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Die wichtigsten Fragen zur Steuerreform

Von Marina Delcheva und Karl Ettinger

Politik

Bis 2022 soll der Steuerzahler um 6,5 Milliarden Euro entlastet werden. Wer von der Steuerreform profitiert, und wer zahlt.


Wien. Weniger Sozialversicherung, niedrigere Lohnsteuer, weniger Körperschaftssteuer - die Regierung hat im Ministerrat die 6,5 Milliarden Euro schwere Steuerreform, die 2022 voll zum Tragen kommt, beschlossen. Die wichtigsten Fragen zu den Gewinnern, den Verlierern und der Finanzierbarkeit der Reform:

Kommt die Steuerreform ohne neue Steuern aus?

Die Regierung hat versprochen, dass es im Zuge der Steuerreform keine neuen Steuern geben wird. Das ist nur zum Teil richtig. Zuletzt wurden unter dem Schlagwort "Digitalsteuer" eine Reihe von Maßnahmen im Umfang von 200 Millionen Euro beschlossen. Außerdem wird die Tabaksteuer erhöht, was 120 Millionen Euro bringen soll. Der Spitzensteuersatz von 55 Prozent für Top-Verdiener (mehr als eine Million pro Jahr), bleibt nun doch bestehen. Es wird in Summe mit höheren Steuern im Ausmaß von 485 Millionen Euro durch Einzelmaßnahmen gerechnet.

Wieso bleibt die kalte Progression?

Im Regierungsprogramm war eine Abschaffung der kalten Progression vorgesehen - also des inflationsbedingten, automatischen Aufrückens in eine höhere Steuerklasse. Dem Staat brachte das zuletzt zusätzliche 750 Millionen Euro. Verschiedene Interessenvertreter fordern deshalb seit Jahren ihre Abschaffung. Kanzler Sebastian Kurz sagt nun dazu: "Die Abschaffung der kalten Progression ist nicht sozial." Er argumentiert das damit, dass niedrigere Einkommen wenig davon profitieren würden. Und auch der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo), Christoph Badelt, verteidigte die kalte Progression mit dem Hinweis, dass diese der Regierung budgetäre Spielräume für kurzfristige Maßnahmen oder künftige Steuerreformen biete.

Wie ökologisch ist die Steuerreform?

Die Tarifreform hat auch eine kleine ökologische Komponente im Umfang von 55 Millionen Euro. Vereinfacht werden damit Autos mit höherem Spritverbrauch und CO2-Ausstoß teurer werden. Umgekehrt werden umweltfreundlichere Fahrzeuge weniger hart betroffen sein. Die Höhe der Normverbrauchsabgabe beim Autokauf soll sich auch nach der Treibstoffeffizienz des Wagens richten. Hinzu kommen steuerliche Anreize für Dienstautos mit niedrigerem CO2-Ausstoß, die Abschaffung der Eigenstromsteuer durch Anreize für Nutzung von Photovoltaik, eine Begünstigung von ökologischen Energiequellen sowie die ebenfalls als Öko-Maßnahme ausgeschilderte Einführung eines begünstigten Umsatzsteuertarifs für elektronische Zeitungen und Bücher.

Margit Schratzenstaller, Budgetexpertin des Wifo, begrüßt zwar diese Anreize, vermisst aber eine "echte Ökologisierung" des Steuersystems. Sie rät zu steuerlichen Anreizen bei umweltfreundlichem Verhalten und der Streichung von umweltschädlichen Ausnahmen und Privilegien im Steuerrecht. Dazu zählt zum Beispiel die niedrigere Besteuerung von Diesel. Auch eine CO2-Steuer sei sinnvoll. "Das schafft wiederum Spielraum für Entlastungen anderswo", sagt sie.

Wie soll die Gegenfinanzierung aussehen?

Die Gegenfinanzierung der 6,5 Milliarden Euro schweren Reform fußt auf guten Konjunkturdaten und nicht näher genannten Einsparungen im System. Allein 2018 hat der Bund laut Statistik Austria, der guten Wirtschaftslage sei Dank, 8,6 Milliarden Euro mehr als 2017 eingenommen. Heuer soll es nicht mehr ganz so gut laufen, dennoch steigen die Einnahmen. Das Wifo und das Institut für Höhere Studien (IHS) gehen in ihren Wirtschaftsprognosen davon aus, dass die Reform budgetär drin ist. Für heuer erwarten die Institute ein Wirtschaftswachstum von 1,5 beziehungsweise 1,7 Prozent. Zudem soll die Entlastung durch Konsumeffekte und Investitionen neue Arbeitsplätze bringen.

Wer profitiert von der Entlastung?

1,8 Millionen Arbeitnehmern und einem Großteil der Pensionisten (ebenfalls 1,8 Millionen) bleibt vor allem durch die Senkung der Krankenversicherungsbeiträge und der Einkommensteuer mehr Geld. Entlastet werden außerdem 500.000 Selbständige und Bauern. Für die Wirtschaft gibt es eine Entlastung im Ausmaß von 1,5 Milliarden Euro, wobei der Großteil auf die Senkung der Körperschaftssteuer entfällt. Darüber hinaus kommt die Bundesregierung auf ein Gesamtsparvolumen von 8,3 Milliarden Euro pro Jahr, wenn auch der bereits seit Jänner dieses Jahres geltende steuerliche Familienbonus ebenfalls in die Steuerreform eingerechnet wird.

Wer zahlt drauf, wer sind die Verlierer?

Raucher werden durch eine höhere Tabaksteuer und damit teurere Zigaretten zur Kasse gebeten. Mancher Kauf eines Neuwagens könnte sich verteuern, wenn das Auto besonders umweltbelastend ist. Hinzu kommen alle jene Organisationen und Körperschaften, bei denen Kürzungen anstehen. Ein Drittel der Reformkosten tragen Länder und Gemeinden über den Finanzausgleich. Der Städtebund hat deshalb wenig Freude mit den Reformplänen der Regierung. Die Städte fürchten Mindereinnahmen von 150 Millionen Euro jährlich im Zuge der Reform. Demgegenüber stünden steigende Kosten im Gesundheits- und Pflegebereich.

Was ist neu bei Beiträgen zur Sozialversicherung?

Die Senkung der Beiträge zur Sozialversicherung ist der erste Teil der Steuerreform und kommt 2020. Damit werden Personen entlastet, die derzeit wegen ihres geringen Einkommens gar keine oder nur wenig Steuer zahlen. Die neue, ab 2020 fusionierte Gesundheitskasse muss die Einsparungen von 900 Millionen Euro pro Jahr aber nicht selbst tragen. Die Regierung verspricht die Kostenübernahme aus dem Budget. Damit wird Kritik von SPÖ und Gewerkschaft begegnet, es würden Leistungen der Krankenkassen gekürzt. Im Schnitt profitiert ein Arbeitnehmer laut Regierungsangaben mit 280 Euro pro Jahr von der Senkung der Krankenbeiträge, ein Pensionist mit durchschnittlich 170 Euro pro Jahr.