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Rüsten für Klagswelle wegen Umweltprüfung

Von Karl Ettinger

Politik

Justizminister Clemens Jabloner verlangt mehr Personal für das Bundesverwaltungsgericht. Grund ist neben Asylverfahren das neue Standortgesetz.


Wien. Gearbeitet wird mit Hochdruck. 29.200 Beschwerdeverfahren sind im Vorjahr vom Bundesverwaltungsgericht erledigt worden. Ein Großteil davon betraf Asyl- und Fremdenrechtsverfahren. Ab dem kommenden Jahr kommt auf das Bundesverwaltungsgericht eine neue Herausforderung zu. Wird in erster Instanz nach dem neuen Standortentwicklungsgesetz über die Umweltverträglichkeit von Großprojekten nicht fristgerecht entschieden, kann das Verfahren an das Bundesverwaltungsgericht weitergereicht werden. Justizminister Clemens Jabloner begründet damit seine Forderung nach zusätzlichem Personal für das Bundesverwaltungsgericht für 2020.

Im Hintergrund geht es dabei um das von ÖVP und FPÖ im Dezember des Vorjahres beschlossene Standortentwicklungsgesetz. Mit diesem sollen schnellere Verwaltungsverfahren und die Prüfung der Umweltverträglichkeit für Großprojekte ermöglicht werden, die als relevant für den Wirtschaftsstandort Österreich beziehungsweise als im öffentlichen Interesse eingestuft werden. Das Standortgesetz ist seit Jänner dieses Jahres in Kraft.

"Mit weiterer Anfallssteigerung ist zu rechnen"

Es ist nach scharfer Kritik vor allem von Umweltorganisationen wie Greenpeace oder Global 2000 von der türkis-blauen Koalition geändert worden. Statt der ursprünglich vorgesehenen automatischen Bewilligung eines Projekts nach Fristablauf, was Hauptzielscheibe der vernichtenden Kritik war, wurde eine andere Variante festgelegt. Projektbetreiber können nun nach Ablauf einer Frist von einem Jahr für die Bewilligung durch die erste Instanz eine Säumnisbeschwerde einbringen und damit das Verfahren zum Bundesverwaltungsgericht verlagern, das innerhalb von sechs Monaten entscheiden soll. Die Regierung argumentierte, dies sei notwendig, um Verzögerungen wie beim Semmeringtunnel für die Bahn oder beim Linzer Westring für den Autoverkehr zu vermeiden.

Genau hier hakt der Justizminister in der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage des grünen Bundesrates David Stögmüller ein. Der Ressortchef erläutert darin unter ausdrücklichem Hinweis auf das seit heuer geltende Standortentwicklungsgesetz, dass "mit einer weiteren Anfallssteigerung beim Bundesverwaltungsgericht zu rechnen ist". Noch ist dort naturgemäß, weil das Gesetz erst seit einem halben Jahr in Kraft ist, kein Verfahren zur beschleunigten Umweltprüfung anhängig, wie der "Wiener Zeitung" im Bundesverwaltungsgericht bestätigt wird. Dazu kann es aufgrund der Fristen im Standortgesetz frühestens 2020 kommen.

Justizminister Jabloner begründet mit Hinweis auf 2020 daher die Personalwünsche. Er werde sich "bei den anstehenden Personalplanverhandlungen für das Jahr 2020 dafür einsetzen, dass das Bundesverwaltungsgericht zusätzliche Planstellen" erhalte, erklärte er in der Antwort auf die Anfrage. Das betreffe sowohl Planstellen für Richter sowie für Akademiker, aber auch einen Stopp von Planstellenreduktionen im Supportbereich. Allerdings schränkte der Justizminister und Vizekanzler der Übergangsregierung, die bis zur Bildung einer neuen Bundesregierung nach der Nationalratswahl am 29. September im Amt ist, ein: "Die Ergebnisse dieser Verhandlungen bleiben abzuwarten."

218 Richterplanstellen am Bundesverwaltungsgericht

Insgesamt gab es beim Bundesverwaltungsgericht mit Stichtag vom 1. März des Vorjahres 589 Planstellen. Davon waren 218 Richterposten. Im vergangenen Jahr sind keine Planstellen mehr dazugekommen, für heuer sah der Personalplan auch keine Erhöhung der Mitarbeiterzahl vor. Dem Bundesverwaltungsgericht sind vielmehr im Zuge des Budgets und Personalplans im Jahr 2017 wegen der Flut an Beschwerdeverfahren im Asylbereich 120 Planstellen mehr zur Bewältigung des Mehraufwandes zugestanden worden. Diese Erhöhung sollte nach Aufarbeitung der tausenden Klagen gegen Asylentscheidungen in mehreren Etappen zurückgenommen werden.

Unterstützung bezüglich der Personalaufstockung kommt von grüner Seite. Lukas Hammer, Spitzenkandidat der Grünen bei der Nationalratswahl in Wien und davor Sprecher von Greenpeace Österreich, meint zur "Wiener Zeitung": "Man muss schauen, dass die Gerichte gescheit arbeiten", um Verfahren tatsächlich zu beschleunigen. Die Gerichte seien schon jetzt komplett ausgelastet, es fehlten auch Sachverständige. Was Richter und Sachverständige angeht, "gibt es einen extremen Mangel". Schon vor dem Beschluss war von Umweltorganisationen bezweifelt worden, ob das Bundesverwaltungsgericht genügend Qualität für die Beurteilung bei Umweltverträglichkeitsprüfungen habe.

Hammer macht, wie zuvor schon Vertreter von Umweltverbänden, außerdem weiter aufmerksam, dass es schon bisher vor allem lange dauere, bis Projektbetreiber von Großvorhaben alle Unterlagen in einem Verfahren vorlegen. Dadurch allein gibt es mehrmonatige Verzögerungen. Er schließt auch nicht aus, dass möglichen Projektbetreibern das Prozedere nach dem Standortgesetz "zu heiß" sei. Schließlich bestehe noch immer die Möglichkeit, dass eine Entscheidung nach einem beschleunigten Verfahren nach zwei, drei Jahren vom Europäischen Gerichtshof nachträglich aufgehoben werde. Experten wie der Innsbrucker Europarechtler Walter Obwexer waren vor dem Beschluss hingegen überzeugt, das Standortentwicklungsgesetz werde unionsrechtlich halten, beim neuen Verfahren würden keine Rechte beschnitten.

38 Prozent der Asylbescheide wurden aufgehoben

Justizminister Jabloner führt bei der Forderung nach mehr Personal für das Bundesverwaltungsgericht im kommenden Jahr aber auch die weitere Aufarbeitung der Asylverfahren ins Treffen. Denn es lasse sich, so argumentiert er, "ein Rückgang bei den Asylverfahren entgegen dieser Prognose freilich nicht feststellen und mittelfristig auch nicht erwarten". Im vergangenen Jahr ist am Bundesverwaltungsgericht in 17.350 Verfahren über Anträge auf internationalen Schutz, die Vergabe von Aufenthaltstiteln aus humanitären Gründen sowie die Beendigung des Aufenthaltes Fremder in Österreich entschieden worden. In 51 Prozent der Fälle im Asyl- und Fremdenrecht sind Entscheidungen in erster Instanz bestätigt worden, in immerhin 38 Prozent der Fälle wurden sie aufgehoben, weitere zwölf Prozent betrafen formale Entscheidungen.

Im Asylbereich droht eine weitere Antragsflut. Der Grund ist, dass die SPÖ-ÖVP-Regierung 2016 mit der Befristung auf Zeit, konkret auf drei Jahre, das Asylrecht verschärft hat. Die Überprüfungen, ob Asylgründe im Heimatland noch gegeben sind, werden ab heuer fällig - und auch ein Teil dieser Verfahren wird beim Bundesverwaltungsgericht beeinsprucht werden.