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Die Neuen - ein Wink in Richtung SPÖ

Von Rosa Eder-Kornfeld, Karl Ettinger und Petra Tempfer

Politik

Keiner der neuen Minister ist ÖVP-Mitglied, einige zeigen SPÖ-Nähe. Auf Verträglichkeit mit der SPÖ wurde offenbar geachtet - diese möchte sich aufgrund des fehlenden Dialogs im Vorfeld jedoch nicht zu den Ministern äußern.


Wien. Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat am Mittwoch die Übergangsminister ernannt, die bis zu den Neuwahlen im September den Platz der zurückgetretenen FPÖ-Minister einnehmen. Konkret wurde Ex-OGH-Präsident Eckart Ratz zum Innenminister angelobt, das Sozialressort leitet nun Ex-Sektionschef Walter Pöltner. Die Chefin der Flugsicherung Austro Control, Valerie Hackl, hat die Infrastruktur übernommen, die Landesverteidigung der Offizier Johann Luif. Keiner von ihnen ist ÖVP-Mitglied, Pöltner und Hackl weisen beziehungsweise wiesen vielmehr eine gewisse Nähe zur SPÖ auf.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) habe bei den neuen Ministern "darauf geachtet, dass sie verträglich mit der SPÖ sind. Alles andere wäre ja naiv", sagt dazu Politologe Peter Filzmaier angesichts des drohenden Misstrauensantrags gegen Kurz. Die Liste Jetzt hat angekündigt, diesen bei der Nationalratssondersitzung am Montag einzubringen. Dass mit den neuen Ministern nun der Begriff Expertenregierung propagiert werde, sei allerdings nicht ganz schlüssig. "Die Verfassung kennt diesen Begriff nicht", sagt Filzmaier, "und inwiefern unterscheiden sich diese Menschen zum Beispiel von Heinz Faßmann (der Bildungsminister ist Universitätsprofessor, parteilos und von der ÖVP nominiert, Anm.)?"

Die SPÖ wollte sich am Mittwoch auf Nachfrage der "Wiener Zeitung" nicht zu den einzelnen Ministern äußern. "Unsere Position bleibt unverändert", sagte Mario Dujaković, Sprecher von SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner. "Kurz hat sich im Vorfeld nicht mit den Parteien zusammengesetzt, und es haben keine Gespräche stattgefunden. Es geht um die Dialoglosigkeit und den Machtrausch und nicht darum, wer die neuen Minister sind." Von diesen hätten die Oppositionsparteien erst über die Medien erfahren. Auch Neos-Vorsitzende Beate Meinl-Reisinger möchte vorerst kein Urteil über diese fällen, sagte sie am Mittwoch am Rande einer Pressekonferenz. Und für Bruno Rossmann, Klubobmann von Jetzt, steht ebenfalls im Fokus, "dass der Kanzler es nicht der Mühe wert findet, uns über irgendetwas zu informieren". Zu den Ministern nur so viel: In Pöltner sehe er persönlich ein klares Signal an die SPÖ, dem Misstrauensantrag am Montag nicht zuzustimmen. In Zusammenhang mit Hackl hat Jetzt am 16. Mai eine parlamentarische Anfrage eingebracht, in der es um eine "Umfärbung" der Austro Control durch die Regierung geht.

Alle vier neuen Minister bekommen übrigens einen ÖVP-nahen Kabinettschef zur Seite gestellt.

Eckart Ratz: Der Prominenteste hat einen ÖVP-Hintergrund

Vergangenes Jahr hat der 65-Jährige sein Amt als Präsident des Obersten Gerichtshofs (OGH) verlassen, weil er das Alterslimit erreicht hatte - zur Ruhe kommt er nun aber noch länger nicht: Ratz hat Herbert Kickl als Innenminister beerbt. Der Vorarlberger hat einen politischen Hintergrund, sein Vater Gerold Ratz (ÖVP) war in Vorarlberg Landesstatthalter, also stellvertretender Landeshauptmann. Er selbst studierte Jus und promovierte in Innsbruck. Später war Ratz Richter am Bezirks- und Landesgericht in Feldkirch, danach am Wiener Straflandesgericht, ehe er 1997 an den OGH wechselte. Dort wurde er 2007 Senatspräsident eines Strafsenats und ein Jahr später Vorsitzender des Fachsenats für Finanzstrafsachen. Über einen Zwischenschritt als Vize wurde der zweifache Vater 2012 zum Präsidenten des Höchstgerichts. Auch universitär engagierte sich Ratz als Lehrbeauftragter an der Universität Wien. Wissenschaftliche Prominenz erlangte er als einer der Herausgeber des "Wiener Kommentars" zum Strafgesetzbuch.

Ratz galt als OGH-Präsident als durchaus streitbar, er hat sich nicht selten pointiert zu Entscheidungen geäußert. Nach einer Selbstanzeige wies ihm das hauseigene Disziplinargericht eine Pflichtverletzung nach. Er habe in die richterliche Unabhängigkeit eingegriffen, hieß es in der Entscheidung. Anlass waren umstrittene Äußerungen des Präsidenten gegenüber Richterkollegen zu konkreten Strafverfahren. Die Einleitung einer Disziplinaruntersuchung gegen Ratz lehnte der Disziplinarsenat aber ab, bestraft oder auch nur (ohne Strafe) schuldig gesprochen wurde Ratz daher nicht.

Walter Pöltner: Der SPÖ-Mann und Rückhalt für FPÖ-Minister

Immer, wenn Kurzzeit-Sozialministerin Beate Hartinger-Klein in Nöten war und dringend einen Fachmann suchte, ist sein Name sofort gefallen. Jetzt wird der ehemalige Sektionschef im Haus am Stubenring, Walter Pöltner (67), selbst Sozialminister im Übergangskabinett von Kurz. Der frühere Semperit-Mitarbeiter und gelernte Industriekaufmann im zweiten Weg ist zugleich das deutlichste Signal an die SPÖ, Kurz und der ÖVP mit diesem Expertenkabinett bis zur Bildung einer neuen Regierung eine Chance zu geben. Der umgängliche Pöltner kommt aus der Arbeiterkammer und ist langjähriger SPÖ-Mann. Deswegen musste sich der Eric-Clapton-Fan in der schwarz-blauen Regierung Schüssel von Roten "Verräter" schimpfen lassen, weil er 2003/04 unter dem damaligen FPÖ-Sozialminister Herbert Haupt für die Pensionsreform verantwortlich war, deren Verschärfungen der Gewerkschaftsbund mit Streiks bekämpfte.

"Mister Pension" Pöltner, der schon vor vier Jahrzehnten Hausmann war und zwecks Lebensunterhalt dann Jus studierte statt etwa Musik, erwarb als einer der wenigen Roten das Vertrauen der Freiheitlichen. Deswegen war er seit Anfang April für Ministerin Hartinger-Klein auch als Regierungskommissär im Überleitungsgremium der Sozialversicherung, um einen ordnungsgemäßen Ablauf zu gewährleisten. Schon 2018 war er von ihr für die Mammutaufgabe Neukodifikation des Sozialrechts auserkoren, winkte aber ab.

Von Ruhestand konnte bei Pöltner auch ohne Ministeramt keine Rede sein. Er war für den Thinktank Denkwerkstatt St. Lambrecht aktiv und zugleich Honorarprofessor an der Universität Salzburg. Im steirischen Stift Lambrecht plauderte er erst heuer im Mai bei einer Tagung vor Fachleuten über die "Achillesferse" bei der Sozialversicherungsreform, weil die Pensionisten nicht in der Selbstverwaltung mitbestimmen dürfen.

Valerie Hackl: Die Jüngste im Bunde für ein Mega-Ressort

Sie ist die Jüngste im Bunde: Valerie Hackl, 36, Chefin der Flugsicherungsbehörde Austro Control, hat von Norbert Hofer das Infrastrukturministerium übernommen. Die parteifreie Managerin hat bereits eine beachtliche Karriere hingelegt. So war sie erst zu Jahresbeginn aus der Vorstandsetage der ÖBB-Personenverkehr AG in die Geschäftsführung der Austro Control gewechselt.

Die Wienerin studierte Betriebswirtschaft an der Wirtschaftsuniversität Wien sowie an der University of British Columbia in Vancouver und absolvierte ihr Promotionsstudium an der Hochschule St. Gallen. Zu Beginn ihrer Berufslaufbahn war Hackl Consultant bei der Unternehmensberatung Bain & Company. Der damalige Vorstandsvorsitzende der ÖBB-Holding, Ex-Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ), holte sie 2012 als seine Assistentin ins Unternehmen. Nach der Leitung der Konzernstrategie- und Unternehmensentwicklung stieg sie 2015 in den Vorstand der ÖBB-Personenverkehr AG auf, die 2018 Rekorde einfuhr. Weniger erfolgreich war Hackl mit der ÖBB-Fernbus-Tochter "Hellö", die an den deutschen Marktführer Flixbus verkauft wurde.

Mit dem Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie übernimmt Hackl ein Mega-Ressort. Unter anderem fallen die ÖBB und die Asfinag in ihre Agenden. "Bundesministerin Hackl wird aufgrund ihrer Erfahrung und Kompetenz im Bereich Infrastruktur die vor ihr liegenden Herausforderungen zweifellos hervorragend bewältigen", sagte dazu der Generalsekretär der Industriellenvereinigung, Christoph Neumayer. Die Liste Jetzt hat zuletzt in einer parlamentarischen Anfrage unter anderem die fachliche Qualifikation Hackls und ihres Co-Geschäftsführers in der Flugsicherung, dem wichtigsten Aufgabenbereich der Austro Control, in Frage gestellt. Hackl soll aufgrund des expliziten Wunsches Norbert Hofers von den ÖBB zur Austro Control gewechselt sein, heißt es darin.

Johann Luif: Stv. Generalstabschef mit Burgenland-Connection

Das Verteidigungsressort hat Johann Luif von Mario Kunasek übernommen. Er war Militärkommandant des Burgenlands, als ihn der damalige Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) 2016 in die Sektion IV des Verteidigungsministeriums in die Abteilung Einsatzplanung holte. Mit Luif steht nach SPÖ-Minister Norbert Darabos und Doskozil der dritte Burgenländer an der Spitze des Ressorts. Der Eisenstädter Luif, der im Juli 60 Jahre alt wird, leitete die Generalstabsdirektion, Kunasek betraute ihn zudem mit der Funktion des stellvertretenden Generalstabschefs. Die Freiheitlichen, die im Bundesheer einen eigenen Verein als "Bundesheergewerkschaft" etabliert haben, lehnten Luif im Vorfeld seiner Bestellung als Minister ab. Sie zeigen Unverständnis dafür, dass Luif, der formell Generalstabschef Robert Brieger unterstellt ist, nun dessen Vorgesetzter werden soll. Die Bundesheergewerkschaft der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD) begrüßt die Entscheidung für Luif.

Der letzte aktive Offizier, der in Österreich Minister wurde, war Brigadier Karl Lütgendorf in der SPÖ-Alleinregierung unter Bruno Kreisky von 1971 bis 1977. Wie Lütgendorf absolvierte Luif die Theresianische Militärakademie in Wiener Neustadt. Anschließend schloss er den 12. Generalstabslehrgang an der Landesverteidigungsakademie in Wien 1991 ab. 2000 kommandierte der zweifache Vater im krisengeschüttelten Kosovo das österreichische Kontingent der Friedenstruppe KFOR. 2011 wurde er stellvertretender Kommandant der gesamten Schutztruppe KFOR. 2014 übernahm Luif für einen Turnus das Kommando der Eufor/Althea-Mission in Bosnien.

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