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Nach Kassenfusion Länder entmachtet

Von Karl Ettinger

Politik

Die Machtverteilung ist voll im Gang. In der Organisation der neuen Gesundheitskasse spielen Landesstellen nur eine Nebenrolle.


Wien. Für die Patienten werden die Auswirkungen der Reform der Sozialversicherung samt Fusion der neun Gebietskrankenkassen zur österreichischen Gesundheitskasse durch die ÖVP-FPÖ-Bundesregierung erst Anfang kommenden Jahres spürbar. Aber hinter den Kulissen werden beim Umbau gerade wichtige Weichenstellung vorgenommen. So wurde für die neue Gesundheitskasse eben ein stark zentralistisch ausgerichtetes Modell abgesegnet, wie das Organisationsmodell (siehe Grafik) zeigt, das der "Wiener Zeitung" vorliegt. Darin werden die Landesstellen bei Entscheidungen völlig an den Rand gedrängt.

Der Beschluss wurde vom vorgesehenen Überleitungsausschuss in einer Sitzung diese Woche gefasst. Die künftige Kompetenz- und Organisationsaufteilung ist insofern überraschend, weil sie nicht unter einer SPÖ-Mehrheit, der Vorlieben für zentralistische Strukturen vorgehalten werden, sondern unter türkis-blauer Kassenführung erfolgt. Machtpolitisch bedeutet dies, dass Landesstellen zwar erhalten bleiben, die Länder werden aber im Vergleich zu den bisherigen Gebietskrankenkassen deutlich entmachtet.

Generaldirektor in Wien in der Schlüsselrolle

Praktisch alle Entscheidungen werden durch den Generaldirektor in Wien umgesetzt. Das Vorhaben richtet sich damit gegen in der ÖVP beheimatete Befürworter föderalistischer Strukturen.

Für die Funktion des Generaldirektors ist der bisherige Generaldirektor im Hauptverband der Sozialversicherungsträger, Bernhard Wurzer, Favorit. Der Niederösterreicher gilt als ÖVP-nahe.

Die Landesstellen der Gesundheitskasse sind zwar für Patienten wichtig, weil sie als Anlaufstelle für Kundenanliegen fungieren, wie die beschlossene Gliederung zeigt. Wichtige Entscheidungen fallen künftig jedoch in Wien. Damit haben auch ÖVP-Landespolitiker weniger Einfluss. Noch ein Argument für deren Sanktus zur Reform im Vorjahr ist hinfällig geworden: Es wird, anders als bisher, nicht mehr feststellbar sein, wie viele Krankenkassenbeiträge von den Versicherten in einem Bundesland kommen.

Eine Überraschung gab es bei der konstituierenden Sitzung der Überleitungskonferenz des neuen, abgespeckten Dachverbandes. Unter dessen Dach werden nun die fünf statt der 21 Sozialversicherungsanstalten vereint.

Vorsitzender ist der Kärntner Hotelier, Bürgermeister und FPÖ-Wirtschaftsfunktionär Matthias Krenn. Bei der Stellvertreterwahl kam kein SPÖ-Arbeitnehmervertreter zum Zug. Auch nicht der ebenfalls genannte Vertreter der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen, Peter Lehner. Gekürt wurde Norbert Schnedl (ÖVP), Chef der Beamtenversicherung und Beamtengewerkschaftsboss.

Kompetenz zur Einführung von Selbstbehalten

In dem Spitzengremium sind die fünf Träger jeweils mit Obmann und Vizeobmann vertreten. Die Arbeitgebervertreter sind mit sechs zu vier Vertretern in der Überzahl. Das lässt auf Arbeitnehmerseite gehörig die Alarmglocken schrillen. Denn dort kann die Einführung von (weiteren) Selbstbehalten für Patienten angeordnet werden.

Inzwischen hat Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) den Erlass über die Anrechnung der Kosten für die Fusion der Kassen ausgeschickt. Demnach sind nur Aktivitäten ab 1. April dieses Jahres einzurechnen. Alle bereits seit Monaten laufenden Aktivitäten in einzelnen Sozialversicherungen für eine möglichst reibungslose Zusammenlegung werden nicht einbezogen. So werden die Kosten für die Fusion offiziell niedriger als sie tatsächlich sind.

Dazu gehört weiters, dass bei den Personalkosten laut Anordnung des Ressorts nur Überstunden eingerechnet werden dürfen, wenn diese wegen der Fusion notwendig sind, wie der "Wiener Zeitung" bereits vor Wochen angekündigt wurde. Ein Großteil der Arbeiten für die Fusion erfolgt jedoch längst während der regulären Dienstzeit parallel zum laufenden Betrieb in den Kassen. Hingegen gelten Beraterkosten als Fixbestandteil bei den Aufwendungen für die Fusion.