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Straches Wankelmut

Von Werner Reisinger

Politik

Der Ex-FPÖ-Chef überlegt noch, ob er nach Brüssel gehen soll. Nimmt er das EU-Mandat an, dann nur als "einfaches Parteimitglied", sagt er. Es ist nicht das einzige Problemfeld der FPÖ.


Wien. Wie soll es weitergehen in der FPÖ? Welche Rolle wird Ex-Innenminister Herbert Kickl, welche der designierte neue Parteichef Norbert Hofer spielen? Was wird auch aus Heinz-Christian Strache? Bei den Blauen ist derzeit einiges im Fluss. Ein dringliches Problem ist sicherlich die Zukunft von Ex-Parteichef Strache. Der hatte ja angekündigt, sein über 44.750 Vorzugsstimmen errungenes EU-Direktmandat annehmen zu wollen, um gleich darauf zurückzurudern.

Am Montag war plötzlich seitens der starken oberösterreichischen Landespartei die Rede von einem möglichen Parteiausschluss Straches, wenn dieser sein Mandat annehmen sollte. Auch hier folgte auf den Fuß ein Dementi, es sei natürlich Straches freie Entscheidung. Und so könnte der nach den Enthüllungen des Ibiza-Videos gescheiterte Ex-FPÖ-Chef und -Vizekanzler quasi als ein von der ersten Stunde weg "wilder Abgeordneter" in Brüssel und Straßburg einziehen. Damit wäre die ehemalige Regierungspartei eines ihrer Probleme rasch wieder los. Die eigentlichen Schwierigkeiten aber kommen erst: der anstehende Wahlkampf und etwaige Koalitionsverhandlungen im Herbst - und die Frage nach der personellen Zukunft in der Partei.

Denn trotz einer offenbar guten Ausgangsbasis für die Neuwahlen im September, angezeigt durch den nur geringen Stimmenverlust bei der Europawahl am 26. Mai, gibt es zweifelsohne durch Straches Abgang von der Parteispitze neue, interne Zentrifugalkräfte. Ihm sei der Ton wichtig, gegenseitiges "Anpatzen" möge er nicht, sagte Norbert Hofer in gewohnt konziliantem Tonfall während der ersten Pressekonferenz nach Bekanntwerden des Ibiza-Videos. Er wolle die Gesprächsbasis nach allen Seiten hin wahren. Ganz im Gegensatz dazu poltert Herbert Kickl dieser Tage bei jeder Gelegenheit gegen den ehemals fast schon brüderlich umschmeichelten Koalitionspartner ÖVP unter Ex-Kanzler Sebastian Kurz.

Welche Macht hat Kickl?

Die ÖVP habe nur das Ziel gehabt, ihn als Innenminister loszuwerden, um ihr "schwarzes Netzwerk" im Innenministerium vor ihm zu schützen, sagt Kickl, der gar die Urheber des Ibiza-Videos in den Reihen der ÖVP und ihrer Berater vermutet.

Schwer vorstellbar, dass die FPÖ unter einem derart auftretenden Klubchef Kickl nochmals mit einem etwaigen Wahlsieger Sebastian Kurz überhaupt in Koalitionsverhandlungen eintritt. Undenkbar ist es allerdings keineswegs, sagt auch der Politologe Anton Pelinka. "Für den Wahlkampf kann man diese unterschiedlichen Positionierungen wohl unter Kontrolle halten, sie sprechen ja auch unterschiedliche Wählersegmente an." Im Falle von Regierungsverhandlungen sei dies aber schwierig, sagt der Politikwissenschafter. "Sowohl für die Sozialdemokraten als auch für die ÖVP wäre ein Minister Kickl nicht akzeptabel." Pelinka sieht die Gefahr, dass die Situation für die FPÖ in möglichen Regierungsverhandlungen aufgrund des hohen parteiinternen Stellenwerts Kickls außer Kontrolle geraten könnte. "Außer aber, Kickl ist so diszipliniert, dass er sich mit der Rolle eines Klubobmanns auch im Falle einer erneuten FPÖ-Regierungsbeteiligung zufriedengibt." Das sei aber zum jetzigen Zeitpunkt freilich schwer einzuschätzen.

Sollte Kickl darauf bestehen, Teil einer Regierung zu sein, würde dies zu Problemen führen.

Ein - möglicher lachender - Dritter wird wohl abwarten, wie sich die Situation zwischen Hofer und Kickl und etwaige Verhandlungen im Herbst nach den Wahlen entwickeln: Dem oberösterreichischen FPÖ-Chef und Vize-Landeshauptmann Manfred Haimbuchner wird schon länger ein Spannungs- und Konkurrenzverhältnis zu Strache nachgesagt.

"Falls die Wahl für die FPÖ deutlich schlechter ausgeht als erwartet, könnte er ein möglicher neuer Parteichef sein. Sollte die Wahl gut ausgehen für die FPÖ und der FPÖ erneut eine Koalition angeboten werden, wäre er wohl kaum zu umgehen bei der Regierungsbildung und wäre ein möglicher Minister. "Haimbuchner kann sich Zeit lassen. Ob das seinem Temperament entspricht, weiß ich nicht", sagt Pelinka.

Denn Norbert Hofer muss seinen bemüht-konzilianten Ton weiter pflegen, will er seine Chancen bei einem etwaigen erneuten Antreten als FPÖ-Bundespräsidentschaftskandidat wahren. Herbert Kickl aber hat nun einen Wahlkampf zu führen.