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Das zweite Ende des Rauchens

Von Simon Rosner

Politik

Alle Parteien außer der FPÖ wollen das Rauchverbot von 2015 wieder in Kraft setzen. Wie mit dem daraus resultierenden Lärmproblem in Städten umgegangen werden soll, ist unklar.


Wien. Hin, her, hin her. In Sachen Rauchverbot in der Gastronomie hat sich der Nationalrat in jüngster Zeit recht volatil gezeigt. Ein 2008 beschlossener Kompromiss mit Rauchbereichen in Lokalen wurde 2015 in ein generelles Verbot umgewandelt, dieses dann aber kurz vor Inkrafttreten von Türkis-Blau gekippt. Nun scheint alles auf die Wiedereinsetzung der Regelung von 2015 hinzudeuten.

SPÖ, Neos und Jetzt haben einen Drei-Parteien-Antrag eingebracht, den die ÖVP nach intensiven Verhandlungen mittragen wird. Es handelt sich um einen sogenannten Fristsetzungsantrag, der dem Nationalrat auferlegt, bis Juli über diese Frage zu beraten. Man kann in diesem Fall aber davon ausgehen, dass diese drei Parteien auch einen entsprechenden Beschluss für ein komplettes Rauchverbot in Lokalen treffen werden.

Am Ende wurde nur mehr darüber gestritten, wann dieses in Kraft treten soll. Die SPÖ forderte den 1. September, die ÖVP den 1. Jänner 2020, getroffen hat man sich in der Mitte: Es wird der 1. November. Das Paket, das 2015 von Rot und Schwarz einst geschnürt worden war, wird dabei nicht mehr aufgemacht. "Wir sind da pragmatisch", sagt der Gesundheitssprecher der Neos, Gerald Loacker.

Die Pinken hatten einst das Gesetz, das eines der strengsten in Europa ist, als überbordend kritisiert. Unter anderem, da es auch Vereinslokale betrifft sowie inhabergeführten Lokalen ohne Beschäftigte ebenfalls ein Rauchverbot auferlegt. Das war den Neos damals zu weit gegangen. Auch heute noch. Aber: "Wenn wir das aufgeschnürt hätten, wäre jeder mit Sonderwünschen gekommen, und wir würden 2024 noch da sitzen."

Zur Erinnerung: Das Verbot von 2015 ist sehr weitführend, nämlich ein Totalverbot, das durch die Ausweitung des Anwendungsbereichs auf Vereinslokale und Zeltfeste jegliche Umgehungsmöglichkeiten unterbunden hatte. Die dreijährige Übergangsfrist sollte den Gastronomen ausreichend Zeit geben, sich auf das Verbot einzustellen. Es kam bekanntlich anders durch Türkis-Blau - und kommt nun erneut anders durch ein freies Spiel der Kräfte im Parlament. Diesmal aber fast ohne Übergangsfrist.

Konflikt mit Anrainern

Die Wirtschaftskammer hatte bereits gefordert, Wirte zu entschädigen, die zwischen 2018, als das Verbot gekippt wurde, und heute Investitionen getätigt haben. Die Kammer verweist hier auch auf den Vertrauensschutz. Dieses Prinzip besagt, dass sich Bürger in gewisser Weise auf die Beständigkeit von Rechtsnormen verlassen können müssen. Das ist bei dem Hin und Her der vergangenen Jahre eher nicht der Fall.

Bernd-Christian Funk sieht dieses Prinzip aber beim Nichtraucherschutz nicht berührt. "Wir haben kein System für Staatshaftungen. Ich sehe juristisch keinen Grund für Entschädigungen", sagt der Verfassungsrechtler.

Die Wirtschaftskammer kritisiert, dass es künftig gar keine Ausnahmen geben soll. "Das zieht einen Rattenschwanz nach sich", sagt Peter Dobcak, der stellvertretende Spartenobmann für die Gastronomie in Wien. Vor allem in den Städten birgt die Regelung Konfliktpotenzial. Da Raucher mit 1. November nicht automatisch zu Nichtrauchern werden, müssen sie zum Rauchen vor die Türe gehen. Und das erzeugt Lärm.

Aus Bayern mit seinem rigiden Verbot weiß man, dass es insgesamt nicht zu Massenschließungen gekommen ist. "Die Großdiskobetreiber haben sich aber völlig zurückgezogen", sagt Dobcak. "Und diese Sorge haben wir auch bei Bars und Studentenlokalen. Der Lärm wird groß sein." In Österreich wird dem Ruhebedürfnis generell ein großer Stellenwert eingeräumt, die Polizei ist verpflichtet, jeder einzelnen Meldung wegen Lärmbelästigung nachzugehen. Schon jetzt, heißt es aus der Polizei, sei "der Einsatzgrund ,Lärm‘ ein sehr häufiger im Alltag der Wiener Polizei." Was bedeutet das nun für November?

Was passiert mit Shisha-Bars?

Kommt es zu mehreren Beschwerden, kann die Behörde die Sperrzeit vorverlegen. "Wenn diese Lokale dann schon um Mitternacht sperren müssen, ist es vorbei", so Dobcak. Er sieht auch ein Problem für kleine Wiener Beisln, die sogenannten "Espresso", die oft lange offen haben dürfen. "Das sind oft soziale Treffpunkte für Leute, die sonst oft allein daheim sitzen. Wenn die dann gar nicht mehr kommen, trägt das zur Vereinsamung bei."

Wirklich existenzbedrohend dürfte das Totalverbot für Shisha-Bars sein. In Wien gibt es rund 200, in Österreich 500. "Da geht es auch um tausende Arbeitsplätze. Die wären von einem auf den anderen Tag weg", sagt Dobcak. Er will, ähnlich wie in Berlin, dass Shisha-Bars eine Ausnahme erhalten, um fortbestehen zu können.

Im Juli wird sich weisen, ob das Verbot nun tatsächlich so kommt wie 2015. Oder vielleicht doch Adaptierungen und Ergänzungen getroffen werden. Dann wird man wohl auch schon wissen, wie der Verfassungsgerichtshof in Sachen Nichtraucherschutz entschieden hat. Die türkis-blaue Regelung steht beim Höchstgericht derzeit auf dem Prüfstand. Und dann ist die Frage, wie es nach der Wahl weitergeht. Die FPÖ beharrt weiterhin auf der Wahlfreiheit. Sie könnte es also erneut zur Koalitionsbedingung machen: Her, hin, her, hin, her.