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Chalupka: "Warte auf ein Zeichen der Regierung"

Von Mathias Ziegler

Politik

Michael Chalupka, designierter evangelischer Bischof, hat noch Hoffnung auf eine Lösung im Streit um den Karfreitag.


Wien. Zwölf Wahlgänge hat es gebraucht, bis am Samstagabend elfeinviertel Stunden nach Synodenbeginn Michael Chalupka als Nachfolger des scheidenden evangelischen Bischofs Michael Bünker feststand. Der frühere Diakonie-Direktor setzte sich am Ende mit 47 zu 14 Stimmen gegen den oberösterreichischen Senior Andreas Hochmeir durch (der Kärntner Superintendent Manfred Sauer hatte nach dem sechsten Wahlgang seine Kandidatur zurückgezogen). Im Interview erklärt Chalupka, wie politisch sein Bischofsamt ist, warum Religion keine Privatsache sein sollte und dass er von der Bundesregierung neben einer Lösung im Streit um den Karfreitag auch mehr Einsatz für Klimagerechtigkeit erwartet.

"Wiener Zeitung": Was war ihre Triebfeder, das evangelische Bischofsamt anzustreben?

Michael Chalupka: Man kann sich ja nicht bewerben, man muss nominiert werden. Der wichtigste Antrieb war, dass es Menschen gibt, die sagen: "Wir möchten, dass du Bischof wirst." Und dass ich diese Kirche liebe, die mir persönlich ganz viel geschenkt hat. Und sie hat als Minderheitenkirche eine wichtige Funktion: Eine Minderheit kann sich in sich zurückziehen oder aber sagen: "Wir haben einen Auftrag für das Ganze." Das biblische Bild dafür ist das Licht auf dem Berg oder das Salz der Welt. Ich denke, dieses Ferment einer Minderheit, die selbstbewusst ist, die darauf schaut, dass das Individuum seine Freiheit leben kann, die das Gewissen hochhält, ist für eine Gesellschaft sehr wichtig.

Und die für ihre Rechte kämpft - Stichwort: Karfreitag.

Ja, aber auch für Rechte anderer. Minderheit zu sein, ist noch nicht automatisch ein Garant dafür, dass man sich für andere einsetzt. Aber die evangelische Kirche hat durch ihre Geschichte gelernt, hier sensibel zu sein.

Haben Sie sich in der Karfreitag-Debatte von der Spitze der katholischen Kirche im Stich gelassen gefühlt?

Kardinal Christoph Schönborn hat ja öffentlich gesagt - und damit hat er recht -, dass die katholische Kirche nicht die Herrin der staatlichen Feiertage ist, auch wenn sie eine katholische Zuschreibung haben. Und er hat ja die Regierung aufgefordert, die Sozialpartner in den Dialog hineinzunehmen. Aber das ist nicht passiert, und so stehen wir vor einer Situation, die uns unglücklich macht. Deshalb kann man nicht der katholischen Kirche den Schwarzen Peter zuzuschieben.

Konsequenterweise müssten ja alle Religionen ihre eigenen Feiertage bekommen.

Im jetzigen Vorschlag des persönlichen Feiertags ist das ja inkludiert, weil der ja für alle gilt. Es gab ja auch Vorschläge für einen zusätzlichen Feiertag, der persönlich ausgestaltet werden könnte. Aber einen Urlaubstag dafür zu nehmen, ist eine Mogelpackung. Ich erwarte mir, dass es nochmals eine Gesprächsbereitschaft gibt. Ich will nicht daran glauben, dass die Bundesregierung den Vertrauensverlust zwischen einer Kirche als wichtiger gesellschaftlicher Institution und der Regierung einfach hinnimmt. Ich warte da auf ein Zeichen. Das muss sich die Regierung aber selber überlegen, da können wir nichts vorgeben. In diesem Zusammenhang ist mir wichtig, ein Missverständnis auszuräumen: Uns ist es nie um einen zusätzlichen Feiertag gegangen, sondern darum, unseren höchsten Feiertag, der mit dem Ostersonntag gemeinsam der höchste des gesamten Christentums ist, in Ruhe begehen zu können. Es sind tatsächlich besonders viele dem Aufruf gefolgt, heuer am Karfreitag in die Kirche zu gehen.

Wäre ein Abtausch Ostermontag gegen Karfreitag denkbar, um der Wirtschaft entgegenzukommen?

Es sind mehrere gute Varianten denkbar. Wichtig ist, wieder den Gesprächsfaden aufzunehmen.

Was sagen Sie jenen, die Religion zur Privatsache erklären wollen?

Dass sie auch ihr Leben um vieles ärmer machen würden, nämlich an Vielfalt. Es würde einfach urfad werden, wenn Religion im öffentlichen Raum nicht mehr sichtbar wäre, wenn es diese Traditionen nicht mehr gäbe. Und man würde sich auch von einem großen Teil des kulturellen Erbes verabschieden und viele Dinge gar nicht mehr verstehen. Ich finde Atheismus als Gegenüber interessant - in Österreich ist er nur manchmal unterkomplex.

Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen ist wieder in die evangelische Kirche eingetreten. Hilft Ihnen das als Bischof?

Seine Heimkehr ist eine große Freude, so wie bei jedem, der zu uns oder zurückkommt. Wir wissen, dass die evangelische Kirche sehr hohe Sympathiewerte hat, und zwar bei den Mitgliedern, aber auch bei Menschen, die mit ihr gar nichts zu tun haben und - noch überraschender - bei jenen, die ausgetreten sind.

Warum sind sie dann ausgetreten?

Da gibt es verschiedene Gründe, zum Beispiel den Kirchenbeitrag. Wir müssen jedenfalls dioe Kommunikation verstärken, um diese Menschen wieder einzuladen. Weil wir etwas zu bieten haben, was die Gesellschaft einfach braucht: eine Gemeinschaft, die alle einschließt, für alle offen ist. Da sind vor allem die Pfarrerinnen und Pfarrer gefordert, aber natürlich auch der Bischof.

Wie politisch ist das Bischofsamt? Soll die (evangelische) Kirche politisch mitmischen?

Das Evangelium wirkt in die Welt hinein. Wir sind nicht dazu da, es als geheimen Schatz zu hüten, der nur uns gehört, sondern wir haben eine Verantwortung für die ganze Gesellschaft. Wir äußern oder engagieren uns aber nie parteipolitisch, das ist eine sehr gute österreichische Tradition seit Kardinal Franz König, der die Äquidistanz geprägt hat. Das heißt, die Parteien bestimmen selbst ihren Abstand zum Evangelium und zu den Kirchen. Die evangelische Synode sagt seit Ende der 1980er in der Flüchtlingsfrage, im Umgang mit Fremden immer dasselbe: Für uns ist zentral und steht in der Bibel - die als Buch von Flüchtlingen für Flüchtlinge geschrieben wurde -, dass man Fremde gut behandeln soll. Da gibt es keinen Interpretationsspielraum für uns. Deshalb kümmern wir uns als Kirche um Fremde. Es gibt keine Pfarrgemeinde, die sich nicht engagiert.

Auch, weil der Staat zu viel auf Diakonie & Co. abwälzt?

Das ist ein zu einfacher Befund. Es gibt solche Bereiche. Es gibt aber auch welche, wo wir als Kirche in Kooperation mit dem Staat Aufgaben übernehmen. Wir machen das gern und glauben auch, dass das ein Mehrwert ist. Ein vor allem aus Sicht des Protestantismus wichtiger Bereich ist auch die Bildung, wo die Anforderungen steigen, schon im Kindergarten, aber an den Rahmenbedingungen ändert sich nichts.

Welche Forderungen haben Sie als Bischof an die Bundesregierung?

Ich werde mein Amt am 1. September nicht mit Forderungen antreten. Aber neben dem Karfreitag ist das wesentliche Thema, das uns alle bewegen muss - auch die Bundesregierung -, die Klimagerechtigkeit. Da muss man auch angesichts der Steuerreform sagen: Da ist noch viel Luft nach oben. Ich halte die Bewahrung der Schöpfung für eines der zentralen Themen, weil uns die Welt nicht ins Eigentum übergeben worden ist, sondern um sie zu bebauen und zu bewahren. Die Kirche hat hier einen Vorteil: Sie muss nicht in Legislaturperioden denken, sondern kann in Ewigkeiten denken. Aber ich verlange von Politikern, die in Legislaturperioden denken müssen, dass sie auch an ihre eigenen Kinder und Enkelkinder denken. Wir wissen, dass wir nur noch ganz kurz Zeit haben, das Steuer herumzureißen. Das Interessante ist ja, dass jetzt Schüler streiken müssen, um das einzufordern, was alle Regierungen in Paris selbst beschlossen haben.

Wir sind als Kirche immer eine weltweite Gemeinschaft: Wenn wir am Sonntag das "Vater unser" beten, dann ist das wie eine Gebetskette rund um den Globus. Wir wissen, was jetzt schon Klimakatastrophen in Mosambik oder an der indischen Ostküste für unsere Schwestern und Brüder dort bedeuten, weil wir mit diesen Kirchen verbunden sind. Und umgekehrt wissen sie, dass wir hier in Europa für sie beten und Geld sammeln, das wir ihnen schicken. Wir leben in einer Welt, wir können uns da nicht abkoppeln.