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Identitäre fliegen aus ihrem Hauptquartier

Von Jan Michael Marchart

Politik

Das Mietverhältnis der Rechtsextremen mit einem Grazer FPÖ-Gemeinderat ist Ende Juni passé.


Graz. Auch zweieinhalb Monate später sind die Identitären noch formal in der Wohnung des Grazer FPÖ-Gemeinderats Heinrich Sickl eingemietet - es ist die Adresse ihres Hauptquartiers, dem sogenannten "Hackher-Zentrum". Damals wurden die Freiheitlichen von ihrem Ex-Koalitionspartner aufgefordert, Verstrickungen mit dem rechtsextremen Kader aufzulösen. Davor wurde bekannt, dass der Christchurch-Attentäter an die Identitären Geld spendete.

Sowohl im Vereinsauszug als auch in ihrem Webseiten-Impressum geben die Identitären nach wie vor die gleiche Adresse in Graz an. Der dortige FPÖ-Vizebürgermeister Mario Eustacchio, der im November 2016 selbst an einer Demonstration der Identitären teilnahm, forderte seinen Kollegen Sickl am 8. April 2019 auf, den Mietvertrag mit den Rechtsextremen "zum nächstmöglichen Zeitpunkt" aufzulösen.

Tatsächlich sollen die Identitären mit Ende des Monats ihr Hauptquartier räumen müssen. Laut einem Sprecher des Grazer FPÖ-Gemeinderatsklubs stehe das Ende des Mietverhältnisses unmittelbar bevor. "Die Identitären sind mit 1. Juli draußen." Zuvor hat sich der Sprecher mit Sickl, der sich auch für die Identitären engagierte, abgesprochen. Die Wohnung sei bereits an eine Familie vermietet worden, "die damit nichts zu tun hat". Dass die Identären nicht eher vor die Türe gesetzt wurden, habe mit Kündigungsfristen zu tun.

Die vage Distanz der FPÖ

Bevor die Ibiza-Affäre die türkis-blaue Regierung implodieren ließ, plagten sie wochenlang die Verstrickungen der FPÖ mit den Identitären. Eine Spende des Christchurch-Attentäters an den rechtsextremen Kader rief die Staatsanwaltschaft Graz auf den Plan. Diese ermittelt gegen Identitären-Obmann Martin Sellner sowie gegen dessen Lebensgefährtin wegen des Verdachts der Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung. Die Spende von 1500 Euro erfolgte am 5. Jänner 2018, also bevor der Attentäter am 15. März 2019 in Neuseeland 50 Menschen ermordete. Zwischen dem Attentäter und Sellner bestand E-Mail-Kontakt.

Altkanzler Sebastian Kurz forderte von seinem damaligen Koalitionspartner FPÖ ein, sich von den Identitären zu distanzieren, die er als "widerlich" bezeichnete. Das ist für die Freiheitlichen nicht leicht. Diese Verstrickungen waren über Jahre gewachsen.

Hiesige FPÖ-Politiker wie Ex-Innenminister Herbert Kickl traten etwa beim rechtsextremen Kongress "Verteidiger Europas" auf. Dort waren Identitäre zugange. Kickl hielt 2016 die Eröffnungsrede des Kongresses in den Linzer Redoutensälen. Der ehemalige FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache lobte 2016 den "friedlichen Aktionismus" der, wie er sie nannte, Aktivisten einer "nicht-linken Zivilgesellschaft", obwohl der Verfassungsschutzbericht unter den Identitären schon 2014 amtsbekannte Neonazis ortete.

Der Druck in der Koalition auf die FPÖ führte aber dazu, dass diese nach und nach die Flucht nach vorne antrat und ankündigte, nachweisbare Verstrickungen mit den Identitären wie etwa Mietverträge oder Beteiligungen am Magazin "Info-Direkt", das sich am rechten Rand befindet und eine Nähe zu den Rechtsextremen aufweist, aufzulösen.

Zum Teil passierte das auch. Anfang April 2019 wurden die Identitären auch aus ihrem zweiten Standort geworfen. Das Mietverhältnis für ihr "Khevenhüller-Zentrum" in der Villa Hagen in Linz wurde zumindest laut Angaben eines FPÖ-nahen Studentenvereins beendet. In der Villa untergebracht ist auch die deutschnational-völkische Burschenschaft Arminia Czernowitz, der neben dem Linzer Vizebürgermeister Markus Hein und dem Linzer Stadtrat Michael Raml mehrere FPÖ-Gemeinderäte angehören. Die FPÖ beteuerte stets, von ihrem Untermieter, den Identitären, nichts gewusst zu haben. Das ist überraschend, da die Rechtsextremen dort seit September 2016 eingemietet waren. Recherchen der "Wiener Zeitung" zeigen darüber hinaus, dass die Arminen spätestens seit 2012 auf ihrer Homepage und auf Facebook für die Identitären offensiv eintraten. Ende April lösten zwei Mitarbeiter der FPÖ in Oberösterreich, einer arbeitete in der Landespartei, der andere im Büro des Linzer Vizebürgermeisters Hein, ihre Anteile am Magazin "Info-Direkt" auf. Heins Mitarbeiter ist wie dieser Burschenschafter der Arminia Czernowitz. Alleiniger Gesellschafter von "Info-Direkt" bleibt vorerst Michael Siegfried Scharfmüller, der sich einst für den neonazistischen Bund Freier Jugend (BfJ) engagierte.

Im Grazer Hauptquartier der Identitären taucht auch die Plattform "Gedenken 1683" des Identitären-Vorstands Philipp Huemer auf. Über diese wird jährlich ein Gedenkzug auf dem Kahlenberg zur Erinnerung an die Zweite Wiener Türkenbelagerung geplant. "Wer auch immer dort seine Adresse hat, das ist mit 1. Juli alles weg", so die FPÖ Graz. •