Klimaveränderungen wirken sich auf Migration aus
Plausibler sind nach Ansicht der Forscher die Prognosen, die von einem muslimischen Bevölkerungsanteil in Wien von 21 bis 23 Prozent ausgehen. Die Katholiken würden ihre Mehrheit in beiden Prognosen verlieren: Ihr Anteil würde auf 24 bzw. 26 Prozent fallen. Menschen ohne Konfession stellen in diesem Fall die größte Gruppe dar (28 bzw. 29 Prozent). Eine "Verdrängung", wie sie Strache sieht, lässt sich wissenschaftlich nicht untermauern. "De facto passiert das nicht. Die Bevölkerungsgruppen wachsen unterschiedlich stark an, aber es wird niemand verdrängt", sagt die Migrationsforscherin Judith Kohlenberger von der Wirtschaftsuniversität Wien. Bei ihren Untersuchungen hat Kohlenberger auch festgestellt, dass viele der 2015 Geflüchteten im Vergleich mit der hier ansässigen Bevölkerung weniger religiös eingestellt seien.
Klar ist jedenfalls, dass die österreichische Bevölkerung wachsen wird. In welchem Ausmaß Zuwanderung in Zukunft dazu beiträgt, ist schwierig vorherzusagen. Er hängt von der jeweiligen Integrations- und Einwanderungspolitik, von europäischen und internationalen Entwicklungen aber auch von der Wirtschaft und der globalen Konjunktur ab. "Am schwierigsten einzurechnen sind Klimaveränderungen und wie diese Migrationsbewegungen auslösen kann", sagt Kohlenberger. Die Forschung darüber ist noch jung, es gebe erst sehr wenige Daten dazu.
Wie sich eine Bevölkerung verändert, hängt aber nicht nur von der Zuwanderung, sondern auch von der Geburtenrate ab. Die Geburtenrate liegt in Österreich im Schnitt bei unter 1,5. Die Geburtenrate bei muslimischen Frauen liegt zwar höher, doch sie sinkt sehr stark. Im Zeitraum 2001 bis 2005 lag sie bei 2,7. Im Zeitraum 2011 bis 2015 ist sie auf 2,26 gesunken. "Die Geburtenrate von Einwanderinnen passt sich relativ rasch an das Niveau im Aufnahmeland an", sagt Kohlenberger. Gleichzeitig ist die Geburtenrate bei Frauen mit römisch-katholischer Konfession um 0,08 Prozent, bei Frauen ohne Konfession um 0,09 Prozent gestiegen.
Was bleibt also von Aussagen Straches übrig? Der Anteil der Muslime in Österreich wird zwar wachsen. Aber am realistischsten bleibt das Szenario, in dem die römisch-katholische Konfession die Mehrheit der Bevölkerung bildet. Österreicher werden in Zukunft keine Minderheit im eigenen Land sein. Denn auch wenn in manchen Wiener Bezirken der Anteil von ausländischen Staatsbürgern sehr hoch ist, sind die Österreicher in der Mehrheit. Die autochthone Bevölkerung wird keinesfalls verdrängt. Vielmehr leben Zugewanderte in Gegenden mit günstigeren Mietpreisen. Ihnen steht vergleichsweise weniger Wohnfläche zur Verfügung und sie benötigen mehr Geld ihres Einkommens für die Miete. Und der drohende "Bevölkerungsaustausch"? Um es mit den Worten des Demografen Wolfgang Lutz auszudrücken. "Wir haben einen laufenden Bevölkerungsaustausch. Die Alten sterben weg und die Jungen kommen nach."