Zum Hauptinhalt springen

Spätes Werben für Scheinentlastung

Von Karl Ettinger

Politik

1,3 Millionen flossen in Finanzkampagne. Experte sieht aber Sinn bei Familienbonus.


Wien. Selbst nach dem absehbaren Platzen der türkis-blauen Koalition hat das damals von Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) geführte Finanzministerium unter dem Motto "Entastung Österreich" noch die Werbetrommel für Steuerreformpläne von ÖVP und FPÖ gerührt. Darunter war etwa auch die erst 2022 vorgesehene Senkung der Körperschaftssteuer, die wegen der vorgezogenen Nationalratswahl eine Scheinentlastung darstellt, weil sie gar nicht mehr beschlossen wird.

Immerhin insgesamt 1,33 Millionen Euro hat das Finanzministerium ausschließlich für Inserate in Printmedien für die Steuerreform-Kampagne lockergemacht. Diese Zahl geht aus der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Liste Jetzt durch den amtierenden Finanzminister Eduard Müller hervor.

Wie ein der "Wiener Zeitung" vorliegendes Werbesujet aus dem heurigen Mai zeigt, waren damals weitere Entlastungsmaßnahmen wie die Vereinfachung und Entbürokratisierung des Steuersystems ab 2021 oder die zweite Etappe der Steuerentlastung für Arbeitnehmer ab 2022 beworben worden. Ein Parlamentsbeschluss stand aber aus. Die Österreicher werden somit zwar als Steuerzahler für die Werbekampagne zur Kasse gebeten, dürfen sich aber diese Entlastungsmaßnahmen vorerst nur ausmalen.

Jetzt-Klubobmann kritisiert "billigen Marketing-Schmäh"

Jetzt-Klubchef Bruno Rossmann spricht von Werbung für ein "politisches Programm". Er ortet einen "billigen Marketing-Schmäh"

Um diesen externen Inhalt zu verwenden, musst du Tracking Cookies erlauben.

Tatsächlich umsetzen wollen ÖVP und FPÖ mit Nationalratsbeschluss unmittelbar vor der Wahl hingegen aber einige andere Maßnahmen: die Senkung der Sozialversicherungsbeiträge ab 2020 für Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen und eine erste Etappe der Lohnsteuerentlastung.

Schon bis April dieses Jahres waren knapp 700.000 Euro an Kosten für die Inserate ausgegeben worden. Damals standen noch nicht einmal die Details der türkis-blauen Steuerentlastungspläne fest. Bis gegen Ende Mai und zur Abwahl der Regierung durch einen Misstrauensantrag hat sich die Summe fast verdoppelt. Das Finanzressort hat dies damit gerechtfertigt, dass eine gesetzliche Informationsverpflichtung der Finanzverwaltung bestehe. Außerdem habe man durch die Werbeaktion eine Konjunkturankurbelung erhofft.

Was die Konjunktur betrifft, gibt es in einem Punkt Unterstützung aus dem Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo). Dies betrifft den Familienbonus. Dieser gilt schon seit Anfang 2019 und bringt pro Kind und Jahr bis zu 1500 Euro steuerliche Entlastung.

Wifo-Experte Thomas Url verweist im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" darauf, dass, was vielfach nicht bekannt ist, der Bonus bereits heuer geltend gemacht werden kann. Dafür muss der Arbeitnehmer das entsprechende Formular beim Dienstgeber abgeben, damit der Bonus beim Gehalt eingerechnet wird.

Bis zu 600 Millionen Euro mehr verfügbares Einkommen

Das Wifo hat die Auswirkungen für heuer mit 600 Millionen Euro errechnet. Je mehr Familien den Bonus heuer bereits in Anspruch nehmen, desto größer seien das verfügbare Einkommen und die konjunkturbelebene Wirkung, erläutert Url.

Ab 2020 kann der Familienbonus dann rückwirkend für heuer steuerlich geltend gemacht werden. Das Wifo rechnet dann mit einem Gesamteffekt von 1,2 Milliarden Euro an Entlastung, weil manche den Steuerausgleich erst später machen.