Wien. Austauschen, Verdrängen, Auswechseln: Man kann es drehen und wenden wie man will, für Vizekanzler Heinz-Christian Strache steht fest, die österreichische Bevölkerung läuft Gefahr, zur Minderheit im eigenen Land zu werden. Schuld daran sei die Massenzuwanderung muslimischer Menschen. Strache weiß, wie man mit umstrittenem Vokabular provozieren kann. Diesmal ist es der "Bevölkerungsaustausch". Der Begriff hat seine Wurzeln in der deutschen und österreichischen Neonazi-Szene der späten 1980er und frühen 1990er Jahre. Er taucht das erste Mal auf Aufklebern auf: "Tauscht die Regierung aus, bevor sie das Volk austauscht." Dahinter steckt eine Verschwörungstheorie, dass die weiße Bevölkerung Europas durch muslimische Einwanderer "ausgetauscht" wird. "Sie knüpft an Verschwörungstheorien aus der NS-Zeit an", sagt Andreas Peham vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands (DÖW).

Trotz der vielfachen Kritik – auch von Seiten des Bundeskanzlers – distanziert sich Strache nicht davon. Er hält an seiner Wortwahl fest. "Ich lasse mir den Mund nicht verbieten, wir wollen nicht zu einer Minderheit in der eigenen Heimat werden", bekräftige er am 1. Mai vor seinen Anhängern. Kann es also zu einem "Bevölkerungs- und Mehrheitswechsel" kommen? Werden Österreicher künftig zur Minderheit? Und wird das Land tatsächlich "schrittweise islamisiert"?

EU-Bürger sind größte Zuwanderungsgruppe

Zunächst werfen wir einen Blick in die Zahlen der Statistik Austria. Zu Jahresbeginn lebten in Österreich 8.859.992 Menschen. Davon haben rund 1,4 Millionen Menschen eine nicht-österreichische Staatsangehörigkeit. Der Ausländeranteil liegt bei 16,2 Prozent – Österreich hat damit den dritthöchsten Anteil in der EU. 1961 lebten nur knapp 100.000 Ausländer im Land, also rund 1,4 Prozent. Seither ist der Anteil kontinuierlich gestiegen.

Das hat mehrere Ursachen. In der zweiten Hälfte der 1960er und zu Beginn der 1970er Jahre boomte die Wirtschaft. Arbeitskräfte wurden händeringend gesucht. Österreich begann aktiv und gezielt, Arbeitskräfte aus dem ehemaligen Jugoslawien und der Türkei anzuwerben.

Bis Anfang der 1990er Jahre blieb die Zahl der Ausländer relativ konstant. Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs und den Kriegen in Jugoslawien änderte sich dies schlagartig. Fast 100.000 Flüchtlinge suchten in Österreich Schutz. Am Beginn der Nullerjahre kamen viele Flüchtlinge aus Tschetschenien und Afghanistan, die hierzulande um Asyl ansuchten. Den Höhepunkt der Migrationsbewegung markiert das Jahr 2015, als rund 90.000 Menschen in Österreich einen Asylantrag stellten. Seither geht die Zahl der Asylanträge wieder stark zurück.

Von 1961 bis 2017 wuchs die österreichische Bevölkerung durch Zuwanderung um rund 1,46 Millionen Menschen. Es gab mehr Zuzüge als Wegzüge, also ein positives Wanderungssaldo. 338.500 Österreicher haben in diesen 57 Jahren das Land verlassen. Ein wirklicher "Austausch" hat nicht stattgefunden.

Woher kommen die Menschen? Die Statistik Austria erfasst alle Menschen auch nach ihrem Migrationshintergrund. Bei diesen Menschen sind laut Mikrozensus-Hochrechnung beide Elternteile im Ausland geboren. 2018 lebten rund 2,02 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund in Österreich. Dies entspricht einem Bevölkerungsanteil von knapp 23 Prozent. 2008 lag dieser Anteil noch bei 17,4 Prozent. Der Anteil der Bevölkerung mit Migrationshintergrund nimmt also tatsächlich zu.

Interessant ist, dass Menschen aus anderen EU-Ländern mit 9,3 Prozent (2018) den größten Anteil ausmachen. 2008 betrug ihr Anteil noch 6,3 Prozent. Sieht man sich die Zuzüge der vergangenen Jahre an, führen Deutsche, Rumänen und Ungarn diese Liste an – Länder also, die mehrheitlich nicht-muslimisch sind.

Menschen aus Serbien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Nordmazedonien und Montenegro – also aus Nachfolgestaaten Jugoslawiens – bilden die zweitgrößte Gruppe. Ihr Anteil hat sich im selben Zeitraum von 5,3 auf 6,1 Prozent nur leicht erhöht.

Die drittgrößte Gruppe stellen die Menschen mit türkischem Migrationshintergrund dar. Ihr Anteil lag 2018 bei 3 Prozent, geringfügig weniger als 2008 (3,1 Prozent).

Minderheit im eigenen Land?

Es gibt in Österreich Gegenden, in denen ausländische Bevölkerung verstärkt auftritt und Regionen, in denen Migration kaum feststellbar ist. Wien hat mit einem Anteil von 35 Prozent im Ausland Geborener bundesweit den höchsten Wert. In der Bundeshauptstadt ist auch der Anteil an Schülerinnen mit nicht-deutscher Muttersprache (51 Prozent) am höchsten. Vorarlberg liegt mit 26 Prozent an zweiter Stelle. Laut Bildungsbericht 2018 hat sich der Anteil von Schülern mit nicht-österreichischer Staatsbürgerschaft zwischen 2014 und 2017 von 11,9 Prozent auf 14,5 Prozent erhöht.