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Die Geschichtslücken der FPÖ

Von Jan Michael Marchart und Simon Rosner

Politik
Der Bericht der FPÖ-Historikerkommission erntete viel Kritik von namhaften Historikern.
© WZ

Im blauen Historikerbericht wurden die kritischen Teile der Parteigeschichte ausgelassen.


Wien. Der unfertige, 32-seitige Rohbericht der FPÖ-Historikerkommission lieferte nichts, was nicht schon davor reichlich aufgearbeitet wurde und hinlänglich bekannt war. Er ist nur eine Bestätigung von blauer Seite, wonach "das deutschfreiheitliche Lager während der ersten Republik schneller und vollständiger als jedes andere mit dem Nationalsozialismus sympathisierte und in dieser Bewegung aufging" und nach 1945 Nazis "mehr als bei anderen Parteien" in Führungspositionen gelangten.

Das, was bisher in Form einer Zusammenfassung vorliegt, beschäftigt sich im Resümee stark mit dem "Verband der Unabhängigen", der von ehemaligen Nazis mitgegründet wurde und aus dem schließlich die spätere FPÖ entsprang. Was laut Inhaltsverzeichnis jedoch gänzlich ausblieb, ist eine Beschäftigung mit der jüngeren Vergangenheit der FPÖ, die bis heute nachhallt.

Zum Beispiel findet Jörg Haider im Rohbericht nur dreimal eine Erwähnung. Zweimal davon in der Autorenbiografie des blauen Parteiideologen und ehemaligen Grundsatzreferenten Haiders, Andreas Mölzer, und einmal in einem Zwischensatz, dass Haider 1986 Bundesparteiobmann wurde. Das blieb er 14 Jahre lang und machte die FPÖ dabei zu einer großen, bedeutenden Partei.

Nicht mit einer Silbe kommt vor, dass Haider 1991 die "ordentliche Beschäftigungspolitik im Dritten Reich" lobte, Konzentrationslager als "Straflager" bezeichnete oder ehemalige SS-Soldaten als "anständige Menschen mit Charakter" ehrte. Er nannte Österreich eine "Missgeburt" und witzelte, dass die FPÖ keine Nachfolgeorganisation der NSDAP sei. "Denn wäre sie dies, dann hätte sie eine Mehrheit." Gerade in der Phase der österreichischen Aufarbeitung, nach der Affäre Kurt Waldheim, hatte Haider auch ganz gezielt die Kriegsgeneration umworben. Sie war damals noch als Wählerschaft von Relevanz.

Neonazistische Verbindungen

Überhaupt keine Rolle im Historikerbericht spielen Verbindungen der FPÖ zu Neonazi-Kreisen. So war etwa Norbert Burger bis 1963 Mitglied der FPÖ, ehe er die später verbotene NDP gründete. In den Neunzigern schrieb Burger Beiträge für die "Aula", die im Eigentum einer FPÖ-Vorfeldorganisation war. Zu jener Zeit war der spätere Parteichef Heinz-Christian Strache mit Burgers Tochter liiert. Strache engagierte sich auch für die neonazistische Wikingjugend. Der mehrfach verurteilte Neonazi Gottfried Küssel nahm 2009 an einer FPÖ-Veranstaltung teil, auch beim Gedenken an den NS-Flieger Walter Nowotny nahm Küssel gemeinsam mit anderen Neonazis teil - dort trifft er auf FPÖ-Mitglieder und Burschenschafter.

Ebenfalls bei einem solchen Gedenken anwesend war Martin Sellner. Bis 2011 war der Identitären-Chef ein Neonazi, in seiner Jugend klebte er Hakenkreuze auf eine Synagoge in Baden bei Wien. Sellner war auch Burschenschafter der rechtsextremen Olympia, ihr gehören oder gehörten auch FPÖ-Politiker wie Norbert Nemeth, Martin Graf oder Harald Stefan an. Laut dem Dokumentationsarchiv des österreichschen Widerstandes kommt vor allem der Führungskader der Identitären aus Burschenschaften, diese sind wiederum eng mit den Freiheitlichen assoziiert. Zuletzt waren rund 40 Prozent der FPÖ-Abgeordneten Mitglieder von Burschenschaften.

Auf diese Verflechtungen wird zumindest im Rohbericht nicht eingegangen. Der ÖVP-Abgeordnete Martin Engelberg sprach am Dienstag von einer "unzulänglichen Abgrenzung zu Rechtsextremismus und Identitären". Die Verbindungen der rechtsextremen Identitären zur FPÖ sind seit Jahren bekannt und dokumentiert. Auch die Dreiecks-Beziehung zwischen Freiheitlichen, völkischen Burschenschaften und den Identitären sind evident und nachgewiesen.

"Kritisches" in blauer Hand

Eines der wenigen aktuelleren Themen des Berichts, das sich kritisch mit der FPÖ befassen hätte können, behält die FPÖ aber ohnehin fest in blauer Hand. Mit den sogenannten "Einzelfällen", die im Rohbericht "Vorwürfe" genannt werden, beschäftigt sich FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker persönlich. Diese werden aus Sicht der Freiheitlichen "aufgeblasen" und seien in der Regel "bedauerlich", wie es im Rohbericht heißt.

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