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Wie halten Sie es nun mit der FPÖ?

Von Jan Michael Marchart

Politik

Reaktionen von Ex- und aktiven Koalitionspartner zum FPÖ-Historikerbericht: Kurz schweigt, Doskozil relativiert.


Wien. Im April hat Ex-Kanzler Sebastian Kurz die Identitären als "widerlich" bezeichnet. Und er forderte seinen damaligen Koalitionspartner FPÖ dazu auf, keinen "schwammigen Umgang" mit den rechtsextremen Identitären zu pflegen. Das sagte Kurz aber erst, als eine Spende des Christchurch-Attentäters, der in Neuseeland 51 Muslime ermordete, an den Identitären-Chef Martin Sellner bekannt wurde. In den Monaten davor war die über Jahre aufgebaute Beziehung zwischen FPÖ und Identitäre für die ÖVP zumindest nach außen kein Thema.

Die FPÖ löste zwar nur die offensichtlichen Verbindungen mit den Identitären, doch das genügte Kurz. So wurden Mietverträge im blauen Umfeld sowie Anteile zweier FPÖ-Mitarbeiter an "Info-Direkt" gelöst, einer den Identitären nahestehenden Postille. Damit war das Thema für Kurz erledigt, die Distanz der FPÖ zum Rechtsextremismus gegeben.

Die Koalition flog nicht deshalb, sondern wegen des Ibiza-Videos in die Luft. Allerdings ging Kurz in jenen Tagen selbst auf die zahlreichen Einzelfälle und die Nähe zu Rechtsradikalen der Blauen ein, sprach sie explizit an. Auch wenn er sich nicht immer geäußert habe, so Kurz, "ist es mir schwergefallen, das runterzuschlucken". Sein Schluss: "Die FPÖ kann es nicht."

Seither sind fast zwei Monate ins Land gezogen, inzwischen schoss ein FPÖ-Gemeindepolitiker in Salzburg aus Wut auf Sebastian Kurz auf einen Busch, in der Vorwoche wurde dann nach mehrmaligen Verschiebungen ein "Rohbericht" der FPÖ-Historikerkommission präsentiert. Diese war nach einem der Einzelfälle, der Liederbuchaffäre um Udo Landbauer und seine Burschenschaft, eingesetzt worden.

Bericht stieß auf Kritik

Der vorläufige Bericht stieß auf breite Kritik unter Zeithistorikern und in Medien und wurde als vertane Chance der FPÖ bewertet. Was heißt das für mögliche zukünftige und aktuelle Regierungspartner der Freiheitlichen? Die ÖVP und auch Kurz wollen sich auf Nachfrage der "Wiener Zeitung" nicht äußern. Bei der ÖVP-Oberösterreich und der SPÖ-Burgenland gibt man sich nicht minder wortkarg. In beiden Ländern regieren die Freiheitlichen mit.

Die Identitären kommen in dem Bericht nicht vor. Zwar könnte man einwenden, dass diese als relativ junges Phänomen nichts in einem Historikerbericht zu suchen hätten, aber die Dreiecksbeziehung zwischen FPÖ, Burschenschaften und den Identitären ist gut dokumentiert. Und der Verfassungsschutz ortete bereits 2014 amtsbekannte Neonazis unter den Identitären.

Nur ein ÖVP-Abgeordneter äußerte sich: Der Wiener Psychoanalytiker Martin Engelberg, seit 2017 im Nationalrat, attestierte der FPÖ nach Veröffentlichung des Rohberichts eine "unzulängliche Abgrenzung zu Rechtsextremismus und Identitären". Er forderte "eine Gegenwartskommission, keine Vergangenheitskommission" von der FPÖ.

Eine solche Replik kommt von Kurz nicht. Die Freiheitlichen bleiben damit, zumindest vorerst, ein möglicher Koalitionspartner der ÖVP - auch wenn das Verhältnis der FPÖ zum rechten Rand durch den Rohbericht nicht weniger "schwammig" geworden ist. Ein Kapitel mit dem Titel "Vorwürfe" des Berichts widmet sich den von Kurz kritisierten Einzelfällen. Diese werden als "tatsächlich bedauerlich" eingestuft, aber sie seien von "Medien und Gegnern aufgeblasen". Der Autor dieses Textes ist übrigens FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker.

Auch zu Jörg Haider, der SS-Soldaten als "Menschen mit Charakter" bezeichnet hatte, fehlt ein kritischer Blick im Rohbericht. Ebenso die Kontakte der Partei zum neonazistischen Milieu, etwa zum mehrfach verurteilten Neonazi Gottfried Küssel. Beispielsweise jene des früheren Parteichefs Heinz-Christian Strache, der sich in früheren Jahren nicht nur im Dunstkreis Küssels und des einstigen FPÖ-Mitglieds und späteren Neonazis Norbert Burger bewegte, sondern sich auch für die neonazistische Wiking-Jugend engagierte.

FPÖ-Parteichef Norbert Hofer war bei der Präsentation des Berichts gar nicht dabei. Am Wochenende verwies er bei einem Interview mit der APA auf den Endbericht, der noch nicht fertiggestellt sei. Hofer wird das Thema aber erhalten bleiben, dafür werden wohl allein die vielen Wahlkampfauseinandersetzungen sorgen. Im Falle einer türkis-blauen Koalition wäre Hofer vermutlich Vizekanzler. Innerhalb der ÖVP wird der Burgenländer auch geschätzt, heißt es.

Hofer hat aber selbst ein bemerkenswertes Bekenntnis im Gepäck. Er trat mit 37 Jahren als Ehrenmitglied der deutschnationalen Burschenschaft Marko-Germania zu Pinkafeld bei, die in ihrer Gründungsfestschrift 1994 festhielt, dass sich ihre Mitglieder auf das "deutsche Vaterland unabhängig von bestehenden staatlichen Grenzen" besinnen. Zwar wird die Eigenstaatlichkeit Österreichs erwähnt, aber gleichzeitig "die geschichtswidrige Fiktion ‚einer österreichischen Nation‘" abgelehnt, "die seit 1945 in den Gehirnen der Österreicher festgepflanzt" worden sei. Das war schon im Präsidentschaftswahlkampf 2016 Thema, damals sagte Hofer, dass er diese Meinung nicht teile, seine Mitgliedschaft wollte er aber auch nicht als Bundespräsident zurücklegen.

Im Burgenland nichts Neues

Ende Jänner 2019 muss auch ein anderer Burgenländer eine Entscheidung treffen. Der rote Landeshauptmann im Burgenland, Hans Peter Doskozil, verlegte die Landtagswahl nach der Ibiza-Affäre um ein paar Monate vor. Die Koalition mit der FPÖ sprengte er nicht. Innerhalb der SPÖ ist jegliche Zusammenarbeit mit den Blauen ohnehin ein ständiges Streitthema. Für Doskozil weniger. Der Ex-Verteidigungsminister richtete seiner Partei während des heurigen EU-Wahlkampfs aus, dass ein Nein zu Rot-Blau für ihn "nicht Parteilinie" sei.

Auch der schwammige Umgang der FPÖ mit ihrer Geschichte ändert für die SPÖ im Burgenland nichts. Aus dem Büro von Doskozil heißt es, dass die FPÖ im Burgenland etwas anderes sei als im Bund. Das Arbeitsübereinkommen enthalte ein Bekenntnis zu Europa und Vielfalt und lehne Extremismen ab. Man werde die FPÖ aber im Auge behalten.

Im Büro weist man auf den Fall des "Nazikellers" hin, der in einem Ulrich-Seidl-Film gezeigt wurde. In diesem waren zwei ÖVP-Funktionäre gefilmt worden, beide traten zurück. Niemand sei auf die Idee gekommen, so Doskozil in einem "Kurier"-Interview, der ÖVP deshalb die Regierungsfähigkeit abzusprechen.