Zum Hauptinhalt springen

Bußjäger: "Verwalten können sie richtig gut"

Von Brigitte Pechar

Politik

Verwaltungsjurist Peter Bußjäger traut einer Beamtenregierung sehr viel zu: Die Beamten wüssten sehr wohl zwischen politisch sensiblen Dingen und Routinearbeit zu unterscheiden.


Bundespräsident Alexander Van der Bellen ist dabei, eine Beamtenregierung zu bilden, die bis nach den Neuwahlen im September beziehungsweise bis zur Bildung einer neuen Bundesregierung halten soll. Das werde "so rasch wie möglich, aber so sorgfältig und umsichtig wie geboten" erfolgen, hieß es dazu aus der Präsidentschaftskanzlei. Wichtig bei der Suche nach den neuen Mitgliedern für die Übergangsregierung sei, dass sowohl die innerösterreichische als auch die europäische Dimension beachtet werde, denn es würden wichtige Entscheidungen in der EU anstehen, meinte der Sprecher von Van der Bellen mit Blick auf Fragen wie jene nach dem künftigen EU-Kommissar oder nach dem neuen Kommissionspräsidenten.

"Wiener Zeitung": Die Beamten, die Bundespräsident Van der Bellen für eine Übergangsregierung vorsieht, sollten für alle Parlamentsparteien akzeptabel sein. Wie unpolitisch sind Beamte eigentlich, immerhin haben ja Beförderungen in der Regel schon etwas mit Parteipräferenzen zu tun?

Peter Bußjäger: Da muss man unterscheiden. Prinzipiell hat jeder Beamte das Recht auf eine persönliche politische Meinung. Beim Spitzenpersonal in der Verwaltung - Sektionschefs, Landesamtsdirektoren, Abteilungsvorstände in Ämtern der Landesregierungen - ist davon auszugehen, dass dieses sehr eng mit dem politischen Vorgesetzten zusammenarbeitet. In solche Positionen werden Vertrauensleute berufen. Eine Person, der nicht "vertraut" wird, wird sich schwertun, eine Leitungsfunktion zu bekommen. Dem steht aber gegenüber, dass es sehr schwer ist, jemanden in einer solchen Führungsposition wieder abzuberufen. Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider hat zum Beispiel nach meinem Eindruck sehr gut mit seinem von der Vorgängerregierung eingesetzten Landesamtsdirektor zusammengearbeitet, obwohl dieser meines Wissens nicht bei der FPÖ oder FPÖ-nahe war. Aber eine gewisse politische Durchdringung gibt es. So war das Innenministerium lange Zeit rot, wurde dann auf Schwarz eingefärbt. Oder nehmen Sie das Beispiel Pamela Rendi-Wagner, die als Sektionschefin im Gesundheitsministerium gearbeitet hat.

Ja, aber Rendi-Wagner ist erst als Ministerin SPÖ-Mitglied geworden.

Aber eine bestimmte Nähe war sicherlich vorher schon gegeben.

Was unterscheidet eigentlich eine Beamtenregierung von einer Expertenregierung? Beide Formen stehen ja zur Debatte.

Es ist sehr schwierig, hier eine Unterscheidung zu treffen. Wenn zum Beispiel Experten wie der frühere Rechnungshofpräsident Franz Fiedler genannt wird, dann war dieser vorher auch Richter und als solcher unabhängiger Beamter. Oder der jetzige Innenminister Eckhart Ratz, der früher OGH-Präsident und damit auch hoher Beamter war. Beide sind gleichzeitig aber auch Experten.

Es ist wohl davon auszugehen, dass die Kabinette von "Beamtenministern" schlanker ausfallen werden, als dies bisher in den Ministerien der Fall war. Kann das eine Gegenkultur entwerfen und Standards für künftige Kabinette setzen?

Tatsächlich sind die Kabinette in den vergangenen Jahren explodiert. Die Kabinette einer Beamtenregierung werden mit Sicherheit kleiner ausfallen. Aber ob das nachhaltige Konsequenzen haben wird, bezweifle ich. Dafür wird die Zeit zu kurz sein. Die Beamtenregierung wird sich ja darauf beschränken, zu verwalten. Es werden wohl keine sensiblen politischen Materien angegangen werden.

Bestimmte Gesetzesmaterien werden aber schon überlegt. So hat zum Beispiel zuletzt ÖVP-Obmann Sebastian Kurz angedeutet, dass es bei der Raucherregelung doch eine Änderung geben könnte, und er hat sich auch gegenüber Änderungen bei der Parteienfinanzierung offen gezeigt. Aber die Frage ist, wer arbeitet diese Gesetze dann aus? Das Parteiengesetz wäre Sache des Bundeskanzleramts - übernimmt diese Arbeit in einer Beamtenregierung dann auch das Bundeskanzleramt oder wird hier der Legislativdienst des Parlaments federführend?

Das ist eine spannende Frage. Jetzt ist es so, dass Gesetze in den Ministerien ausgearbeitet werden, dann werden sie von der Regierung als Regierungsvorlage eingebracht - das ist der häufigste Fall -, oder sie werden direkt von Abgeordneten eingebracht, weil man einen anderen Weg gehen will. Aber auch diese Gesetzesvorlagen wurden von Ministerien ausgearbeitet. Was jetzt das Parteiengesetz betrifft, so wird eine Beamtenregierung dieses politisch sensible Thema eher nicht aufgreifen. Das wird im Parlament geschehen. Und da wieder stellt sich die Frage, wer arbeitet das Gesetz dann aus, macht das eine Partei, haben die Parteien dann noch den beratenden Zugriff auf die Ministerien? Das kann sein. Das werden dann halt Parteianträge werden. Aber bei Gesetzesmaterien wie der Parteienfinanzierung haben die Parlamentarier schon bisher kräftig mitgearbeitet. Das kann auch im Parlament gemacht werden, denn in diesem Fall ist der legistische Aufwand nicht sehr groß, obwohl die Konsequenzen beachtlich sind. Das kann auch ein Parteienantrag werden. Anders wäre es beim Wasserrecht oder bei komplizierten Materien, wo es die Expertise der Ministerien braucht.

Sind Ihnen Gesetzesmaterien bekannt, die jetzt dringend erledigt werden müssten?

Eigentlich nicht. Es ist völlig klar, dass die ganze Verfassungsreform, die Ex-Justizminister Moser eingeleitet hat, nun auf Eis liegt. Das wird man auf die Zeit nach den Nationalratswahlen aufsparen.

Erwartet wird von der Bevölkerung, dass eine Beamtenregierung verwaltet. Können die Beamten verwalten?

Das können sie richtig gut. Sie wissen, was dringend ist, wo etwas repariert werden muss, weil der Verfassungsgerichtshof etwas aufgehoben hat. Sie wissen, was man jetzt eher auf die lange Bank schieben kann. Die Beamten können auch recht gut unterscheiden zwischen den politisch heiklen Dingen - das ist auch eine der wichtigsten Skills, die ein Beamter hat. Sie wissen, was politisch sensibel ist und einem späteren "richtigen" Minister überlassen bleiben soll, und was Routinegeschäft ist. Das werden sie sicherlich gut machen. Und ich gehe davon aus, dass das Selbstverständnis einer Beamtenregierung nur das sein kann, gut zu verwalten und keine allzu großen politischen Turbulenzen zu erzeugen, sondern voll auf den Stabilitätsfaktor zu setzen. Das ist meiner Meinung nach das Selbstverständnis einer solchen Beamtenregierung.

Jetzt fehlt die politische Führung eines Ministeriums. Dann müsste sich der Beamtenapparat selbst führen. Ist das gut, ist das schlecht?

Auch in Übergangsregierungen - vom Beginn des Neuwahlantrags bis zur Wahl und danach - tun Regierungen in der Regel sonst nichts, als zu verwalten. Dass das eine Beamtenregierung relativ gut schafft, sich selbst zu verwalten, ist klar.

In nächster Zeit stehen aber vor allem auf EU-Ebene eine Reihe von Entscheidungen an. Da geht es um den künftigen EU-Kommissionspräsidenten/die Präsidentin, aber auch um die Besetzung der einzelnen Kommissare. Können Beamte in solchen Angelegenheiten Österreich tatsächlich gut vertreten?

Was Spitzenbeamte ziemlich gut können, ist, Österreich zu repräsentieren im Ministerrat. Vor allem dort, wo es um Routineangelegenheiten geht. Wo sie überfordert wären, sind politische Entscheidungen. Wenn etwa Österreich einen EU-Kommissar nominieren müsste, was soll da eine Beamtenregierung tun? Damit sind Beamtenminister wahrscheinlich überfordert.

Das müsste man dann wahrscheinlich in enger Kooperation mit den Parlamentsparteien machen.

Ja, da würde nichts anderes übrig bleiben. Das Parlament hat ja auch das Recht, gegenüber der Bundesregierung sogenannte bindende Standpunkte zu formulieren, an die die Regierung in den Abstimmungen auf europäischer Ebene gebunden ist.

Ist es wahrscheinlich, dass der Hauptausschuss des Nationalrats in Fragen der Europäischen Union eine dominante Rolle haben wird?

Das ist sehr wahrscheinlich.

Was müssen Spitzenbeamte für eine Regierungspunktion mitbringen? Welche Stärken sind gefragt?

Sachkompetenz und politisches Gespür. Sie müssen wissen, wo politische Entscheidungen erforderlich sind, die man einer künftigen Regierung überlassen kann. Aber man muss auch wissen: Das kann dauern. Es sind jetzt schon drei Monate bis zur Nationalratswahl und dann möglicherweise noch einmal drei Monate bis zur Bildung einer Regierung.

Das ist schon eine lange Zeit. Da kann auch etwas Unvorhergesehenes geschehen, wie zum Beispiel ein Hochwasser - was wir natürlich nicht hoffen.

Da müssen auf der Stelle Geldmittel lockergemacht werden.

Solche Entscheidungen können aber Spitzenbeamte durchaus treffen, oder?

Ja, sicher.

Das wäre eine Notsituation. Aber andere finanzielle Entscheidungen wie etwa das Budget für 2020 werden sicher verschoben werden?

Ja. Eine Beamtenregierung wird das Notwendigste tun und Österreich sicherlich gut verwalten.