Linz/Wien/Paris. "Danke dir Brenton, ich möchte dir persönlich für deine unglaubliche Spende danken. Das hier ist meine persönliche Email-Adresse - kontaktiere mich jederzeit, wenn du willst". Klingt so ein standardmäßiges Dankesschreiben, das "jeder Spender erhält", wie der Sprecher der rechtsextremen Identitären bisher behauptet hatte? Der Fall der 1500 Euro Spende des Attentäters Brenton T., der Mitte März im neuseeländischen Christchurch 51 Menschen erschoss, an den Sprecher der Identitären Martin Sellner, gewinnt durch neue Enthüllungen erneut Brisanz.
Wie die "ZiB2" und der Standard berichteten, dürften sich Sellner und der ursprünglich aus Australien stammende Rechtsextremist T. weit intensiver ausgetauscht haben, als Sellner das bisher zugab. Laut Ermittlern sei auch nicht ausgeschlossen, dass es sogar zu einem persönlichen Treffen der beiden gekommen sein könnte. Zur Erinnerung: Im Herbst 2018, nur wenige Monate vor dem Anschlag, reiste T. ausgiebig durch Europa, er kam auch nach Österreich, besichtigte Orte und Städte in mehreren Bundesländern.
Handy-Auswertung läuft noch
Der nun bekannt gewordene Mailverkehr klingt so gar nicht nach einem schlichten Dankesschreiben, sondern deutet im Gegenteil ein recht gutes Einvernehmen von Sellner und T. an. Es sei "eine kleine Summe im Vergleich zu der vielen Arbeit, die du leistest", antwortete T. auf Sellners Mail. Sellner werde "von Menschen auf der ganzen Welt unterstützt". Und weiter: "Es wird ein langer Weg zum Ziel sein, aber unsere Leute werden jeden Tag stärker". Gegenseitig luden sich die beiden Rechtsextremen zu Kaffee oder Bier ein, wenn der eine einmal im Land des anderen sein sollte. Kam es dazu auch?
Die Ermittler der Staatsanwaltschaft schließen das nicht aus. Sie führen Sellner nach gegenwärtigem Ermittlungsstand als "dringend tatverdächtig, Mitglied eines bis dato nicht näher verifizierbaren international agierenden rechtsextremen Netzwerks zu sein". Sellner bestreitet die Vorwürfe bisher vehement. Er habe T. nicht persönlich gekannt, gab er bei seinen Aussagen zu Protokoll. Laut den Berichten aber habe Sellner die besagte Email-Konversation vor der Hausdurchsuchung gelöscht. Ebenso soll er ein zweites Handy in einem Blumentopf versteckt haben. Dessen Auswertung läuft noch. Ein "Akt der Verschleierung" aber sei das nicht gewesen, behauptet Sellner gegenüber dem "Standard".
Liste Jetzt und SPÖ glauben allerdings ob der Löschungen an die Möglichkeit, dass Sellner vor der Hausdurchsuchung gewarnt worden sein könnte - möglicherweise aus dem Innenministerium. "Es fällt mir angesichts der engen Verbindungen zwischen der FPÖ und den Identitären schwer, hier an einen Zufall zu glauben", sagt dazu SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda. Er will nun Aufklärung von FPÖ-Innenminister Herbert Kickl. Dieser will in den nun vorliegenden Mails keine Neuigkeiten erkennen. Er verweist auf die laufenden Ermittlungen.
ÖVP und Neos machen Druck auf Linzer Bürgermeister
Die, wie in der "Wiener Zeitung" berichtet, weit zurückreichenden Verstrickungen von Kickls eigener Partei, der FPÖ, mit den rechtsextremen Identitären, vor allem in der Steiermark und Oberösterreich und besonders in der Stadt Linz, nutzten die dortigen Oppositionsparteien nun erneut, um Druck auf den Linzer SPÖ-Bürgermeister Klaus Luger auszuüben. Der Linzer ÖVP-Vizebürgermeister Bernhard Baier fordert, zusammen mit den Neos, von Luger ein Maßnahmenpaket gegen Extremismus. Gemeinsam werden ÖVP und Neos am Donnerstag im Gemeinderat einen Entschließungsantrag einbringen: So soll künftig regelmäßig eine Sicherheitskonferenz aller politischen Fraktionen der Stadt Linz abgehalten werden. Auch soll die Möglichkeit von Sperrvermerken für den Magistratsdienst geprüft werden. Und die beiden Parteien fordern eine Überprüfung von etwaigen Zahlungsflüssen und Förderungen "der Stadt Linz, oder von Betrieben der Unternehmensgruppe Linz", an die rechtsextremen Identitären "oder deren Umfeld". In Zukunft soll so sichergestellt werden, dass es zu keinerlei finanzieller Unterstützung der Rechtsextremen durch die öffentliche Hand kommen kann. Beispielsweise erhielt die den Identitären nahe stehende, extrem rechte Plattform "Info Direkt" mehrfach Geld via Inserate aus den Budgets von FPÖ-Stadträten und anderen freiheitlichen Spitzenpolitikern. "Info Direkt" fungierte auch als "Medienpartner" des rechtsextremen Kongresses "Verteidiger Europas", dessen erste von bisher zwei Ausgaben im Oktober 2016 in den Linzer Redoutensälen des Landes Oberösterreich stattfand.
Auf Landesebene wiederum ist es die ÖVP selbst, die wegen ihrer Koalition mit den oberösterreichischen Freiheitlichen nach wie vor unter Druck steht. Anfang Mai überreichten, unter Ägide des Internationalen Mauthausen Komitees (IMK), zahlreiche Überlebenden-Verbände einen offenen Brief an den oberösterreichischen ÖVP-Landeshauptmann Thomas Stelzer. Sie seien "fassungslos, dass der Rechtsextremismus in Oberösterreich bis in die Landesregierung reicht", schrieben die Überlebenden. "Dieser unbequemen Wahrheit werden Sie, sehr geehrter Herr Landeshauptmann, auf die Dauer nicht ausweichen können. Auch nicht, indem Sie statt vom sehr realen Rechtsextremismus in Oberösterreich nur von einem unbestimmten "Extremismus" sprechen." Sie forderten Stelzer auf, einen "klaren Trennstrich zum Rechtsextremismus" zu ziehen.
Christchurch-Gipfel: Facebook verschärft Video-Streaming
In Paris trafen sich indes am Mittwoch auf Einladung von Frankreichs Premier Emmanuel Macron hochrangige Politiker und Staatschefs, darunter die britische Premierministerin Theresa May, Jordaniens König Abdullah II. und Kanadas Premier Justin Trudeau, zu einem "Christchurch-Gipfel". Auch Twitter-Chef Jack Dorsey soll teilnehmen. Schon im Vorfeld hatte Facebook angekündigt, als Reaktion auf den Anschlag in Christchurch, die Einschränkungen für Livestreams auf der Plattform weiter zu verschärfen. T. hatte seiner Mordtat größtenteils live auf Facebook per Video übertragen. Facebook will nun Nutzer, die schwerwiegend gegen die Facebook-Regeln verstoßen, künftig für 30 Tage vom Streaming-Dienst der Plattform sperren. Mit einem Millionenauftrag an eine IT-Firma will Facebook auch die eigenen Algorithmen verbessern. Zwar löschte die Plattform nach dem Attentat tausendfach das immer wieder hochgeladene Video des Anschlags, andere Nutzer modifizierten das Video allerdings und luden es erneut hoch, die Facebook-Algorithmen hatten dann Probleme, das Material zu erkennen.