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Arbeitnehmer zahlen bis 1672 Euro weniger Steuer, Pensionisten bis 1580 Euro

Von Karl Ettinger

Politik

Die Steuerreform wurde im Ministerrat beschlossen. Die Umsetzung erfolgt aber nur in Etappen bis zur nächsten Nationalratswahl. Die Abschaffung der kalten Progression wurde auf die lange Bank geschoben.


Wien. Der heurige "Tag der Arbeit" begann für die türkis-blaue Bundesregierung recht früh. Um 8 Uhr früh versammelte Bundeskanzler Sebastian Kurz sein Kabinett zur Regierungssitzung. Mit dem Beschluss der Steuerreform im Ministerrat wollten Kurz und Vizekanzler Heinz-Christian Strache ein demonstratives Signal ausschicken, dass sie Verbesserungen umsetzen, während die SPÖ am 1. Mai aufmarschiert, um große Reden zu halten.

6,5 Milliarden Euro macht die Entlastung nach der vollen Umsetzung der Reform im Jahr 2022 aus, wenn in Österreich das nächste Mal turnusgemäß der Nationalrat neu gewählt wird. Die Umsetzung erfolgt allerdings nur in Etappen. Sie beginnt 2020 mit der Senkung der Beiträge zur Krankenversicherung für Bezieher von niedrigen und mittleren Einkommen. 2021 folgt die Entlastung bei den Steuertarifen vorerst mit der Senkung des Einstiegssteuersatzes von 25 auf 20 Prozent. Erst 2022 werden, soviel steht nach dem Beschluss im Ministerrat fest, dann die beiden nächsten Steuersätze gesenkt: von 35 auf 30 Prozent sowie von 42 auf 40 Prozent.

Der Spitzensteuersatzbleibt bei 55 Prozent

Die weiteren Tarife bei der Einkommensteuer bleiben mit 48, 50 sowie 55 Prozent unverändert. Allerdings profitieren auch Bezieher dieser Einkommensgruppen. Denn bei diesen werden jene Teile der Gehälter, die in die drei unteren Steuertarifgruppen fallen, nach der Reform geringer besteuert. Nur für die darüber hinaus gehenden Einkommensteile bleibt es bei den höheren Steuertarifen.

Insgesamt 4,8 Millionen Steuerzahler steigen durch die Tarifsenkung günstiger aus. Nach Angaben der Bundesregierung werden Arbeitnehmer letztlich bis zu maximal 1672 Euro pro Jahr weniger Steuern zahlen. Bei Pensionisten werden es bis zu 1580 Euro pro Jahr weniger an Steuern sein. Jeder Vollzeitbeschäftigte mit einem Bruttolohn von 1500 Euro wird, so betont die ÖVP-FPÖ-Bundesregierung, um mindestens 500 Euro pro Jahr entlastet werden.

Bevor aber 2021 die erste Etappe der Senkung der Steuertarife zum Tragen kommt, ist bereits eine andere, von Experten als wichtig eingestufte Maßnahme in kraft: die Senkung der Krankenversicherungsbeiträge. Diese ist nach oben hin begrenzt. Von der Beitragssenkung werden Arbeitnehmer bis maximal 2201 Euro brutto im Monat profitieren. Pensionisten werden bis 2101 Euro brutto begünstigt.

Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) und Finanzstaatssekretär Hubert Fuchs (FPÖ) legten dazu Berechnungen vor. Demnach bleiben Arbeitnehmern durch die Beitragssenkung im Schnitt pro Jahr 280 Euro mehr in der Brieftasche. Bei Pensionisten beträgt die Entlastung bei den Beiträgen durchschnittlich 170 Euro im Jahr. Allerdings werden zumindest Raucher wieder tiefer in die Tasche greifen müssen. Für sie gibt es eine unangenehme Überraschung. Bisher war von der Koalition versichert worden, es werde keine neuen und höheren Steuern geben - ausgenommen die Digitalsteuer im Ausmaß von 200 Millionen Euro von Internet-Konzernen. Jetzt steht aber fest, dass die Tabaksteuer erhöht wird, die Regierung spricht von einer Valorisierung, einer automatischen Anpassung an die Teuerung. Zigaretten werden damit voraussichtlich ab 2020 teurer. Die höhere Tabaksteuer soll jährlich 40 Millionen Euro mehr an zusätzlichen Einnahmen bringen. In Summe sind es bis 2022 somit 120 Millionen Euro. 2018 wurden vom Staat rund 1,9 Milliarden Euro durch die Tabaksteuer eingenommen.

Ein großer Brocken bei der Steuerreform entfällt auf die Senkung der Körperschaftssteuer für Unternehmen und Konzerne. Auch die Körperschaftssteuer wird in Etappen niedriger werden. Die erste Senkung von 25 auf 23 Prozent erfolgt im Jahr 2022, im Jahr 2023 ist dann eine weitere Senkung von 23 auf 21 Prozent von der Bundesregierung vereinbart. Die Wirtschaftskammer hatte ursprünglich eine Senkung auf 19 Prozent gefordert.

Fixpunkt im Wirtschaftsbereich ist eine Ausweitung des Gewinnfreibetrags. Der Grundfreibetrag wird dabei von 30.000 Euro auf 100.000 Euro angehoben.

Für Beschäftigte wird die Gewinnbeteiligung ab 2022 mit bis zu 3000 Euro pro Mitarbeiter und Jahr von Steuern und Abgaben befreit. Die Kosten dafür liegen bei 100 Millionen Euro.

Wer Sekt kauft, darf ab 1. April 2022 mit einer Vergünstigung rechnen. Im Zuge der Abschaffung von Bagatellsteuern wird die Schaumweinsteuer gestrichen. Diese brachte bisher rund 20 Millionen Euro an Einnahmen. Auf Autofahrer werden voraussichtlich ab 2020 Änderungen zukommen. Als Teil eines Mini-Maßnahmenpakets im Umweltbereich werden die Normverbrauchsabgabe sowie die motorbezogene Versicherungssteuer geändert. Bei der Normverbrauchsabgabe soll es eine aufkommensneutrale ökologische Umgestaltung geben. Bei der Neuregelung der motorbezogenen Versicherungssteuer ist sicher, dass eine CO2-Komponente eingebaut wird, um beim Kauf von Neuwagen den Klimazielen mehr zu entsprechen. Vereinfacht ausgedrückt werden Autos mit höherem CO2-Ausstoß teurer, umweltfreundlichere Fahrzeuge sollen günstiger sein. Kurz hat angekündigt, dass Umweltministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) und Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) ein Programm vereinbaren sollen, um das Erreichen der Klimaziele noch mehr zu unterstützen.

Insgesamt sollen durch ein Mini-Umweltpaket bei der Steuerreform 55 Millionen Euro pro Jahr ins Budget fließen. Dazu zählen auch steuerliche Anreize für Dienstautos mit niedrigerem CO2-Ausstoß, die Abschaffung der Eigenstromsteuer durch Anreize für Nutzung von Photovoltaik, die Begünstigung von ökologischen Energiequellen sowie die ebenfalls von der Regierung als Öko-Maßnahme ausgeschilderte Einführung eines begünstigten Umsatzsteuertarifs für elektronische Zeitungen und Bücher.

Einsparungen durchweniger Arbeitslose

Regierungschef Kurz meinte, es handle sich bei dem 6,5 Milliarden-Euro-Entlastungspaket um eine Steuerreform "ohne neue Steuern" und ohne neue Schulden. Allerdings, knapp 500 Millionen Euro der Gegenfinanzierung werden doch aus neuen oder höheren Steuern aufgebracht. Ein großer Teil der Gegenfinanzierung kommt aus dem Budget aufgrund höherer Einnahmen durch die gute Wirtschaftslage. So erspart sich die Regierung, wie Kurz hervorhob, den größten Teil durch das Sinken der Zahl der Arbeitslosen. Außerdem setzt die Regierung darauf, dass durch die Entlastung kleinerer und mittlerer Einkommen ein Teil durch verstärkten Konsum etwa über Mehrwertsteuern ins Budget zurückfließt. Die Regierung rechnet damit, dass die Arbeitslosenrate aufgrund der Steuerreform um 0,4 Prozentpunkte sinkt. Das Wirtschaftswachstum soll bis zu einem Prozent steigen.

Ein Versprechen beider Koalitionsparteien, die Abschaffung der kalten Progression, wodurch jemand bisher bei Lohnerhöhungen in höhere Steuertarife rutscht, ist nunmehr bis 2022 praktisch kein Thema mehr. Der Bundeskanzler verteidigt dies so: "Die reine Abschaffung der kalten Progression halte ich nicht für besonders sozial." Davon würden vor allem Personen mit höheren Einkünften profitieren. Die kalte Progression wolle man aber schon "angehen".

Allerdings, so betonten Finanzminister Löger und Kurz, bringe die türkis-blaue Steuerreform, mehr als eine Abschaffung der kalten Progression. Vizekanzler Strache erklärte, allein der Familiensteuerbonus, der bereits seit heuer gilt, bringe bis 2022 gerechnet mehr als ein Ende der kalten Progression.