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Österreich wird europäischer

Von Simon Rosner

Politik

Zum ersten Mal kommt mehr als die Hälfte der ausländischen Bevölkerung aus der EU. Während die Zuwanderung aus Rumänien wächst, gibt es bei Afghanen ein Bevölkerungsminus.


Wien. Wenn Österreichs Bevölkerung weiterhin so wächst wie im Vorjahr, wird in vier Jahren die Neun-Millionen-Marke überschritten. Das ist insofern beachtlich, da Anfang der 1980er Jahre noch rund 7,5 Millionen Menschen hier lebten. Oder: Das Land ist seither um die Bevölkerung Salzburgs, Kärntens und Burgenlands zusammen gewachsen.

Das Wachstum allerdings hat sich in den vergangenen Jahren ein wenig reduziert, wie die aktuellsten Bevölkerungszahlen der Statistik Austria zeigen. Der Zuwachs (Stand 1. Jänner 2019) belief sich auf 36.508 Personen oder 0,41 Prozent. Das ist das geringste Plus seit sieben Jahren.

Der Grund für diese Entwicklung war, ist und bleibt die Zuwanderung. Seit Jahren nimmt die Zahl österreichischer Staatsbürgerinnen und Staatsbürger um ein paar tausend pro Jahr ab. Das war bis 2007 noch anders, denn bis dahin gab es noch mehr Einbürgerungen. Die schwarz-orange Regierung hatte dann aber 2006 ein restriktiveres Staatsbürgerschaftsrecht beschlossen, sodass die Zahl der Einbürgerungen binnen einem Jahr halbiert wurde. Statt zwischen 30.000 und 40.000 pro Jahr erhalten mittlerweile nur mehr 7000 bis 10.000 Personen jedes Jahr die österreichische Staatsbürgerschaft. Allerdings liegt das auch an einer geänderten Zuwanderungsstruktur.

Im Jahr 2002, noch vor der Erweiterung der Europäischen Union, betraf etwa ein Viertel der Neumeldungen in Österreich Personen aus der (damals deutlich kleineren) EU. Im vergangenen Jahr hat die EU-Zuwanderung fast 90 Prozent betragen. Für Unionsbürger aber spielt die Frage der Staatsbürgerschaft eine weitaus geringere Rolle. Mit einer Einbürgerung erhalten sie zwar das Wahlrecht in Österreich, ansonsten schützt sie aber das EU-Recht vor jedweder Benachteiligung gegenüber Inländern.

Werbung um Rumänen

Interessant ist, wie sich die Zuwanderung aus den verschiedenen Mitgliedstaaten in den vergangenen Jahren entwickelt hat. Die größte Gruppe ist nach wie vor jene der Deutschen. Auch wenn sich der Zuwachs abgeschwächt hat. Dennoch dürfte bald die 200.000er-Grenze erreicht werden. Ebenfalls bereits sechsstellig ist die Zahl der Rumänen. Mit einem Plus von mehr als 10.000 gemeldeten Personen verzeichnete diese Gruppe auch den stärksten Zuwachs. Im Jahr 2002, noch Jahre vor dem EU-Beitritt, registrierte die Statistik Austria 18.000 Personen mit rumänischer Staatsbürgerschaft.

Um Rumänen hat die heimische Wirtschaft vor einigen Jahren auch explizit gebuhlt, wie der Migrationsforscher August Gächter vom Zentrum für Soziale Innovation erzählt: "Sie waren auch für entlegenere Gebiete zu gewinnen", sagt er. Aus Daten des Sozialministeriums geht hervor, dass der überwiegende Teil der beschäftigten rumänischen Staatsbürger im Handel, dem Tourismus, in der Landwirtschaft und in Gärtnereien sowie am Bau arbeitet. Auch der Produktionssektor ist stark vertreten.

Die Freizügigkeitsregelung innerhalb der EU führte dazu, dass sich die Struktur der ausländischen Bevölkerung stark veränderte. Erstmals überhaupt hat mehr als die Hälfte der ausländischen Staatsbürger in Österreich einen EU-Pass, insgesamt wohnten Anfang Jänner 730.209 Personen aus einem anderen EU-Mitgliedstaat in Österreich.

Während sich die Zahl der hier lebenden Personen aus den früheren Gastarbeiter-Ländern Türkei und Serbien (bzw. Ex-Jugoslawien) relativ stabil hält, hat der EU-Beitritt Kroatiens im Jahr 2013 zu einem Anstieg der Zuwanderung geführt - allerdings nicht sonderlich rasant, sondern um rund 3000 Personen jedes Jahr. Österreich hat allerdings von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, den Arbeitsmarkt vorerst nicht für Kroaten zu öffnen, dies wird erst im kommenden Jahr der Fall sein.

Bei der Zuwanderung aus Drittstaaten hat es naturgemäß einen großen Ausschlag nach oben in den Jahren 2015/16 durch die Fluchtkrise gegeben, die rückläufigen Zahlen bei Asylanträgen schlagen sich nun auch in der Bevölkerungsstatistik nieder. Bemerkenswert ist, dass es ein absolutes Minus bei Personen aus Afrika gab - zum erst zweiten Mal seit 2002. Und auch die Zahl der in Österreich wohnhaften Afghanen ist im Vorjahr um 1304 Personen gesunken.

Mit der Zunahme von Abschiebungen habe das aber wenig zu tun, sagt Gächter. Laut Daten des Innenministeriums ist die Zahl der Abschiebungen zwar von 3150 Personen auf 4661 angestiegen, doch dies betrifft alle Nationalitäten. "Viele Afghanen ziehen einfach weiter, nach Deutschland oder in ein englischsprachiges Land", sagt Gächter.

Murau verliert 1 Prozent

Auf regionaler Ebene verzeichneten die westlichen Bundesländer bis auf wenige Ausnahmen ein flächendeckendes Bevölkerungswachstum. In der Osthälfte Österreichs konzentrierte sich das Plus auf den Ballungsraum Wien sowie die Hauptverkehrsachsen Niederösterreichs und das Nordburgenland. Der Schwund betrifft die Peripherie: das gesamte Waldviertel, die Obersteiermark, das Mittel- und Südburgenland sowie weite Teile Kärntens und Osttirol und die meisten alpinen Regionen Niederösterreichs.

Bricht man das noch weiter herunter, so verzeichneten 62 politische Bezirke Zuwächse, der am höchsten in Bruck an der Leitha (plus 1,56 Prozent) im Osten von Wien, Wels-Land (plus 1,38 Prozent), Linz-Land (1,16 Prozent mehr). In 32 Bezirken gab es einen Rückgang: Die deutlichsten Rückgänge gab es in Murau (minus 0,93 Prozent), Gmünd (0,68 Prozent Rückgang) und Sankt Veit an der Glan (minus 0,67 Prozent).