Wien. Die Pläne von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ), den Anerkennungsbeitrag für gemeinnützig tätige Asylwerber von bisher 3 bis 5 Euro pro Stunde auf 1,50 Euro zu reduzieren, stößt auf breite Ablehnung aus den Bundesländern. In einer gemeinsamen Stellungnahme sprechen sich das Burgenland, Kärnten, Oberösterreich, Salzburg, die Steiermark, Tirol, Vorarlberg und Wien gegen die Verordnung aus.
Die acht Länder, Niederösterreich ist als einziges nicht dabei, plädierten am Donnerstag für die Beibehaltung der bisherigen Praxis. "Es ist paradox: Der Innenminister will ein Problem lösen, das es gar nicht gibt. Wir verstehen nicht, wieso er ein funktionierendes System kaputt macht", kritisiert Wiens Sozialstadtrat Peter Hacker (SPÖ), auf dessen Initiative die Stellungnahme erarbeitet wurde.
"Entbehrt jeglicher Logik"
Allein in der Bundeshauptstadt seien derzeit 400 Asylwerber gemeinnützig tätig, auch die anderen Bundesländer hätten gute Erfahrungen mit dem bisherigen Modell gemacht. Die Asylwerber gehen einer sinnvollen Tätigkeit nach, leisten einen wertvollen Beitrag für die Gesellschaft, lernen rascher Deutsch und werden bereits während des Asylverfahrens auf den Arbeitsmarkt vorbereitet. "Diese Bundesregierung streicht Mittel für Deutschkurse und zerstört Anreize für gemeinnützige Tätigkeit, gleichzeitig beklagt sie die Zahl der Asylberechtigten in der Mindestsicherung. Das entbehrt jeglicher Logik", so Hacker.
Auch der zuständige Landesrat aus Oberösterreich, Rudolf Anschober (Grüne), kann mit der Verordnung Kickls nichts anfangen. "Diese gezielte Strategie der Zerstörung von Integrationsmaßnahmen muss endlich gestoppt werden", so Anschober.
Für Vorarlberg betont der zuständige Landesrat Christian Gantner (ÖVP), dass er die Reduktion für nicht zielführend hält. Aufgrund der Freiwilligkeit dürfte das Interesse bei einem so niedrigen Lohn vermutlich gering sein, so der Vorarlberger Landesrat.
Aus der Steiermark und Kärnten kam ebenfalls deutliche Kritik. "1,50 Euro pro Arbeitsstunde ist keine Entlohnung, sondern Ausbeutung", so Kärntens Landesrätin Sara Schaar (SPÖ). "Die Möglichkeit zu arbeiten, ist der beste Weg zur Integration. Aber 1,50 Euro in der Stunde sind deutlich zu wenig, wenn jemand freiwillig eine Beschäftigung aufnimmt", kritisierte auch die steirische Soziallandesrätin Doris Kampus (SPÖ). Tirols Soziallandesrätin Gabriele Fischer (Grüne) bezeichnete die Halbierung des bisherigen Wertschätzungsbeitrages als "unmenschlichen Hungerlohn".
Der Salzburger Landeshauptmann-Stellvertreter Heinrich Schellhorn (Grüne), zuständig für Grundversorgung und Soziales, verwies darauf, dass die ÖVP-FPÖ-Regierung im Jahr 2004 den Betrag von 3 bis 5 Euro für angemessen gehalten habe. Mit einer Reduktion des Stundenlohns "wird die Arbeit und der Mensch, der sie macht, ein Stück weit entwertet. Der Innenminister will offensichtlich nicht, dass sich die Menschen integrieren", so Schellhorn.
Aus integrations- und arbeitsmarktpolitischer Sicht "kontraproduktiv"
Auch der Städtebund lehnt die Pläne Kickl ab. Für den Städtebund brächte die Kürzung für die öffentliche Hand keine nennenswerten Einsparungen, sie wäre aber aus integrations- und arbeitsmarktpolitischer Sicht "kontraproduktiv".
In seiner Begutachtungsstellungnahme zum Verordnungsentwurf des Innenministeriums hält der Städtebund fest, dass die Kürzung trotz fehlenden Einsparungspotenzials nicht einzusehen sei. Im Gegenteil: die gemeinnützige Arbeit von Asylwerbern sollte aus integrations-und arbeitsmarktpolitischen Gründen gefördert werden.
Der Anerkennungsbetrag habe den Zweck, den Wert der geleisteten Tätigkeit für die Gesellschaft zum Ausdruck zu bringen. Dies sei für das Selbstwertgefühlt der Menschen wichtig und motiviere Asylwerber sich für die Gemeinschaft zu betätigen. "Die Auszahlung eines Betrages, für den man sich in Österreich nichts leisten kann, hat das genaue Gegenteil zur Folge und suggeriert die Wertlosigkeit der oftmals körperlich anstrengenden Arbeit. Die laufenden Bemühungen der Städte und Gemeinden, den Asylsuchenden zu vermitteln, dass sich Einsatz und Leistung in Österreich lohnen, werden so unglaubwürdig", kritisiert der Städtebund. Außerdem macht er darauf aufmerksam, dass Asylwerber meist keine Fahrtkosten ersetzt bekommen und der an einem Tag verdiente Anerkennungsbeitrag somit nicht selten schon allein durch die An- und Abreise aufgebraucht würde.
Begrüßt wird vom Städtebund hingegen die geplante Ausweitung der gemeinnützigen Tätigkeiten auf Rechtsträger, welche dem bestimmenden Einfluss einer Gebietskörperschaft unterliegen. Gleichzeitig findet es der Städtebund aber bedauerlich, dass es für Nichtregierungsorganisationen weiterhin nicht möglich sein soll, Asylwerber gemeinnützig zu beschäftigen. Gerade diese Organisationen wären auf die Unterstützung von Freiwilligen angewiesen und könnten Asylwerbern sinnvolle Tätigkeiten zur Verfügung zu stellen - insbesondere NGOs, die ohnehin in der Flüchtlingsbetreuung tätig sind.
1,50-Stundenlohn für Kapsch "menschenverachtend"
DieLohnkürzung wird selbst in Wirtschaftskreisen scharf kritisiert. IV-Präsident Georg Kapsch bezeichnet diese Maßnahme im "Standard" am Donnerstag als "menschenverachtend".
Nur wenige Menschen seien davon betroffen, in absoluten Beträgen sei die Ersparnis verschwindend gering: "Es ist reine Symbolpolitik, die viel mehr Zeichen einer politischen Haltung ist, als sie von finanzieller Sinnhaftigkeit getragen wird." Er begrüße zwar wirtschaftspolitische Maßnahmen der Koalition wie den Zwölfstundentag, doch die türkis-blaue Gesellschaftspolitik löst bei ihm Unbehagen aus, so Kapsch, der zuletzt im Jänner seinen Unmut über die FPÖ-Attacken auf Caritas und andere soziale Organisationen äußerte.
Anlass seiner aktuellen Kritik sind die Aussagen von Ex-ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner, der anlässlich der Präsentation seines Buches am Mittwoch die Politik der türkis-blauen Koalition als "rechtspopulistisch" kritisierte. Maßnahmen wie die Senkung des Stundenlohns für Asylwerbern hätten "mit christlich-sozialen Grundwerten nichts mehr zu tun", so Mittlehner. (apa)