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Gretas Welt

Von Ronald Schönhuber

Politik

Bei der von Arnold Schwarzenegger initiierten R20-Klimaschutzkonferenz stellt die 16-jährige Greta Thunberg nicht nur die entscheidenden Fragen. Sie macht auch deutlich, dass die Jungen die bisherige Klimapolitik für grundfalsch halten.


Wien. "Hi", sagt das Mädchen, das mit einer rosa Bluse und den zu einem Zopf zusammengebundenen Haaren auf der eindrucksvollen Bühne im großen Festsaal der Wiener Hofburg steht. "Ich bin Greta Thunberg, eine Klimaschutzaktivistin aus Schweden." Nötig wäre diese Vorstellung allerdings kaum gewesen.

Denn wer Greta Thunberg ist, wissen nicht nur die Menschen im Saal - darunter der UN-Generalsekretär, Staats- und Regierungschefs aus zahlreichen Ländern, hochrangige Wirtschaftstreibende, aber auch prominente Sportpersönlichkeiten wie der Skifahrer Aksel Lund Svindal - nur zu gut. Fast die halbe Welt kennt die 16-Jährige, die mit ihrer "Fridays for Future" getauften Schulstreikbewegung zu einem globalen Phänomen geworden ist, mittlerweile. Thunberg tritt beim Weltwirtschaftsforum in Davos auf, sie trifft den Papst und aussichtsreiche EU-Spitzenkandidaten, gibt großen internationalen Zeitungen Interviews. Und wenn am 31. Mai der nächste Friday for Future ansteht, dürften es weltweit wohl wieder hunderttausende junge Menschen sein, die sich Thunbergs Klimaschutzprotest anschließen und statt in die Schule auf die Straße gehen.

"Nur isolierte Lösungen"

Dass die junge Aktivistin weit mehr ist, als ein kurzfristiger und zufällig viral groß gewordener Hit der YouTube-Generation, wird allerdings in der Rede deutlich, die sie bei der von Arnold Schwarzenegger initiierten R20-Klimaschutzkonferenz in der Hofburg hält. Mit ruhiger Stimme, aber umso eindringlicheren Worten prangert Thunberg dabei die bisherigen Lösungsversuche der Klimakrise an. Viele Menschen - den Politikern ebenso wie den einfachen Bürgern - sei immer noch nicht bewusst, in welcher Gefahr sie sich eigentlich befinden. "Wir müssen die Art und Weise ändern, wie wir über die Erderwärmung reden", sagt Thunberg. "Und wir müssen endlich sagen, was der Klimawandel in Wahrheit ist - nämlich ein globaler Notfall".

An diese Diagnose anschließend stellt die junge Schwedin dann entscheidende Fragen. Wie könne es sein, dass die Politiker, die die verheerenden Auswirkungen des Klimawandels bereits begriffen haben, nicht rund um die Uhr in Krisensitzungen tagen? Dass das Thema nicht die Medien dominiert? Dass nicht überall darüber gesprochen wird?

"Wir müssen das Problem in seiner Gesamtheit sehen", sagt Thunberg. Auch wenn es weh tut. Auch wenn dadurch unser Leben in vielen Bereichen verändert wird. Doch derzeit gebe es nur einzelne, voneinander isolierte Lösungen.

"Die selben Politiker, die an einem Tag von Klimaschutzmaßnahmen sprechen, wollen am nächsten Tag neue Autobahnen bauen, zusätzliche Kohlekraftwerke eröffnen und Flughäfen erweitern", sagt Thunberg. "Der Klimawandel wurde einfach behandelt wie jedes andere Thema auch." Zum Ende ihrer Rede spricht Thunberg dann noch einmal aus, was allen im Saal ebenfalls schon lange klar ist. Nämlich, dass die junge Generation sich das so nicht mehr gefallen lässt. "Wir stehen dagegen auf", sagt Thunberg. Als sie fertig ist, gibt es in der Hofburg minutenlang Applaus und stehende Ovationen.

"Brauchen Träumer und Macher"

Allerdings will sich die Konferenz in der Hofburg, bei der auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen und UN-Generalsekretär Antonio Guterres eindringliche Appelle für mehr Klimaschutz formuliert haben, nicht nur als Mahner und Warner verstehen. Viel mehr will sie auch Anstöße für konkretes Handeln liefern. "Wir brauchen Träumer und Macher", sagt Konferenzgastgeber Arnold Schwarzenegger, der seine Rede unmittelbar nach Thunberg hält. Denn nur durch Menschen wie Tesla-Chef Elon Musk oder den kalifornischen Politiker Kevin Leon, der in seinem Bundesstaat die vollkommene Abkehr von fossilen Brennstoffen bis 2045 auf den Weg gebracht hat, würde sich die Welt verändern. Die Zweifler und Zögerer würden dagegen ihren Platz auf den dunklen Seiten der Geschichtsbücher finden.

Ganz generell ist die Rede des ehemaligen Gouverneurs von Kalifornien an diesem Tag von dem Wunsch beseelt, Optimismus zu verbreiten und Bedenken zu zerstreuen. "Kalifornien ist durch seine strikten Umweltschutzgesetze nicht in den Ozean gestürzt", sagt Schwarzenegger. "Viel mehr sind wir der wirtschaftlich erfolgreichste Bundesstaat der USA und die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt." Kalifornien sei somit nicht nur das beste Beispiel dafür, dass es möglich ist, die Wirtschaft und das Klima gleichzeitig zu schützen. In dem Bundesstaat habe sich auch gezeigt, wie wichtig und weitreichend lokale und regionale Initiativen sein können - insbesondere dann, wenn nationale Regierungen untätig sind.

Dass Städte und Regionen mittlerweile zur entscheidenden Triebfeder bei der Begrenzung der Erderwärmung geworden sind, wird an diesem Dienstag allerdings nicht nur durch Schwarzeneggers Rede offensichtlich. So repräsentiert die Under-2-Coaltion, die der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann mit anderen Regionalpolitikern aus der Taufe gehoben hat, mittlerweile mehr als 200 Städte und Regionen sowie 1,3 Milliarden Menschen. "Das Wichtigste war, dass wir uns international vernetzt haben", sagt Kretschmann. "Denn auf diese Weise können wir beim Klima auch Druck erzeugen".