Auslöser ist der Paragraf 7 im Grundsatzgesetz der Regierung, das im Frühjahr beschlossen werden soll. Mit diesem wird allen Bundesländern der Rahmen für die künftige Sozialhilfe vorgegeben. In den Ländern müssen dann bis Ende 2019 Ausführungsgesetze beschlossen werden. In der Regierungsvorlage heißt es zur Berücksichtigung von Leistungen Dritter und mit eigenen Mitteln:

"Die Landesgesetzgebung hat sicherzustellen, dass bei der Bemessung von Leistungen der Sozialhilfe alle zur Deckung der eigenen Bedarfe zur Verfügung stehenden Leistungen Dritter, sonstige Einkünfte und verwertbares Vermögen - auch im Ausland - angerechnet werden. Zu den Leistungen Dritter zählen auch sämtliche öffentliche Mittel zur Unterstützung des allgemeinen Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs sowie jener Teil des Einkommens des im gemeinsamen Haushalt des unterhaltspflichtigen Angehörigen bzw. des Lebensgefährten, der eine für diese Person gemäß § 5 vorgesehene Bemessungsgrundlage übersteigt. Leistungen, die einer Person aufgrund der Bemessungsgrundlage § 5 zur Verfügung stehen sollen, sind in einem der Anrechnung entsprechenden Ausmaß zu reduzieren."

Die Sozialhilfe (Mindestsicherung) macht derzeit für Alleinstehende maximal 885 Euro im Monat aus, 2017 bezogen 307.000 Personen diese Leistung. In vielen Fällen wird bisher aber nicht die volle Summe ausbezahlt, sondern eine Zuzahlung zu Arbeitslosengeld, Notstandshilfe oder niedrigem Erwerbseinkommen. Diese Fälle bezeichnet man als "Aufstocker". Für die Umsetzung bleibt eine Übergangsfrist bis 1. Juni 2021.

SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch warf der Sozialministerin "Hartherzigkeit gegen ärmere Menschen vor". Die FPÖ-Ministerin wolle "jetzt sogar die Mindestsicherung kürzen, wenn betroffene Menschen eine Spende etwa von ,Licht ins Dunkel‘ zu Weihnachten erhalten", meuterte der steirische Nationalratsabgeordnete und Baugewerkschafter. Außerdem könne beispielsweise eine Gemeinde die Kosten für eine ärmere Familie nicht übernehmen, wenn deren Kind einen Schulausflug oder eine Exkursion macht, wenn dies im jeweiligen Landesgesetz nicht als "Sonderbedarf" angeführt sei.

Ministerin verteidigt Novelle gegen SPÖ-Angriffe

Die Sozialminister rückte daraufhin zu Klarstellungen auch auf Anfrage der "Wiener Zeitung" aus. Sachleistungen wie ein elektrischer Rollstuhl oder medizinische Hilfsmittel, die etwa von "Licht ins Dunkel" gespendet oder mitfinanziert würden, würden "selbstverständlich bei keinem Mindestsicherungsbezieher angerechnet". Anrechnen würde bedeuten, dass die Mindestsicherung, die künftig wieder Sozialhilfe heißt, reduziert wird. Es kommt auch zu keiner Anrechnung von Leistungen, die Betroffene nach einer Naturkatastrophe wie etwa Hochwasser zum Überwinden der plötzlichen Notlage erhalten, stellte die Ministerin fest. Auch kommt es zu keiner Reduktion der Sozialhilfe, wenn einmalige Leistungen wie etwa Umzugskosten ausbezahlt werden, um Härtefälle zu vermeiden. Auch Spenden aus einem privaten Soforthilfefonds seien ebenfalls nicht anzurechnen.

Bund macht keine Vorgaben, was als Sonderbedarf gilt

Diffiziler ist der Umgang mit Sachleistungen, die einen Sonderbedarf darstellen und für die beispielsweise eine Gemeinde aufkommt. Das gilt für den Fall, wenn eine Waschmaschine zur Verfügung gestellt wird, oder für einen Schulskikurs. Für solche Fälle können die Bundesländer Härtefallklauseln beschließen. Passiert das, erfolgt keine Anrechnung und damit keine Reduktion der Sozialhilfe. Das Sozialministerium macht in dem Zusammenhang darauf aufmerksam, dass mit dem Grundsatzgesetz des Bundes den Ländern keine Vorgaben gemacht werden, welchen Sonderbedarf oder besondere Sozialleistungen jedes Bundesland im Rahmen der Härtefallklausel festlegt.

Wann hat jedenfalls eine Anrechnung und damit eine Senkung der Sozialhilfe zu erfolgen? "Wenn es ein monatliches Einkommen ist oder ein klarer Vermögenszugewinn, muss es angerechnet werden", teilte das Büro der Sozialministerin der "Wiener Zeitung" mit.

Für Diskussionen sorgt darüber hinaus die Frage, ob Wohnbeihilfe die bisherige Mindestsicherung reduziert. Dazu wird im Sozialressort erklärt, Leistungen, wie die Mietzinsbeilhilfe oder Heizkostenzuschüsse, würden nicht den Bestimmungen des Grundsatzgesetzes unterliegen. Die Entscheidung liegt damit bei den Ländern.

In Einzelfällen könnten die Bundesländer trotzdem zusätzliche Leistungen für einen Sonderbedarf aufgrund der Härtefallklausel vorsehen. Es wird außerdem die Möglichkeit eingeräumt, eine um 30 Prozent erhöhte Gesamtleistung als Kombination aus Geld- und Sachleistungen zu gewähren. Diese Überschreitung ist jedoch an die Voraussetzung geknüpft, dass Aufwendungen für den Wohnbedarf in Form einer Sachleistung abgegolten werden.

Sachleistung bedeutet, es muss eine Direktzahlung der Behörde an den Vermieter, der Betriebskosten sowie Energiekosten an den Energieanbieter erfolgen. Diese Möglichkeit wird den Ländern grundsätzlich für teurere Wohngegenden eingeräumt.