Zum Hauptinhalt springen

Die Mär vom Nur-Verwalten

Von Karl Ettinger

Politik

Die Übergangsregierung setzt deutliche politisch Akzente. Das reicht vom Bundesheer über den neuen EU-Kommissar bis zu brisanten Aussagen von Vizekanzler Jabloner gegen ÖVP-Pläne.


Wien. Verteidigungsminister Thomas Starlinger wird es in Kenntnis der Situation beim Bundesheer geahnt haben. Aber der Widerstand, mit dem er am Aus für die Heeressicherheitsschule in Wiener Neustadt gescheitert ist, hat ihn sichtlich doch überrascht. Am vergangenen Freitag wurde er von den Wehrsprechern der Parlamentsparteien (ausgenommen von der Liste Jetzt) zur Weiterführung der Militärschule gezwungen. Wenige Tage zuvor hatte er bei der Vorstellung der Übergangsregierung von Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein im Nationalrat das Ende noch mit dem ausdrücklichen Hinweis verteidigt, dass für alle gut 50 Schüler Ersatzschulplätze vorhanden seien.

Diese Kehrtwende war eine hochpolitische Entscheidung. In diese haben sich, wie in Österreich in Heeresangelegenheiten etwa bei der Militärmusik üblich, Regional- und Landespolitiker vom Schlage des Wiener Neustädter Bürgermeisters Klaus Schneeberger kräftig eingemengt. Der betont machtbewusste altgediente ÖVP-Politiker ist auch Klubobmann der Volkspartei im niederösterreichischen Landtag. Starlinger ist eingeknickt, jetzt muss die die neue Regierung schauen, wo sie die dafür berechneten 50 Millionen Euro für die Heeresschule im Budget auftreibt.

Starlinger kündigt Kürzung bei Auslandseinsätzen an

Am Wochenende hat der Verteidigungsminister dann die Äußerungen von Bundespräsident Alexander Van der Bellen abwärts, für die Expertenregierung gehe es vor allem um ordentliche Verwaltung, endgültig als Mär entlarvt. Am Tag der Miliz am Samstag in St. Pölten hat er unmissverständlich mehr Geld für das Bundesheer gefordert, weil das Heer mittlerweile budgetär schon so schlecht aufgestellt sei, dass es seine Aufgaben gar nicht mehr erfüllen könne. Der ehemalige Adjutant des Bundespräsidenten folgt damit nur dessen Warnungen. Van der Bellen hat als Oberbefehlshaber des Bundesheeres auch schon aufhorchen lassen, das Heer könne seinem verfassungsmäßigen Auftrag nicht mehr nachkommen. Starlinger hat sich in die Debatte ums Verteidigungsbudget keineswegs nur als Verwalter eingemischt.

Er hat am Montag vor dem EU-Verteidigungsministerrat in Luxemburg noch eins draufgesetzt und einen teilweisen Rückzug des Bundesheeres aus derzeitigen Auslandsmissionen angekündigt.

Bundeskanzlerin Bierlein hat zwar zuletzt versichert, Personalentscheidungen möglichst der künftigen Bundesregierung überlassen zu wollen. Um eine politisch für Österreich enorm wichtige Entscheidung kommt Bierlein allerdings nicht herum. Es geht um die Besetzung des künftigen österreichischen EU-Kommissars in Brüssel und damit das Mitreden auf europäischer Ebene. Bierlein wird dazu auf EU-Ebene Farbe bekennen müssen und wünscht sich eine möglichst große Einigkeit in Österreich. Inzwischen hat ihr ÖVP-Obmann Sebastian Kurz ausgerichtet, dass er sich von der Regierungschefin ein Eintreten in Brüssel für den von der ÖVP favorisierten Kandidaten Manfred Weber als EU-Kommissionschef erwarte. Nur Verwalten auf EU-Ebene sieht anders aus.

Juristisches Geschütz gegen Verfassungsvorhaben der ÖVP

Vizekanzler und Justizminister Clemens Jabloner, allseits geschätzter Topjurist, hat in anderem Zusammenhang politisch ein kräftiges Schäuferl nachgelegt. Im Interview mit der "Presse" vom Montag ließ Jabloner mit der Aussage aufhorchen, für die von der ÖVP vehement geforderte Verfassungsbestimmung gegen Wahlzuckerl vor einer Wahl, wäre seiner Meinung nach sogar eine Volksabstimmung notwendig, weil es sich dabei um eine Gesamtänderung der Verfassung handle. So juristisch deutlich hat bisher noch niemand die entsprechenden Pläne als "Widerspruch zum demokratischen Grundprinzip" der Republik abgeschmettert, wie der langjährige frühere Präsident des Verwaltungsgerichtshofs.

Die von ÖVP und FPÖ weit voran getriebenen Pläne für eine Verschärfung des Strafrechts hat Jabloner mit Ausnahme des verstärkten Opferschutzes de facto als unüberlegt qualifiziert. Man solle die Evaluierung der Strafrechtsnovelle 2015 abwarten, bevor man neue Schritte setze, meinte der Justizminister der Übergangsregierung. Es wäre ihm persönlich lieber, wenn die höheren Strafen nicht kämen, von der Bundesregierung werde es keine Initiative dazu geben. Wenn ÖVP und FPÖ das Vorhaben mit ihrer Mehrheit im Hohen Haus vor der Wahl doch noch durchpeitschen, sind ihm als Regierungsmitglied die Hände gebunden.

Die Übergangsregierung ist beim Klimaschutz gefordert

Neben den hochbrisanten Absagen an Vorhaben der ÖVP sowie der gestürzten türkis-blauen Bundesregierung ist das Expertenkabinett in einem Bereich besonders gefordert: beim Klimaschutz. Verkehrsminister Andreas Reichhardt will sich zwar nicht einmischen, tut das aber gerade dadurch. Der von Ex-Verkehrsminister Norbert Hofer gestartete Testversuch mit 140 km/h auf Autobahnen läuft nämlich weiter - was dem Klimaschutz nicht dient.

Im Innenministerium ist mit Wolfgang Peschorn bereits der zweite Experte nach Ex-Höchstgerichtschef Eckart Ratz im Amt. Dieser hat ebenfalls eine politisch brisante Entscheidung getroffen. Die vom abberufenen FPÖ-Innenminister Herbert Kickl kurzfristig erlassene Verordnung, wonach Asylwerber für gemeinnützige Tätigkeiten lediglich 1,50 Euro statt drei bis fünf Euro pro Stunde erhalten sollen, wurde von Ratz aufgehoben. Peschorn denkt offenbar nicht daran, neuerlich in die umstrittene Frage des Entgelts für Asylwerber einzugreifen.

Gleiches gilt für die amtierende Sozialministerin Brigitte Zarfl. Ihr nur wenige Tage im Amt befindlicher Vorgänger und Sozialexperte Walter Pöltner hat drei von Experten als reine Willkür eingestufte Blockaden im Auftrag von Ex-Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) aufgelöst. Damit gibt es grünes Licht für gut 150 Millionen Euro in der Sozialversicherung. Ein klares politisches Zeichen, gestützt auf die Ansicht von Fachleuten. Das ist immerhin der dreifache Betrag, der nun für die Heeressicherheitsschule aufgetrieben werden muss.