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Mehr Mitsprache bei Übernahmen

Von Marina Delcheva und Jan Michael Marchart

Politik

Die Regeln für ausländische Firmenübernahmen werden verschärft. Ein neues Gesetz als Anwort auf Chinas Investitionspolitik in EU.


Wien. "China ist ein Land, das sich vom Westen nichts vorschreiben lässt... Ein Land, das nun die Welt neu austarieren möchte und, wenn das mit den bestehenden globalen Institutionen nicht möglich ist, inzwischen machtvoll genug ist, neue zu schaffen", schreibt der deutsche Autor und Journalist Frank Sieren in seinem Buch "Zukunft? China!". Heute führt wirtschaftlich kein Weg an China vorbei. Das Land prägt den europäischen und österreichischen Markt wie kaum ein anderes Land außerhalb der EU. Binnen weniger Jahre ist China zum Auslandsinvestor Nummer sechs in Österreich geworden.

China war in den vergangenen Jahren auf Einkaufstour in Europa. Allein in Österreich wurden 2017 laut Ernst and Young fünf chinesische Übernahmen verzeichnet. Im Fokus steht dabei vor allem technologisches Know-how.

Der Einfluss Chinas in der EU ist mittlerweile so stark geworden - und wird im Zuge der neuen Seidenstraße weiter wachsen -, dass der EU-Rat im Vorjahr eine eigene Verordnung für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen genehmigt hat. Die sogenannte FDI-Screening-Regulation richtet sich zwar an alle Drittstaaten, de facto ist damit aber China gemeint. Und auch in Österreich hat sich der Ministerrat am Mittwoch quasi aufsein eigenes "Lex China" geeinigt.

Nachdem sich die Regierung mit der neuen Staatsholding ÖBAG bereits mehr rechtliche Möglichkeiten geschaffen hat, um Anteile an heimischen Firmen zu erwerben, wenn sie es für nötig erachtet, wird nun auch der sogenannte Paragraf 25a des Außenwirtschaftsgesetzes novelliert.

Demnach sollen die Prüfkriterien für Übernahmen von kritischer Infrastruktur und Technologien sowie für die Sicherheit der Lebensmittelversorgung verschärft werden. Für besonders sensible Bereiche sollen ausländische Investoren bei einer Anteilsübernahme von 10 Prozent und nicht wie bisher von 25 Prozent eine behördliche Genehmigung einholen müssen. Das betrifft etwa Netz- und Informationssysteme im Energie oder Verkehrssektor, im Bank- und Gesundheitswesen, der Trinkwasserversorgung oder in der digitalen Infrastruktur ebenso wie Firmen in der Kriegsmaterial- oder IT-Sicherheitsfunktionserzeugung. Beibehalten wird die 25-Prozent- Schwelle etwa für Wasseraufbereitung, Schieneninfrastruktur und Energieversorgung.

Künftig müssen darüber hinaus nicht nur die ausländischen Investoren behördlich melden, wenn sie ein österreichisches Unternehmen übernehmen, sondern auch dar Übernommene selbst.

"Es geht nicht darum, gegen Asien zu arbeiten", skizziert Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck aus welcher Richtung die Bedrohung kommt, obwohl das Gesetz auch für andere ausländische Investoren gilt.

Ein deutsches Lehrbeispiel

Österreich ist eines von 14 EU-Staaten, das eigene, nationale Kontrollmechanismen für ausländische Firmenübernahmen hat. Auch Deutschland hat im Vorjahr nachjustiert, an das dortige Gesetz orientiert sich auch die österreichische Gesetzesnovelle. Die Sorge, die hinter diesen Initiativen steckt, ist das Abwandern von Technologie und Innovation. Diese Angst ist nicht unbegründet, wie die unrühmliche Übernahme des deutschen Roboterherstellers Kuka durch den chinesischen Investor Midea zeigt. Zunächst wurde der Deal als Paradebeispiel deutsch-chinesischer Wirtschaftsbeziehungen gefeiert, eine weitreichende Standort- und Beschäftigungsgarantie wurde unterzeichnet. Es kam anders. Die Führung wurde ausgewechselt und vom Augsburger Standort wurden immer mehr Ressourcen nach China gelenkt. Kritiker sprechen von einem massiven Abzug an Technologie und Know-how.

Die Know-how-Sammlung soll in China aber nun mit eigener Forschung garniert werden. Laut dem "Atlas der Globalisierung" der "Le Monde diplomatique" hat China 2017 8330 Patente beim Europäischen Patentamt eingebracht. Damit steht es auf Platz fünf hinter den USA, Deutschland, Japan und Frankreich.

Eine der geplanten Routen der neuen Seidenstraße soll von Shanghai nach Wien führen. Ein Indiz für das wirtschaftliche Interesse Chinas an Österreich könnte die Eröffnung einer Zweigstelle der Industrial and Commercial Bank of China, der "größten Bank der Welt", in Wien 2018 sein. Dem Vernehmen nach beobachtet man dort die heimische Unternehmenslandschaft sehr genau.

Auch hierzulande ist die Liste der chinesischen Übernahmen nicht klein: Im Vorjahr stieg der chinesische Mischkonzern Fosun beim Textilhersteller Wolford ein. 2009 kaufte die staatliche Aviation Industry Corporation of China (Avic) den oberösterreichischen Luftfahrtzulieferers FACC. 2011 schluckte Wolong den steirischen Motorenhersteller ATB um rund 100 Millionen Dollar.

Der Balkan als Einfallstor

Ein Jahr später verschwand für eine gute Milliarde Euro der Mobilfunker Orange vom heimischen Markt, als der hinter dem Konkurrenten "Drei" stehende Hongkonger Mischkonzern Hutchison zugriff. Auch Tele2 ging an Hutchison. Styer Motors ging zu 100 Prozent an den Hongkonger Finanzinvestor Phoenix Tree HSC Investment (Wuhan). Hinzu kommen zahlreiche kleinere Übernahmen, die unter der öffentlichen Wahrnehmungsgrenze liefen. Eine offizielle Statistik dazu gibt es nicht, das Wirtschaftsministerium geht von ungefähr 90 aus.

Die Sorgenkinder der EU in puncto China sind die süd- und osteuropäischen EU-Staaten. Dort ist der chinesische Einfluss in den vergangenen Jahren massiv gewachsen. Dort fehlen auch, zum Teil bewusst, Kontrollmechanismen für ausländische Übernahmen. Der Balkan könnte das Einfallstor für die neue Seidenstraße werden. Laut dem China Global Invest Tracker hat China allein 2018 6,53 Milliarden Dollar in 16 osteuropäische Staaten investiert. Auch Italien hat eine Absichtserklärung für ein Milliarden-Infrastrukturprojekt im Zuge der Seidenstraße unterzeichnet.