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"Mach ma schon"

Von Marina Delcheva und Werner Reisinger

Politik

Angelobung der Übergangsregierung: Die neue Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein appelliert an Einigkeit und Vertrauen.


Wien. "Gemäß Artikel 70 Absatz 1 der Bundesverfassung, ernenne ich Sie, Frau Brigitte Bierlein, zur Bundeskanzlerin." Es sind aus mehrerlei Hinsicht geschichtsträchtige Worte, die Bundespräsident Alexander Van der Bellen am Montag bei der Angelobung der interimistischen Beamtenregierung in der Präsidentschaftskanzlei spricht. Es ist die erste Beamtenregierung, die in der Zweiten Republik angelobt wird. Und es ist ein, im Vergleich, sehr weibliches Kabinett. Bierlein ist die erste Kanzlerin Österreichs. Jeder zweite Ministerposten ist mit einer Frau besetzt. "Jetzt kann niemand mehr sagen, das geht nicht", sagt Van der Bellen dazu.

Das erste Statement der neuen Bundeskanzlerin fiel dann doch knapper aus, als ursprünglich kolportiert. Bierlein wandte sich an alle Österreicherinnen und Österreich wie auch an alle hier lebenden Menschen. "Wer immer das Amt des Bundeskanzlers ausübt, trägt eine große Verantwortung", sagte Bierlein. "Ich bin mir dieser Verantwortung bewusst, und nehme die Aufgabe mit Demut und mit dem festen Glauben an die Stärke der Republik Österreich an." Sie betonte, dass Österreich ein Land mit einer unabhängigen Justiz, freien Medien und einer funktionierenden Verwaltung sei. Auch die Zivilgesellschaft und die Religionsgemeinschaften erwähnte die Kanzlerin, auch mit ihnen werde sie, wie auch mit allen Parteien, eng zusammenarbeiten. Ebenfalls betonte Bierlein die Stärke der Institutionen der Republik. Das "Fachwissen der Ministerien" werde "jederzeit für die Abgeordneten zur Verfügung gestellt".

"Starkes, lebenswertes und tolerantes Österreich" als Ziel

Ausdrücklich wandte sich Bierlein auch an die Jugend, und besonders an die jungen Frauen in Österreich. "Unser Land, unsere Demokratie braucht Sie alle. Ihre gestaltende Kraft und Ihren Glauben an Österreich. Ihr Engagement ist unersetzlich für das Wohl Österreichs." Bierlein weiter: "Uns eint ein Ziel: ein starkes, lebenswertes, tolerantes Österreich als verlässlicher Partner Europas und der Welt."

Inhaltlich konnte Bierlein noch keine Vorhaben oder Punkte nennen, Fragen waren nach dem kurzen Auftritt - noch - keine zugelassen. Aber: Der "sorgsame Umgang mit Steuergeldern" sei nun "besonders wichtig" - große Projekte sollte es damit unter der ersten Bundeskanzlerin der Republik in den kommenden Monaten keine geben.

Das Bierlein-Kabinett bekommt fast von allen politischen und fachlichen Seiten Vorschusslorbeeren, Kritik an der Besetzung der Ministerriege gibt es kaum.

Die wohl umstrittenste Ernennung ist jene von Andreas Reichhardt als Verkehrs- und Infrastrukturminister. Dieser war unter Norbert Hofer Generalsekretär und leitete die Sektion "Innovation und Telekommunikation". Kritik an Reichhardts Bestellung - er ist Mitglied der völkisch-deutschnationalen Verbindung Grenzlandsmannschaft Cimbria - gab es vor allem deshalb, weil er zusammen mit dem zurückgetretenen Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) an Wehrsportübungen teilgenommen hat, wie "profil" berichtet hat. Ein auch in sozialen Medien im Internet kursierendes Foto soll ihn inmitten einer Wehrsport-Gruppe zeigen, mit auf dem Foto ist auch Ex-FPÖ-Chef und Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache.

Für den Posten des Innenministers kursierte in den vergangenen Tagen auch der Name Andreas Pilsl. Der amtierende Landespolizeidirektor von Oberösterreich dürfte jedoch am Widerstand der FPÖ gescheitert sein: Pilsl gelte als "Strasser-Mann" und sei Teil des "schwarzen Netzwerks im Innenministerium", hieß es seitens der FPÖ am Wochenende. Zum Zug kam schließlich Wolfgang Peschorn, Präsident der Finanzprokuratur.

Es ist eine Regierung, die nicht nach einer demokratischen Wahl durch die stimmenstärksten Parlamentsparteien gebildet wurde. Die kein Parteiprogramm erfüllen muss, aber auch keine Rücksicht auf Bünde, Koalitionspartner und Parteianimositäten nehmen muss. Und eine Regierung, die keinerlei Anspruch auf eine Wiederwahl stellt - und wohl dennoch im Parlament eine Mehrheit finden wird. Im Fokus stehen das Verwalten und Funktionieren des Staates bis zur nächsten Nationalratswahl im September.

SPÖ: "regelmäßiger und unvoreingenommener Dialog"

Anerkennend bis wohlwollend fielen die Reaktionen auf das Kabinett Bierlein am Montag aus: "Zuversichtlich" gab sich SPÖ-Bundesvorsitzende Pamela Rendi-Wagner. Sie begrüßte, dass Bierlein ihr Kabinett so schnell zusammengestellt hat. Dass erstmals eine Frau an der Spitze der Regierung steht, ist für die SPÖ-Vorsitzende "ein tolles frauenpolitisches Signal".

Sie sieht nun gute Voraussetzungen dafür, dass wieder Ruhe ins Land einkehrt und die kommenden Monate von Stabilität geprägt sein können. Dazu brauche es nun einen intensiven, regelmäßigen und unvoreingenommenen Dialog zwischen den Parlamentsfraktionen und der neuen Regierung auf Augenhöhe." Außerdem will Rendi-Wagner die kommenden Monate für Sachpolitik und Themen nutzen, hinter denen die breite Mehrheit der Bevölkerung steht. Die SPÖ-Chefin lobte zudem die Tatsache, dass fast durchwegs überparteilich anerkannte Experten ernannt wurden.

Gratulationen gab es auch vom designierten FPÖ-Chef Norbert Hofer. Er gehe davon aus, "dass die neuen Mitglieder der Bundesregierung die anstehenden Amtsgeschäfte mit großer Umsicht und mit Rücksicht auf den Charakter einer Übergangsregierung erledigen werden", so Hofer in einer ersten Reaktion. Er kündigte an, mit der neuen Regierung "konstruktiv arbeiten" zu wollen.

"Längst überfällig", dabei aber "erfreulich" ist es laut Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger, dass die Regierung erstmals aus gleich vielen Männern wie Frauen bestehe. Sie erwartet von der neuen Regierung, dass sie das Land ordentlich und abseits von Parteipolitik verwaltet und - wo nötig - rasche Aufklärung vorantreibt. Bei den Ministern aber sei auch zu erwarten, dass deren parteipolitischer Hintergrund "absolut keine Rolle spielt und die Expertise und das Wohl der Republik im Vordergrund stehen". Liste-Jetzt-Gründer Peter Pilz nannte das Kabinett "um Stufen besser als die bisherige Regierung". Mit der Angelobung ist nach zwei turbulenten Wochen wieder etwas Ruhe eingekehrt. Oder in den Worten Van der Bellens: "Das mach ma schon."