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Behördenclash im Justizressort

Von Daniel Bischof

Politik

Staatsanwälte zeigen Justiz-Generalsekretär Pilnacek an. Behördenintern liegt seit geraumer Zeit einiges im Argen.


Wien. Es ist ein beispielloser Vorgang im Justizressort: Staatsanwälte der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) haben Justiz-Generalsekretär Christian Pilnacek und Vertreter der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien in der Causa Eurofighter angezeigt, berichteten Ö1 und "Addendum".

Es bestehe der Verdacht, dass Pilnacek und zwei Oberstaatsanwälte der OStA Wien versucht haben, das Eurofighter-Verfahren teilweise abzuwürgen. Dadurch könnte der Tatbestand des Amtsmissbrauchs erfüllt worden sein, so die WKStA. Die Opposition ist empört und forderte die Suspendierung Pilnaceks. Justizminister Josef Moser (ÖVP) stellte sich hinter seinen Generalsekretär: "Es gibt derzeit keinen Grund für seine Suspendierung." Die Causa wird nun von der Staatsanwaltschaft Linz überprüft.

Pilnacek betonte gegenüber der "Wiener Zeitung", dass das laufende Verfahren abzuwarten sei. Hinsichtlich einzelner Aussagen, die ihm in der Anzeige angelastet werden, erklärte er aber, dass diese aus einer "emotionalen Stimmung" heraus gefallen seien und nicht aus dem Zusammenhang gerissen werden dürften. Er hofft, dass im Ressort nun ein anderer, professioneller Weg eingeschlagen werde: "Es ist genug Porzellan zerschlagen worden."

Erste Anzeigen 2002

Hintergrund der Anzeige ist der Eurofighter-Akt, den die WKStA seit Februar 2019 bearbeitet. Zuvor war er jahrelang von der Staatsanwaltschaft Wien geführt worden. 2002 gab es die ersten Anzeigen, die meisten Verfahren wurden eingestellt, eine Anklage wurde bisher nicht erhoben. Ein Aspekt des Verfahrens sorgte kürzlich für Aufregung: Bereits seit 2011 ist gegen Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser wegen angeblicher Bestechung ermittelt worden, Grasser wurde entgegen seinen Beschuldigtenrechten aber nicht davon verständigt.

Dieser Komplex wurde vom zuständigen Staatsanwalt 2013 "abgebrochen", obwohl die formalen Voraussetzungen nicht vorlagen. Erst im Februar 2019, als der Akt von der Staatsanwaltschaft Wien zur WKStA wanderte, wurde dieser Fehler entdeckt. Gegen den vormals zuständigen Beamten der Staatsanwaltschaft Wien wird mittlerweile ermittelt, sein Verhalten wird disziplinar- und strafrechtlich überprüft.

Der Eurofighter-Akt liegt nun bei der WKStA, wie es weitergeht, ist offen. Das Wiener Straflandesgericht hat zumindest die Ermittlungen gegen Grasser per Beschluss eingestellt, die WKStA bekämpft die Entscheidung beim Oberlandesgericht Wien.

Die Zukunft des Verfahrens war auch Thema einer Dienstbesprechung am 1. April 2019, bei der sich die nunmehrigen Ereignisse betragen haben. Bei der Besprechung waren Vertreter der WKStA, OStA Wien und Pilnacek anwesend. Die WKStA ist der Oberstaatsanwaltschaft untergeordnet und an deren Weisungen gebunden, die OStA Wien wiederum dem Justizressort unterstellt.

Bei diesem Treffen wurde ein internes Protokoll angefertigt, das an die Medien gelangte. Laut Justizminister Moser dürfte eine geheime Tonbandaufnahme angefertigt worden sein. Laut dem Protokoll, aus dem "Addendum" und Ö1 zitieren, wollten die Vertreter der WKStA personelle Unterstützung vom Ministerium und der OStA Wien, da sie nun mit dem umfangreichen Eurofighter-Akt konfrontiert waren. Damit sollen sie bei den Kollegen auf keine Gegenliebe gestoßen sein.

"Ich mache ein Auge zu"

Aus verfahrensökonomischen Gründen solle vielmehr ein "cut" gezogen werden: "Ich mache ein Auge zu, und wir stellen irgendwelche Dinge ein", wird Pilnacek zitiert. Auch habe er der WKStA vorgeworfen, dass bereits vor Jahren Verfahrenseinstellungen hätten vorgenommen werden können: "Setzts euch z’samm und daschlogts es, aber das hättet ihr vor drei Jahren machen können."

Diese Aussagen seien in der hitzigen Debatte aus einer emotionalen Stimmung heraus gefallen, meint Pilnacek. "Ich wollte damit ausdrücken, dass es zielführend wäre, wenn man sich auf das Wesentliche konzentriert." Immerhin gebe es bereits umfangreiches Belastungsmaterial, bei dem man prüfen müsse, was man verwenden könne und was nicht.

Kurz nach der Besprechung wurde der Teamleiter der WKStA, der sich der Causa annehmen sollte, durch die OStA abgesetzt. Der entsprechende Teamleiter habe bereits einen anderen umfangreichen Akt zu betreuen, daher habe man ihm nicht noch diesen riesigen Komplex aufbürden wollen, sagt Pilnacek. Er räumt aber ein: "Bei der WKStA ist das nicht gut angekommen."

Die Behörde erstattete jedenfalls einen "Informationsbericht" an Moser. Die Vorkommnisse seien auf ihre strafrechtliche Relevanz zu prüfen. Den übergeordneten Behörden liege hauptsächlich daran, mediale Unruhe zu vermeiden und die Akten schnell vom Tisch zu haben, die Qualität der Ermittlungen sei nachrangig, so der Vorwurf der WKStA.

Mögliche Fehleinschätzung

Brisant ist dabei, dass aus dem Protokoll der Dienstbesprechung hervorgeht, dass die Eurofighter-Ermittlungen jahrelang möglicherweise unter falschen rechtlichen Hypothesen geführt wurden. So ermittelte man gegen die Beschuldigten hinsichtlich Eigengeldwäsche, obwohl das laut WKStA rechtlich gar nicht möglich ist. Solch angebliche Fehleinschätzungen, die auch der für die Fachaufsicht zuständigen Oberbehörde OstA Wien und Pilnacek angelastet werden könnten, sollen bei der Besprechung thematisiert worden sein. Laut Protokoll sollte die WKStA seitens der OStA Wien verpflichtet werden, die Vorkommnisse gegenüber Medien zu verbergen. Man werde überprüfen, ob es hier zu Fehleinschätzungen gekommen sei, so Pilnacek. Er sei aber nach wie vor der Meinung, dass die rechtliche Argumentation haltbar sei: "Die Staatsanwaltschaft Wien hat das plausibel dargestellt."

Moser leitete die Causa an die Generalprokuratur weiter, diese wiederum delegierte an die Staatsanwaltschaft Linz. Die Behörde geht dem Verdacht nun nach. Neben Pilnacek richtet sich die Anzeige auch gegen den Leiter der Oberstaatsanwaltschaft, Johann Fuchs, und einen weiteren Oberstaatsanwalt der OStA Wien. Unterzeichnet wurde sie unter anderem von Ilse Vrabl-Sanda, Leiterin der WKStA.

"Unterschiedliche Auffassungen über die Ermittlungsstrategie sind nicht ungewöhnlich", heißt es seitens der OStA Wien zur "Wiener Zeitung". Einzelne Wortmeldungen und Dissonanzen dürfen "nicht aus dem Zusammenhang gerissen werden". Auch habe man die WKStA sehr wohl unterstützt: Drei zusätzliche Staatsanwälte habe man der Behörde zugeteilt. Die Aufarbeitung der Eurofighter-Causa werde "mit Hochdruck" vorangetrieben.

Behörden misstrauen einander

Auffallend ist, dass die involvierten Behörden seit geraumer Zeit einander aufgefahren waren, bevor es nun zum Clash kam. Auslöser war die Razzia beim Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) im Februar 2018. Eine Staatsanwältin der WKStA hatte die Hausdurchsuchung durchführen lassen, im August 2018 wurde sie vom Oberlandesgericht Wien (OLG) für unverhältnismäßig und rechtswidrig erklärt. Nachrichtendienste anderer Staaten haben die Kooperation mit dem BVT seit der Affäre eingeschränkt.

Das Justizministerium war im Vorhinein nicht über die Durchsuchung informiert worden, was dort für Verärgerung sorgte. Die Konsequenz: Per Erlass führte die OStA Wien strengere Berichtspflichten für die WKStA ein. Seit Jahresbeginn muss sie die OStA im Vorhinein über "bedeutende Verfahrensschritte" informieren, zumindest drei Werktage vor dem geplanten Schritt.

Durch diese strengeren Berichtspflichten steht die WKStA damit unter genauer Beobachtung, was von der Behörde öffentlich kritisiert wird. Wie Medienberichten zu entnehmen ist, befürchten hochrangige Juristen auch, dass die Unabhängigkeit der WKStA gefährdet wird und das politisch geführte Justizministerium an Einfluss gewinnt. SPÖ, Neos und Liste Jetzt sahen in den Vorgängen einen Justiz- und Politskandal und verlangten die Suspendierung von Pilnacek. Die SPÖ warf der türkis-blauen Regierung vor, die Aufdeckung des Eurofighter-Falls verhindern zu wollen.