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Brigitte Bierlein wird Kanzlerin

Von WZ Online

Politik
Brigitte Bierlein wird Österreichs erste Bundeskanzlerin. 
© WZ Online/Mortitz Ziegler

Der frühere VwGH-Präsident Clemens Jabloner ist als Vizekanzler und Justizminister, Botschafter Alexander Schallenberg als Außen- und Europaminister vorgesehen.


Wien. Sie galt ihm in den vergangenen Tagen stets als Fels in der politischen Brandung, als Orientierung gebender Leuchtturm für eine Demokratie auf neuen Pfaden: Es war stets die "elegante Österreichische Verfassung", auf die Bundespräsident Alexander Van der Bellen wiederholt ein Loblied anstimmte, wenn es darum ging darzulegen, dass eine Regierungskrise noch lange keine Staatskrise sei. Die Bundesverfassung, so argumentierte Van der Bellen auch am Donnerstag, sei "das Betriebssystem unserer Demokratie", die "präzise Landkarte", die der Republik den Weg durch das politische Neuland weise.

Entzieht das Parlament einer Regierung das Vertrauen – wie vergangenen Montag geschehen –, so sieht eben jene Verfassung vor, dass der Bundespräsident eine Persönlichkeit mit der Bildung einer neuen Regierung betraut. Dass mit Brigitte Bierlein die Präsidentin des Verfassungsgerichtshofes in den kommenden Tagen als erste Bundeskanzlerin der Republik angelobt wird, sei, so Van der Bellen bei der Präsentation Bierleins in der Hofburg, ein logischer Schritt. Wer sei besser geeignet, in Zeiten wie diesen, die Geschicke der Republik behutsam zu lenken und das Ansehen Österreichs durch "kompetente und konstruktive Arbeit wiederherzustellen", als die "oberste Hüterin der Bundesverfassung" selbst, so der Bundespräsident.

Unterschätzte Verwaltung

Bereits am Donnerstag beauftragte Van der Bellen die designierte Kanzlerin mit der Bildung einer Regierung, angelobt werden soll Bierlein, "in einigen Tagen". Diese Übergangsregierung bleibt im Amt bis im Herbst nach der Wahl eine neue Regierung angelobt wird. Bis dahin soll ein von Bierlein zusammengestelltes Kabinett aus erfahrenen Beamten und Experten für eine "ordentliche Verwaltung der Staatsgeschäfte" sorgen – eine Aufgabe, die "oft zu unrecht unterschätzt" werde, so der Bundespräsident.

Über die Kür Bierleins hatte Van der Bellen im Vorfeld Konsens mit den im Parlament vertretenen Parteien hergestellt. Er sei zuversichtlich, dass es sich um eine "Vertrauensregierung" handle, die er demnächst angeloben werde: "Das ist Demokratie. Und es ist eine starke Demokratie."

"Fachliche Expertise und politische Sensibilität"

Sie sei einmal treffend als "stets die Erste" charakterisiert worden, beschrieb Bundespräsident van der Bellen den Weg Bierleins. Das Amt der Regierungschefin ist jedenfalls nicht die erste Männerdomäne, in die Bierlein vorstößt. Erst im Vorjahr wurde sie zur ersten Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs. Die gebürtige Wienerin wird dem bürgerlichen Lager zugerechnet, ihr werden gute Kontakte nicht nur zur ÖVP, sondern auch zur FPÖ nachgesagt. Parteimitglied ist sie nicht.

Die 69-jährige Richterin zeigte sich selbst überrascht von ihrer Nominierung. Nach ersten Gesprächen mit dem Bundespräsidenten habe sie sich nach einigen Stunden Bedenkzeit "für das Wohl Österreichs entschieden, diese Aufgabe zu übernehmen". Sie werde alles in ihrer "Macht Stehende tun, um diesem Vertrauensvorschuss gerecht zu werden". Sie werde unmittelbar beginnen, Gespräche mit Persönlichkeiten aus der öffentlichen Verwaltung für ihr Kabinett zu führen. Dabei gehe es ihr um "fachliche Expertise und politische Sensibilität".

Zwei Namen nannte Bierlein bereits am Donnerstag: Der langjährige Präsident des Verwaltungsgerichtshofs Clemens Jabloner soll Vizekanzler werden und das heikle Justizressort übernehmen. Botschafter Alexander Schallenberg soll als neuer Außen- und Europaminister fungieren.

Dialog mit Institutionen und Zivilgesellschaft

Als Ziel für ihre Kanzlerschaft nannte Bierlein, "Österreich als selbstbewussten Partner in einem starken Europa zu vertreten". Zudem will sie "in einen intensiven Dialog mit Landeshauptleuten, Sozialpartnern, Religionsgemeinschaften und der Zivilgesellschaft" treten, um "zur Beruhigung und zum wechselseitigen Vertrauen beizutragen". Noch vor ihrer Ernennung wird Brigitte Bierlein aus dem Amt der Präsidentin des Verfassungsgerichtshofes scheiden, die Geschäfte übernimmt interimistisch Bierleins derzeitiger Vizepräsident Christoph Grabenwarter.

Erwartungsgemäß zufrieden haben die Parteien auf die Bestellung von Brigitte Bierlein zur künftigen Kanzlerin reagiert. ÖVP-Chef Sebastian Kurz sieht sie als "außerordentlich kompetente, erfahrene und integre Persönlichkeit". Die ÖVP werde sie best möglich unterstützen. Erfreut, dass eine Frau zum Zug kam, ist SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner. Sie sei überzeugt, dass mit Bierlein an der Spitze der Übergangsregierung die Zusammenarbeit zwischen Regierung und dem Parlament im Sinne von Stabilität für das Land wieder von Dialogbereitschaft gekennzeichnet sein werde. Voll des Lobes war auch FPÖ-Chef Norbert Hofer. Bierlein sei eine hoch angesehene, bestens qualifizierte und integre Persönlichkeit.

Brigitte Bierlein, geboren am 25. Juni 1949 in Wien, ist Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs der Republik Österreich. Zuvor war Bierlein von 1990 bis 2003 Generalanwältin bei der Generalprokuratur beim Obersten Gerichtshof und von 2003 bis 2018 Vizepräsidentin des Verfassungsgerichtshofs. Nun ist sie Österreichs erste Bundeskanzlerin.