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Identitäre mit neuem Zentrum in Graz

Von Jan Michael Marchart

Politik

Die Rechtsextremen organisieren sich nach zwei Rauswürfen neue Quartiere. Stadt und Land sind dagegen machtlos.


Graz. Lange brauchten die Identitären nicht, um ein neues Quartier in Graz zu finden. Bemerkenswert still haben die Rechtsextremen auf ihrer Webseite ihre neues "Hackher-Zentrum" präsentiert. Ende Juli wollen sie dieses einweihen. Wo genau sich die Räume befinden, geben die Identitären wohl bewusst davor nicht öffentlich bekannt. Im Impressum und im Vereinsregister steht nach wie vor die Adresse des ehemaligen Standorts. Wer der neue Vermieter ist, bleibt unklar. Identitären-Chef Martin Sellner bedankt sich in einem seiner Youtube-Videos bei einem "Peter" für die Räume. Sie dürften einander bekannt sein.

Bis Juli waren die Rechtsextremen in der Wohnung eines Grazer-FPÖ-Gemeinderats untergebracht. Die Causa rund um eine Spende des Christchurch-Attentäters Brenton T. an  Sellner und die Verstrickungen der Identitären mit den Freiheitlichen setzten die ehemals türkis-blaue Koalition unter Druck. Die ÖVP forderte von der FPÖ Distanz ein. Die Blauen lösten offensichtliche Verbindungen auf. Dies waren Mietverträge und Anteile am Identitären-nahen Magazin "Info-Direkt".

Von der Landespolizeidirektion Steiermark ist zu hören, dass dem Landesamt für Verfassungsschutz- und Terrorismusbekämpfung der Standortwechsel der Identitären in Graz bekannt sei und der rechtsextreme Kader unter Beobachtung stehe.

Steiermarks Landeshauptmann Hermann Schützenhofer (ÖVP) betont, dass die Identitären in der Steiermark keinen Platz haben. "Bei uns steht das Miteinander im Mittelpunkt", sagt er. Extremismus und Hetze sind bei uns nicht willkommen. Im Büro des Grazer Bürgermeisters Siegfried Nagl hört man zum ersten Mal vom neuen Identitären-Quartier. Man werde die Szene kritisch im Blick behalten. Auch Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer stellte bereits klar, dass die Identitären in Oberösterreich, wo sie auch ein neues Quartier suchen, nicht willkommen sind. Ihn und seine steirischen Parteikollegen eint allerdings eines: Sie sind in dieser Frage machtlos.

"Politik sind Hände gebunden"

Die Identitären planen nach ihrem Rauswurf aus der Villa Hagen in Linz, die einem FPÖ-nahen Studentenverein gehört, 2020 ein neues Zentrum in Oberösterreichs Hauptstadt zu eröffnen. Abgewickelt werden soll das Projekt in Linz über "Schanze Eins", eine Art Agentur für identitäre Strukturprojekte aus Deutschland. Laut einem Informationsfolder werden eine Immobilie um etwa 400.000 Euro und Investoren dafür gesucht. Wesentlich ist, dass die Identitären in Linz keine Räume mieten, sondern ein eigenes Haus kaufen wollen, um künftig eine Kündigung des Mietverhältnisses zu verhindern.

Private Mietverhältnisse oder gar eigene Quartiere der Identitären kann die Politik nicht verhindern. Der Linzer Bürgermeister Klaus Luger wies auf "orf.at" darauf hin, dass Lokalpolitiker "nur für die stadteigenen Liegenschaften eine Vermietung ausschließen können". Ins private Mietrecht "haben wir keine Eingriffsmöglichkeiten". Auch Oberösterreichs Landeshauptmann Stelzer bleibt nichts anderes übrig, als dazu aufzurufen, den Identitären keine Immobilien zu überlassen. "So lange die Identitären rechtmäßig existieren, gilt auch für sie der Rechtsstaat", sagt Stelzers Sprecher. "Der Politik sind hier die Hände gebunden." Das, was möglich sei, sei die Überwachung durch den Verfassungsschutz.

Justiz ermittelt wegen Razzia

Die Staatsanwaltschaft Wien ermittelt unterdessen, ob Sellner im Voraus von der Hausdurchsuchung in seiner Wohnung in Wien am 25. März informiert wurde. Das berichteten der "Standard" und die "Kleine Zeitung", die sich auf Beantwortungen parlamentarischer Anfragen durch Innenminister Wolfgang Peschorn und Justizminister Clemens Jabloner beriefen. Die Razzia erfolgte im Zuge der Spende des Christchurch-Attentäters an Sellner. Der Identitären-Chef hatte E-Mail-Kontakt mit dem Attentäter. Nicht einmal eine Stunde vor der Hausdurchsuchung löschte Sellner jenen Nachrichtenverlauf. Kenntnis über die Razzia hatten nur die fallführenden Beamten. Peter Goldgruber, Generalsekretär von Ex-Innenminister Herbert Kickl, wurde laut Anfragebeantwortung vier Tage vor der Aktion schriftlich informiert.