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Des FPÖ-Chefs kurzes Glück

Von Karl Ettinger

Politik

Nicht Straches Verhältnis zu Rechtsextremen, sondern eine Affäre um russische Kontakte wurde ihm zum Verhängnis.


Wien. Seinen 50. Geburtstag am 12. Juni dieses Jahres wird er nicht mehr als Vizekanzler der Republik feiern. Nur wenige Wochen davor ist FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache jetzt über einen persönlichen "Fehler" – einen geheimen Video-Mitschnitt auf Ibiza – gestolpert. Nach nicht einmal eineinhalb Jahren muss der Wiener seinen Posten in der türkis-blauen Bundesregierung räumen, den er nach zwölf langen Jahren der FPÖ in der Opposition erreicht hat. Die Genugtuung und die Freude über das Vizekanzleramt war ihm seit dem Amtsantritt der ÖVP-FPÖ-Bundesregierung im Dezember 2017 immer anzumerken gewesen.

Damit teilt der FPÖ-Bundesparteiobmann das Schicksal mit seinem einstigen Ziehvater, Ex-FPÖ-Obmann Jörg Haider. Der Kärntner Landeshauptmann hatte im Gegensatz zu Strache nie den Sprung in die Bundesregierung geschafft, aber mit dem Aufstand von Knittelfeld Anfang September 2002 die damalige schwarz-blaue Koalition nach zweieinhalb Jahren von außen gesprengt. Mit seinem "dummen" (O-Ton Strache) Verhalten drohte der bisherige FPÖ-Chef nun die türkis-blaue Koalition zu sprengen.

Die Übernahme eines Regierungsamtes war dem ehemaligen gelernten Zahntechniker keineswegs in die Wiege gelegt. Mit dem Höhenflug der FPÖ unter Jörg Haider kam Strache bei den Freiheitlichen in den 1990er Jahren in Wien politisch nach oben: vom jüngsten Bezirksrat mit 21 Jahren im dritten Wiener Gemeindebezirk Landstraße ab 1991, ab 1996 dann als Mitglied des Wiener Gemeinderates, ab 2004 schließlich als Wiener FPÖ-Obmann.

Das Sprengen der schwarz-blauen Regierung durch Haider und der nachfolgende Absturz der FPÖ bei der Nationalratswahl 2002 waren das Startsignal für Straches Aufstieg mit Hausmacht in der Bundeshauptstadt. Als Haider mit dem neuen Team in der Bundesregierung um seine Schwerster Ursula im Frühjahr 2005 das BZÖ aus der Taufe hob, um der "alten" FPÖ damit den politischen Todesstoß zu versetzen, scharten sich die national-getreuen Freiheitlichen um Strache als neuen Hoffnungsträger.

Im Frühjahr 2005 wurde er als 35-Jähriger zum Obmann der "Rest"-FPÖ gewählt, schaffte mit ihr 2006 den Einzug in den Nationalrat. In zwölf Jahren in der Opposition kämpfte er lang mit dem Ruf, nur eine schwächere "Kopie" Jörg Haiders zu sein, führte die Freiheitlichen aber von Wahl zu Wahl zum Erfolg – bis auf 26 Prozent bei der Nationalratswahl 2017.

Politischer Erfolg mit Kurs gegen Asylwerber

Inhaltlich und im Auftreten setzte Strache das seinerzeitige Erfolgsmodell Haiders fort: mit populistischer Grundhaltung und scharfen Sprüngen gegen das das rot-schwarze politische Establishment. Alles war darauf ausgerichtet, ganz im Sinne des Stammtisches gegen "die da oben" vor allem Protestwähler hinter der FPÖ zu scharen. Und wie zu Haiders Zeiten verkörperte Strache die FPÖ praktisch allein nach außen, mit Herbert Kickl als treuem FPÖ-Generalsekretär im Hintergrund, der in der türkis-blauen Regierung für seine Treue mit dem Amt des Innenministers belohnt wurde.

Das Nein zur Zuwanderung, vor allem aus muslimischen Ländern, gehörte seit 2005 zum Standard-Repertoire der FPÖ-Politik und der (Bierzelt)-Reden ihres Bundesparteiobmanns. Nach dem Massenandrang von Flüchtlingen ab dem Sommer 2015 und knapp 90.000 Asylanträgen in Österreich fanden teils die teils verhetzenden Sprüche gegen Asylwerber bei immer breiteren Schichten Gehör. Die streitenden Regierungsparteien SPÖ und ÖVP trugen das Ihre dazu bei, noch mehr Österreicher zu den Freiheitlichen zu treiben.

Probleme wegen Kontakten zur Rechtsextremen

Das Abgrenzung nach rechts und zu rechtsextremen Kreisen von FPÖ-Funktionären machten der Parteispitze seit jeher immer wieder zu schaffen, seit der blauen Regierungsbeteiligung im Dezember 2017 umso mehr, weil rassistisch-hetzerische Umtriebe und das Verhalten der FPÖ-Spitze dem gegenüber nunmehr auch im Ausland besonders beäugt wurden.

Seit heuer im April auch Kontakte zur rechtsextremen Gruppierung der Identitären publik geworden sein, war Strache ständig damit beschäftigt, nicht völlig vom Strudel dieser Diskussion verschlungen zu werden. Erst diese Woche drohte der aus der Haft entlassene Rechtsextreme Gottfried Küssel mit brisanten Informationen, es habe in der Vergangenheit "lustige Auftritte" Straches gegeben. Dieser distanzierte aber, er habe mit Küssel nichts zu tun.

Aber auch die Russland-Kontakte und das Lobbying der FPÖ für Russland sind in Österreich und auch im Ausland seit längerem mit Argusaugen und von Geheimdiensten verfolgt worden. Das war spätestens seit einem Kooperationsvertrag mit der Kreml-Partei "Einiges Russland" 2016 so. Jetzt ist der FPÖ-Chef über ein Video gestürzt, dass ihn beim "machohaften" Parieren mit einer – fiktiven – Nichte eines russischen Oligarchen zeigt. Und die FPÖ steht, wie damals im Jahr 2002, als Regierungspartei vor großen Trümmern.