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Mehr Sicherheit - oder Überwachungsstaat?

Von Petra Tempfer

Politik

Das 2018 von der türkis-blauen Koalition beschlossene Sicherheitspaket wird heute vor dem VfGH öffentlich verhandelt.


Wien. Die Opposition hatte es von vornherein Überwachungspaket genannt - heute, Dienstag, ist das 2018 von der türkis-blauen Koalition beschlossene Sicherheitspaket Gegenstand einer öffentlichen Verhandlung des Verfassungsgerichtshofes (VfGH). Basis ist ein von 61 SPÖ- und Neos-Nationalratsabgeordneten eingebrachter Drittelantrag. SPÖ und Neos versuchen, einige der neuen Überwachungsmöglichkeiten für die Polizei - zum Beispiel Bundestrojaner oder anlasslose automatisierte Erfassung von Kfz-Kennzeichen - zu Fall zu bringen. Sie sehen mehrere Grundrechte verletzt, vor allem das Recht auf Datenschutz und das Recht auf Achtung des Privatlebens. Ursprünglich hatte die SPÖ einen zweiten Antrag eingebracht. Diesen Antrag von 21 SPÖ-Bundesräten hat der VfGH jedoch aus Formalgründen zurückgewiesen.

Den Vorsitz in der öffentlichen Verhandlung führt Vizepräsident Christoph Grabenwarter. Er leitet den VfGH interimistisch, weil die ehemalige Präsidentin Brigitte Bierlein nun Bundeskanzlerin der Übergangsregierung ist und deshalb vorzeitig aus dem Gerichtshof ausgeschieden ist.

Fahrer über Straßenvideos identifiziert

Thematisch gehe es beim Sicherheitspaket um zwei große Blöcke, heißt es auf Nachfrage der "Wiener Zeitung" vom VfGH. Der eine Block sei die Videoüberwachung speziell im Straßenverkehr, der andere das Thema Bundestrojaner, also der Einsatz staatlicher Spionagesoftware. Zur Videoüberwachung: 2018 habe man im Sicherheitspolizeigesetz Bestimmungen geschaffen, die eine solche Überwachung ermöglichen, so der VfGH. Gleichzeitig habe man die Straßenverkehrsordnung dahingehend geändert, dass die Sicherheitsbehörden auf die vorhandenen Verkehrsbilddaten (Section-Control-Daten) zugreifen können. "Also Daten, mit denen Fahrzeuge und Fahrzeuglenker identifiziert werden können - für Zwecke der Fahndung, aber auch zur Abwehr und Aufklärung gefährlicher Angriffe sowie zur Abwehr krimineller Verbindungen", präzisiert der VfGH.

Genau das sei jedoch der Punkt bei der Anfechtung. "Das Bedenken ist, dass diese Datenverarbeitung durch die Sicherheitsbehörden gegen das Grundrecht auf Datenschutz verstößt", so der VfGH. Dieses Grundrecht stehe zwar unter einem Gesetzesvorbehalt - wie zum Beispiel auch das Recht auf Privatleben -, was bedeutet, dass es nicht absolut gewährleistet ist. Es kann beschränkt werden, wenn es entsprechend gewichtige öffentliche Interessen gibt.

Der Vorwurf der Antragsteller sei aber, dass die öffentlichen Interessen in diesem Fall nicht gewichtig genug sind, heißt es vom VfGH. Gestützt werde dieser Antrag auf die Entscheidung des VfGH zur Vorratsdatenspeicherung aus dem Jahr 2014. In dieser wurde ausdrücklich festgehalten, dass eine flächendeckende Erfassung und Speicherung von Daten einzig und allein aus dem Grund, weil man sie irgendwann brauchen könnte, um Straftaten aufzuklären oder zu verhindern, unverhältnismäßig und daher verfassungswidrig ist. Die Balance zwischen dem Schutz der öffentlichen Sicherheit einerseits und dem Schutz der Freiheiten des Einzelnen andererseits sei nicht gewahrt, so der VfGH in seiner Entscheidung zur Vorratsdatenspeicherung 2014.

Was das Thema Bundestrojaner betrifft, so sind seit 2018 durch eine Novelle zur Strafprozessordnung die Sicherheitsbehörden ermächtigt, verschlüsselte Nachrichten zu überwachen. Zu diesem Zweck können sie bestimmte Programme, also Software, installieren, um die Nachrichten auszuspähen. Wer konkret überwacht werden darf, ist in diesem Fall laut VfGH etwas detaillierter geregelt. Eine Überwachung ist etwa dann zulässig, wenn der Betroffene dringend verdächtig ist, eine andere Person entführt oder ein schweres Verbrechen begangen zu haben.

Das Bedenken sei, dass diese Ermittlungsmaßnahmen unverhältnismäßig ausgestaltet seien, so der VfGH. Denn: "Sie implizieren einen schwerwiegenden Eingriff in das Recht auf Datenschutz und Privatleben." Die Frage sei nun, ob die öffentlichen Interessen so schwerwiegend sind, dass sie diesen Eingriff rechtfertigen.

Verschärft werde die Bestimmung zum Bundestrojaner zudem durch den Passus, dass die Sicherheitsbehörden ermächtigt sind, sich gewaltsam Zutritt zum Computer zu verschaffen, um die Software zu installieren. In der Praxis bedeutet das, dass sie in die Wohnung gehen oder Sicherheitsvorkehrungen wie Alarmanlagen außer Betrieb setzen dürfen - ohne Hausdurchsuchungsbefehl.

VfGH-Entscheidung ist für heute nicht zu erwarten

Ein brisantes Detail, denn eigentlich ist das Hausrecht in Österreich verfassungsgesetzlich geschützt. Das Hausrechtsgesetz aus dem Jahr 1862 schreibt vor, dass eine Hausdurchsuchung nur aufgrund eines richterlichen Befehls erfolgen darf, der den Betroffenen innerhalb von 24 Stunden zuzustellen ist, so der VfGH.

Eine Entscheidung zum Sicherheitspaket sei für heute nicht zu erwarten. Der Fall sei kompliziert. Im Zuge der öffentlichen Verhandlung will sich der Gerichtshof erst einmal über die technischen Gegebenheiten und Möglichkeiten informieren, sie verstehen, "weil diese für die Beurteilung der verfassungsrechtlichen Bestimmungen doch eine Rolle spielen können", heißt es. Man werde einen Fragenkatalog mit technischen und juristischen Fragen abarbeiten. Die Abgeordneten, durch Rechtsanwälte vertreten, sowie Vertreter des Verfassungsdienstes, des Justiz- und des Innenministeriums werden dazu Stellung nehmen. Die dreiwöchige Juni-Session des VfGH, die am 11. Juni begonnen hat, geht diese Woche zu Ende.

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