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"Weil wir beide keine Verfassungsnihilisten sind"

Von Walter Hämmerle

Politik
"WZ"-Chefredakteur Walter Hämmerle (r.) traf Irmgard Griss und Alfred Noll zum Streitgespräch.
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Irmgard Griss und Alfred Noll ziehen eine bittere Abschiedsbilanz nach fast zwei Jahren als Abgeordnete zum Nationalrat.


Wien. Wenn es so etwas wie ein Hochamt der Demokratie geben sollte, dann müsste es im Parlament gefeiert werden, wo die Volksvertreter mit der Kraft ihrer Argumente um die beste Lösung ringen. Die Wirklichkeit könnte davon nicht weiter entfernt sein, finden Irmgard Griss und Alfred Noll. Beide sind Spitzenjuristen; beide betonen ihre Unabhängigkeit, obwohl sie auf Parteilisten - hier Neos, da Liste Jetzt - ins Parlament einzogen; und beide verlassen den Nationalrat. Die "Wiener Zeitung" sprach mit ihnen über die triste Wirklichkeit.

"Wiener Zeitung": Wo sitzt die Macht in Österreich, in welchen Institutionen findet man sie?

Irmgard Griss: Wenn man das nur wüsste! Es gibt ja verschiedene Formen von Macht, soziale, politische, wirtschaftliche . . .

Reden wir von politischer Macht.

Griss: Also mit Sicherheit findet man die nicht im Parlament. Macht bedeutet für mich die Kraft zu gestalten oder zu verhindern. Das können politische Parteien, teils die Kammern und der Gewerkschaftsbund.

Alfred Noll: Ihre Frage leidet unter einem gewissen Anachronismus, weil sie unterstellt, dass es überhaupt einen klar identifizierbaren Ort der Macht gäbe. In früheren Jahrhunderten konnte man mit dem Finger auf den König oder seine Exekutive zeigen, weil das, was Max Weber das legitime Gewaltmonopol genannt hat, damals körperlich identifizierbar war. Heute gilt das nicht mehr.

Warum nicht?

Noll: Macht ist heute ein flüssiger Körper, der in den Verhältnissen ruht. Und ein Problem der Politik besteht ja genau darin, dass dieser Ort und die Personen, die sich hier befinden, sich nicht mehr eindeutig identifizieren lassen. So gesehen ist es klug, wie Frau Griss es getan hat, zunächst einmal festzuhalten, wo die Macht nicht ist. Und nach 21 Monaten persönlicher Erfahrung kann ich mit Überzeugung feststellen: Das Parlament ist zwar ein Instrument der Machtausübung, aber mit Sicherheit kein Akteur.

Welchen Stellenwert haben dann Wahlen, wenn die Körperschaft, die gewählt wird, machtlos ist?

Noll: Verzeihen Sie, dass ich mich vordränge, aber mir liegt der alte Kalauer aus der 68er-Bewegung auf der Zunge: Wenn Wahlen etwas verändern könnten, wären sie längst verboten.

Wie ernst meinen Sie diesen Satz?

Noll: Natürlich ist es ein Kalauer, er ist also nicht wortwörtlich zu nehmen. Und trotzdem müssen wir uns davor hüten zu glauben, dass Wahlen politische Macht begründen; Wahlen sind vielmehr ein Ausdruck der bestehenden Machtverhältnisse.

Frau Griss, Sie schütteln den Kopf.

Griss: Nur leicht. Wahlen haben aus meiner Sicht eine zentrale Rolle: Durch sie werden die Personen bestimmt und sichtbar, die anschließend den in einem Gemeinwesen zur Verfügung stehenden Gestaltungsraum ausfüllen. Wahlen bestimmen also die Spieler, die vorne auf der Bühne stehen, auch wenn diese manchmal bloß Marionetten sind. Wahlen sorgen dafür, dass Macht ein Gesicht erhält, ein oberflächliches zwar, aber immerhin.

Sind Wahlen, ist demokratische Politik womöglich nur eine Fiktion, eine gewollte Einbildung?

Noll: Sagen wir es anders: Wer ins Theater geht, würde nie auf den Gedanken kommen, dass der Schauspieler in einem Shakespeare-Drama tatsächlich der König ist und dessen Macht besitzt. Er verkörpert sie nur, hat sie aber nicht. Diese Darstellung von Macht ist für mich ein unerlässliches Element von Demokratie. Wenn Leute nicht das Gefühl haben, dass sie von der Politik repräsentiert werden, ist es sinnlos von Demokratie auch nur zu sprechen. Aber man darf die Fassade nicht mit dem verwechseln, was die Mauern und das Fundament des Ganzen darstellen.

Griss: Mir kommt hier ein zentraler Aspekt von Wahlen zu kurz: die Möglichkeit der Bürger, die Politiker an der Spitze abzuwählen. Ich halte die Abwahl einer Partei, eines Politikers für das wesentlich wichtigere Instrument als die Wahl. Für die handelnden Akteure ist die Abwahl ein Damoklesschwert, das ständig über ihnen schwebt und dem sie auch nicht entkommen können.

Was ist das Fundament unserer Demokratie? Der Satz zu Beginn des Bundes-Verfassungsgesetzes: "Österreich ist eine demokratische Republik, ihr Recht geht vom Volk aus"?

Noll: Nein, das ist der Bauplan unserer Demokratie. Das Fundament ist die Summe der gesellschaftlichen Verhältnisse mit all ihren teils schwer durchschaubaren realen Facetten: Die ökonomischen Produktionsverhältnisse, die Traditionen und Gewohnheiten, mit denen wir leben, lieben und hassen. Diese Realverhältnisse sind das Fundament und die Mauern für unser Zusammenleben. Ein Statiker wird deshalb nie nur auf die Fassade eines Gebäudes achten, weil er so nichts über die Stabilität erfährt, dafür muss er unter die Oberfläche schauen.

Das ist banal.

Noll: Mag sein, aber unsere Unmittelbarkeitsverhaftetheit, vor allem jene der Journalisten und Medien, führt dazu, dass wir jedes Ding immer nur nach seinem Anschein bewerten. Und wenn uns dieser Anschein gefällt, dann hält er uns in aller Regel davon ab, tiefer zu bohren und genau zu schauen, was dahintersteckt. Diese Spektakelhaftigket unserer Gesellschaft ist das Grundproblem aller Vermittlung von Inhalten. Wir alle nehmen die Verhältnisse mit unseren Augen, Nasen und Ohren sinnlich wahr; um zu verstehen, benötigen wir aber unser Gehirn. Deshalb ist Bildung, Bildung, Bildung so unerlässlich. Denn wenn es nicht gelingt, neben dem bloßen Anschein auch die funktionalen Zusammenhänge zu erkennen, dann ist Schluss mit unserer Demokratie.

Keine zwei Jahre war Alfred Noll Abgeordneter zum Nationalrat auf einem Mandat der Liste von Peter Pilz, und trotzdem stach der 59-jährige Salzburger aus der Masse heraus. Der Anwalt ist als Homo politicus stets auf der Suche nach dem Grundsätzlichen. Das lebt er auch in zahlreichen Publikationen zur Verfassung und über Denker wie John Locke, Thomas Hobbes und jüngst erst Montesquieu aus.
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Macht Bildung uns wirklich zu besseren Menschen?

Griss: Es geht nicht um besser oder schlechter, sondern darum, ob ich eine in der Sache informierte Entscheidung treffen kann oder ob ich mein Wahlverhalten nur nach Äußerlichkeiten richte. Was Bildung bewirken kann und muss, ist die Fähigkeit zur kritischen Vernunft, zum Blick hinter die Fassade. Nur um dieses Wissen geht es.

Aber beruht unsere Demokratie nicht auf der Hypothese, dass auch ungebildete Wähler aus ihrer Lebenserfahrung schöpfend in der Summe der vielen Einzelstimmen zu "richtigen" Entscheidungen kommen? Andernfalls landet man schnell bei der Debatte, ob die Stimme gut informierter Bürger nicht mehr wert sein sollte als die schlecht informierter.

Griss: Nein, überhaupt nicht. Mir geht es nicht um formale Bildung, die darf hier keine Rolle spielen. Bildung heißt Menschenbildung.

Noll: Ihre Frage ist berechtigt, aber sie setzt die Pole falsch. Die Forderung nach mehr Bildung bedeutet nicht, dass, indem man sich Wissen aneignet, allein dadurch schon ein besserer Mensch wird. Um es etwas unfein auszudrücken: Die gescheitesten Leute sind oft die größten A. . . Nimmt man Bildung aber als Humanum, als ein Ermöglichen all dessen, was ein Mensch kann, dann führt Bildung tatsächlich zu einem besseren Menschen. Wir müssen aber mit einem Missverständnis aufräumen, was demokratische Entscheidungen angeht: Demokratie hat, hier bin ich ganz bei Hans Kelsen, nur den Vorteil, dass möglichst viele wenigstens in einer Sache einer Meinung sind und nur eine Minderheit enttäuscht ist. Diese Minderheit kann aber zugleich die Hoffnung haben, dass sich das in Zukunft ändert. Demokratie bedeutet eben nicht, dass am Ende richtige Entscheidungen herauskommen.

Griss: Ja, was sollte auch der Maßstab sein, nach dem man beurteilen könnte, was richtig oder falsch ist?

Noll: Demokratie heißt, dass am Ende Recht herauskommt, und Recht war noch nie "richtig", es gibt uns nur den Maßstab vor, was zu einer bestimmten Zeit von der Mehrheit als Recht angesehen wird.

Sie sind beide arg enttäuscht über den gelebten Parlamentarismus. Was spricht dagegen, den Nationalrat einfach nur als Bühne zu betrachten, auf der Parteien und Politiker ihre Positionen präsentieren und die Abgrenzung zum Mitbewerber suchen, statt als Zentralort, an dem politische Entscheidungen getroffen werden?

Griss: Das wäre natürlich möglich, aber wem würde das nützen? Dann schicken die Parteien ihre Redner nach vorne und präsentieren sich, aber was ist dann der Sinn der ganzen Veranstaltung? Für wen spielen die Abgeordneten? Für mich muss der Anspruch des Parlaments größer sein, die Menschen erwarten sich ein Ringen um die bestmögliche Lösung, um den besten Kompromiss. Es gibt unterschiedliche Interessen in einer Gesellschaft; wir haben Parteien, die diese unterschiedlichen Interessen vertreten; und der Sinn des Parlaments sollte es sein, dass hier die Interessen mit Argumenten gegeneinander abgewogen werden und sich dann ein Kompromiss findet. Das ist das Wesen der Demokratie.

Es ist auf jeden Fall der Wunsch der Minderheitsfraktionen, aber nicht notwendigerweise jener der Regierungsfraktionen.

Griss: Aber es wäre doch im Interesse der Gesellschaft, dass alle Interessen berücksichtigt werden.

Der politische Stern von Irmgard Griss ging 2016 auf, als die ehemalige Präsidentin des Obersten Gerichtshofs in der ersten Runde der Bundespräsidentenwahl als Unabhängige mit 19 Prozent nur knapp den Einzug in die Stichwahl verfehlte. Bei den Wahlen 2017 kandidierte die 72-jährige Steirerin in einem Wahlbündnis mit Neos auf dem zweiten Listenplatz der Liberalen.
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Dem würde die Idee einer Konzentrationsregierung entsprechen, in der alle relevanten Kräfte verpflichtend vertreten sind.

Noll: Ich sehe es zwar nicht so, aber nehmen wir einmal an, das Parlament wäre tatsächlich vor allem eine Bühne, dann sehe ich nicht ein, weshalb das dargebotene Schauspiel so schlecht sein muss. Eine derartige Vorstellung würde niemand von uns freiwillig besuchen. Für diesen Fall müsste man erheblich nachlegen, was Regieplan und schauspielerisches Talent angeht, aber das vermag ein solcher Vertretungskörper wie der Nationalrat nicht zu leisten. Auch deshalb nicht, weil er ein betrieblich verfasster Ort der Non-Diskursivität ist, darauf ausgerichtet, diese Form der Selbstdarstellung zu verunmöglichen. Wenn man daher das Parlament als einen aus Wahlen hervorgegangenen Repräsentationskörper ernst nimmt, dann sollte man es nicht dabei beschneiden, diese Diskursivität auch zu leben. Tatsache aber ist, dass es in diesem Haus keinen einzigen Termin gibt, bei dem nicht schon vorher das Ergebnis feststeht. Das Parlament ist ein reines Vollzugsorgan der Regierung, laut Verfassung sollte es aber das Legislativorgan sein. Nichts, was in diesem Haus gesprochen wird, ist deshalb ernst zu nehmen. Das Ganze ist eine reine Zeitverschwendung.

Ihr Ideal vom Parlament als Ort der Gesetzgebung existiert in der Realität nicht. Stattdessen stehen einander Mehrheits- und Minderheitsfraktionen gegenüber. Das führt dazu, dass nicht das Parlament als Ganzes die Exekutive kontrolliert, sondern nur die Opposition, und die Gesetzgebung ist die Domäne der die Regierung stützenden Mehrheitsfraktionen.

Noll: Was Sie hier skizzieren, ist ein Präsidialsystem, wie es in den USA und Frankreich besteht.

Es ist trotzdem die in Österreich gelebte politische Praxis.

Noll: Umso schlimmer, denn es ist nicht verfassungskonform.

Griss: Laut unserer Verfassung wählen die Bürger die Abgeordneten zum Nationalrat, die wiederum den Auftrag zum Gestalten haben. Die Bürger wählen eben nicht den Bundeskanzler, der dann eine Regierung bildet. Unsere Verfassung hat ein anderes Verständnis.

Mit Verlaub, nächstes Jahr feiert das Bundes-Verfassungsgesetz seinen hundertsten Geburtstag, und während eines Großteils dieser Zeit regierte im Parlament die Mehrheit gegen die Minderheit.

Noll: Die Geschichte ist komplizierter, vor allem in den Jahren 1918 und 1919 bis zum Inkrafttreten der Verfassung. Da lag die gesetzgeberische Kompetenz eindeutig noch beim Parlament, erst später etablierten die Parteien ihre Dominanz, die dann ab 1945 absolut prägend wirkte, was schließlich die Entmachtung des Parlaments als Repräsentativkörper zur Folge hatte. Und jeder Versuch kleinerer Gruppen wie Neos und auch wir, das aufzubrechen, ist auf absehbare Zeit zum Scheitern verurteilt.

Warum hängen Sie dann weiter einem unerreichbaren Konzept des Parlamentarismus nach?

Noll: Weil wir beide Juristen sind und keine Verfassungsnihilisten.

Griss: Sehr richtig, diese Praxis verstößt gegen den Geist der Verfassung. Wir haben keine Gewaltenteilung mehr zwischen Legislative und Exekutive.

Noll: Man sieht ja jetzt mit dem freien Spiel der Kräfte im Parlament sehr schön den Unterschied, wobei man schon das Ungewöhnliche dieser Situation betonen muss . . .

Sollte die aktuelle Situation der Normalzustand sein?

Noll: Moment, dazu komme ich gleich. Wir erleben jetzt eine Verdichtung der Kommunikation zwischen den Fraktionen, das finde ich schon einmal positiv. Zweitens, das Ergebnis dieser Gespräche steht nicht bereits von vornherein fest, sondern man muss Argumente einbringen; auch das ist erfreulich. Drittens, das Parlament erkennt nun die eigenen Mängel, etwa das Fehlen eines ordentlichen Legislativdienstes. Viertens, es wird für die Medien und die Öffentlichkeit spannender. Das alles wiederum führt zu einer Begründungsnot bei den Parteien, weil sie sich jetzt rechtfertigen müssen, wenn etwas nicht geht, obwohl es doch gehen hätte können. All das ist genau das, worum es eigentlich bei Politik gehen sollte.

Irmgard Griss und Alfred Noll (Mitte) verabschieden sich beide aus dem Nationalrat.
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Gestatten Sie eine Gegenthese: Die jetzige Situation ist doch für die Bürger völlig unübersichtlich, niemand kann mehr nachvollziehen, wer für und wer gegen etwas gestimmt hat. Das verwischt eine zentrale Kategorie von Demokratie: die eindeutige Zuordnung politischer Verantwortung.

Griss: Das stimmt doch nicht, jeder Bürger kann kontrollieren, wer wofür gestimmt hat.

Noll: Es ist eine Kernaufgabe der Medien, politische Verantwortung sichtbar zu machen. Es ist Sache des Journalismus, mit populären, nicht populistischen Mitteln den Menschen die Möglichkeit zum eigenständigen Urteil an die Hand zu geben.

Griss: Und warum ist denn die jetzige Regierung so populär? Die Zustimmung ist ja enorm, und die Menschen sehen: Im Nationalrat geht jetzt etwas weiter, und die Regierung führt das aus. Die Valorisierung des Pflegegeldes ist ein wunderbares Beispiel.

Noll: Ja, jetzt sind plötzlich Dinge möglich, die alle für vernünftig halten, aber unter den herkömmlichen Bedingungen einfach nicht umgesetzt wurden.

Es fehlt die politische Gesamtverantwortung für all die Beschlüsse.

Griss und Noll: Die wird ohnehin nie gelebt.

Wer hat also jetzt die Gesamtverantwortung?

Noll: Die Gesellschaft, wir alle, jeder Einzelne. Die Menschen dürfen nicht länger im Glauben gelassen werden, sie könnten Verantwortung abgeben und dann als Couch-Potato zuschauen. Es ist unsere gemeinsame Sache. Und dieses Gefühl des Gemeinsamen wird täglich durch die Berichterstattung der Medien zerstört. Das ist das Grundübel unserer politischen Landschaft.

Griss: Und wo, bitte, ist denn bisher politische Verantwortung wahrgenommen worden?

Sie haben es selbst zu Beginn gesagt: Die Bürger haben die Möglichkeit, die Regierenden abzuwählen. Jetzt können sie niemanden abwählen, weil niemand die Verantwortung trägt.

Noll: Ich schätze die provokative Intervention des Interviewers, nur: Auch die Fata Morgana ist klar. Jedes klare Bild ist immer eine Schimäre. Die Personen, die in einer Demokratie Verantwortung tragen, sind immer wir alle. Und wer das nicht will, verabschiedet sich von der Demokratie. Jede Reduktion von Komplexität, etwa indem ich inhaltliche Probleme personalisiere, all das ist immer anti-demokratisch.

Welche Rolle spielen die Medien für den Zustand der Politik?

Griss: Ich sehe Entwicklungen in die richtige Richtung, vor allem, dass stärker über Fakten berichtet wird, Behauptungen vermehrt einem Gegencheck unterzogen werden. Oft spiegelt aber die Berichterstattung nicht die wirkliche Bedeutung wider, wir erleben ein Hinauf- und auch ein Hinunterschreiben von Personen ohne sachliche Rechtfertigung.

Zum Beispiel?

Griss: Ich finde etwa, dass Peter Pilz eine Medienpräsenz hat, die seiner Bedeutung im Parlament nicht entspricht. Im BVT-U-Ausschuss haben andere Abgeordnete viel mehr aufgedeckt und gearbeitet.

Noll: Ich bin nicht so höflich wie Frau Griss. Ich halte unsere Medien für Blödmaschinen, sie verunmöglichen Bildung, weil sie Informationen auseinanderreißen und vorrangig an Personalisierung und Skandalisierung interessiert sind. Das Beispiel von Peter Pilz ist treffend: Er ist ja deshalb eine politische Figur, weil er stets einen semantischen Überschuss liefert, der die Erregungsamplitude der Medien erhöht - und genau darauf springen alle Journalisten an.

Ihr Lösungsvorschlag?

Noll: Ich sehe keinen. Die Medien sind darauf angewiesen, ihre Produkte an die Inseratenwirtschaft zu verkaufen, und wenn sie das nicht schaffen, gehen sie ein. Deshalb versuchen alle, ihr Publikum zu unterfordern. Inhalte zu vermitteln ist kompliziert und personalintensiv, das ist das mediale Grundübel.