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Hat eine Kerosinsteuer in Europa Sinn?

Von Martina Madner

Politik

In sechs Ländern Europas gibt es Flugticketabgaben. Mit der neuen in Frankreich ist die Diskussion um eine EU-weite Kerosinsteuer neu entbrannt.


Wien. Frankreich will ab 2020 eine Steuer auf Flugtickets einführen. Bei Flügen, die aus dem Land abheben, sind pro Ticket je nach Klasse und Flugziel zwischen 1,50 Euro und 18 Euro Steuer geplant. Insgesamt soll die Abgabe von rund 180 Millionen Euro an Einnahmen jährlich bringen.

Österreich hat zwar bereits eine Flugabgabe, diese wurde von der ÖVP-FPÖ-Regierung jedoch halbiert. Mit dem französischen Vorpreschen entbrannte nun aber sowohl in der heimischen Politik als auch international eine erneute Diskussion über Steuern auf das umweltschädliche Verkehrsmittel Flugzeug – eine Analyse, was wie Sinn machen könnte.

Fliegen verursacht am meisten Treibhausgase

In Österreich sind laut aktuellen Daten von Umweltbundesamt und dem Verkehrsclub Österreich (VCÖ) die Bereiche Energie und Industrie Hauptverursacher für Treibhausgase – und zwar für 37 von insgesamt 82,3 Millionen Tonnen. Gleich dahinter aber landet der Verkehr mit 23,7 Millionen Tonnen, gefolgt von Gebäuden, Land- und Abfallwirtschaft sowie fluorierten Gasen.

© WZ Online/Tulek

In der nationalen Klimabilanz sind allerdings nur die 0,1 Millionen Tonnen aus Inlandsflügen enthalten. VCÖ-Sprecher Christian Gratzer ergänzt deshalb, dass der Flugverkehr in Österreich insgesamt für rund 2,6 Millionen Tonnen CO2 verantwortlich ist.

EU-weit sind die CO2-Emissionen aus dem Flugverkehr laut "Transport & Environment", dem EU-Dachverband von Umweltschutz-NGOs, innerhalb von fünf Jahren um 26,3 Prozent auf 67,5 Million Tonnen 2018 angewachsen.

Nicht nur das: Jeder bei Inlandsflügen zurückgelegte Kilometer sorgt pro Person für 719,5 Gramm an Treibhausgasemissionen. Bei internationalen Flügen sind es 414,9, im Auto durchschnittlich 216,5, in der Bahn aber nur 14,4 Gramm CO2. Jemand, der fliegt, ist also bis zu 50 Mal mehr Klimasünder als jemand, der mit der Bahn fährt. "Deshalb ist es absurd, dass man gerade Flugunternehmen steuerlich begünstigt", sagt Gratzer.

Ticketabgaben sorgen nur für einen kleinen Ausgleich: Österreichs 2011 eingeführte Flugticketsteuer beträgt seit der Halbierung am 1. Jänner 2018 pro Kurzstrecken-Ticket 3,50 Euro, auf der Mittelstrecke 7,50 Euro und für Langstreckenflüge 17,50 Euro. Damit sind auch die Einnahmen aus der Steuer geschrumpft: 2017 brachte die Flugabgabe laut Statistik Austria noch 115 Millionen Euro, im vergangen Jahr aber nur mehr 71 Millionen Euro.

Eine Flugticketabgabe wie in Österreich und künftig auch in Frankreich gibt es laut "Transport & Environment" derzeit in weiteren vier EU-Staaten: Deutschland, Großbritannien, Italien und Schweden. Sie ist allerdings unterschiedlich hoch: In Deutschland muss man für Langstrecken zum Beispiel 41,49 Euro Ticketabgabe bezahlen. Das brachte dem deutschen Finanzminister 1,9 Milliarden Euro an Einnahmen. Großbritannien hat ein Modell, wo die Abgabe bei rund 3200 Kilometern auch 170 Euro ausmachen kann. Das lohnt sich mit jährlich rund 3,3 Milliarden Euro.

Kerosinsteuer bringt mehr als Flugticketabgaben

Anders als auf Mineralöl, wo aktuell in Österreich 48 Cent Steuer fällig sind, gibt es wegen eines Abkommens von 1944 keine Steuern auf Flugzeugtreibstoff, um das damals noch junge, moderne Verkehrsmittel zu fördern. Eine Kerosinsteuer, die beim Tanken ansetzt, würde für Kostenwahrheit nach CO2-Verbrauch sorgen. Ein Vorteil wäre auch, dass der Flugfrachtverkehr umfasst wäre. Nachteil ist aber, dass die Flieger auch einfach in steuerfreien Ländern betankt werden könnten, weshalb man schon lange nach einer europäischen Lösung sucht.

Geld würde sie jedenfalls mehr bringen als Flugticketabgaben: Dem VCÖ liegt eine noch unveröffentlichte Studie im Auftrag der EU-Kommission vor. Demnach bringen 33 Cent pro Liter Kerosinsteuer EU-weit insgesamt rund 27 Milliarden Euro jährlich – Österreichs Anteil läge bei 300 Millionen Euro.

Warum bleibt es dann bei Flugticketabgaben? Weil sich die Staaten auf EU-Ebene nicht auf eine Kerosinsteuer verständigen können, so wie auch beim EU-Rat der Verkehrsminister Anfang Juni. Die Diskussion im Sinne des Klimaschutzes wurde zwar begrüßt. Der Tenor lautete aber, dass man eine Kerosinsteuer global diskutieren müsse, um die Wettbewerbsfähigkeit der EU-Länder nicht zu gefährden.

ÖVP und FPÖ sind skeptisch, SPÖ, Neos, Jetzt und Grüne wollen mehr

Aber nicht nur auf europäischer Ebene die Mitgliedstaaten, schon im kleinen Österreich sind sich die Parteien beim Thema nicht eins. Anlässlich des französischen Vorschlags gaben die wahlwerbenden Parteien auf Apa-Nachfrage beziehungsweise per Aussendung bekannt, was sie jeweils von einer neuen Art der Besteuerung im Flugverkehr halten.

Die ÖVP warnt beim Thema Kerosinsteuer vor einem nationalen Alleingang Österreichs. "Wir wollen eine verursachergerechte Besteuerung von Kraftstoffen im Flugverkehr und in der Schifffahrt", heißt es in einer Aussendung. Dafür sei aber "international akkordiertes Handeln" nötig - zumindest auf europäischer Ebene. Ein Land alleine könne hier wenig ausrichten und würde durch einseitiges Agieren sogar riskieren, dass der eigene Wirtschaftsstandort im internationalen Wettbewerb leidet, ohne dass CO2-Emissionen insgesamt reduziert würden.

Anders die SPÖ, deren Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner tritt für eine EU-weite Kerosinabgabe ein. Neben der Industrie sei der Verkehr einer der größten CO2-Verursacher. Das Absurde sei, dass die größten Luftverschmutzer - Flug- und Schiffsverkehr - von Umsatz- und Mineralölsteuer befreit seien. Dies sei ökologisch schädlich und sozial ungerecht. "Dieses Privileg gehört abgeschafft", sagt Rendi-Wagner. In den am Parteitag beschlossenen Leitlinien für den Wahlkampf ist außerdem von einer Ökologisierung des Steuersystems und einer europaweiten CO2-Steuer die Rede.

Für "fantasielos" hält die Kerosinsteuer wiederum FPÖ-Chef Norbert Hofer. Man könne nicht sofort nach Steuererhöhungen rufen. Bei einer Einführung einer Kerosinsteuer würden europäische Luftfahrtunternehmen im Vergleich zum Nahen Osten oder Asien an Wettbewerbsfähigkeit verlieren.

Für die Neos ist eine "kleine Ökosteuer auf Flüge aber zu wenig", heißt es aus der Parteizentrale. Damit könne das Klima und die Umwelt nicht gerettet werden. Die Neos fordern eine EU-weit einheitliche, aufkommensneutrale CO2-Steuer. Verursacher von Klimaschäden müssten stärker in die Pflicht genommen werden, während jene, die umweltfreundlich produzieren, entlastet werden sollten.

Der Umweltsprecher von Jetzt, Bruno Rossmann, tritt dafür ein, dass Kerosin wie jeder andere Treibstoff besteuert werde. Die steuerliche Subventionierung des Flugverkehrs müsse so rasch wie möglich auf EU-Ebene beendet werden. Außerdem brauche es eine CO2-Steuer im Rahmen einer aufkommensneutralen ökosozialen Steuerreform.

Der Parteichef der Grünen, Werner Kogler, plädiert ebenfalls für eine Kerosin-Steuer. Allerdings müsse sie aufkommensneutral sein, indem dann Lohn- und Einkommenssteuer entlastet würden. Für Flugpreis selbst erwartet Kogler keine allzu hohen Kostensteigerung, "die Auswirkungen auf die Ticketpreise wären gering".