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Der Temperaturanstieg ist ungleich verteilt

Von Simon Rosner

Klimawandel

Einige Regionen Österreichs haben sich schon jetzt deutlich erwärmt. Für diese Gemeinden bedeutet das in vieler Hinsicht eine große Herausforderung - andere Regionen können vom Klimawandel dagegen profitieren.


Wien. Dietmar Tschiggerl ist Landwirt in Halbenrain, wenige Kilometer von Bad Radkersburg und der steirisch-slowenischen Grenze entfernt. Mit seiner Frau baut er Saatgut, Kürbis und Weizen an, den speziellen Vulkanlandweizen. "Man merkt, dass sich etwas verändert, wenn man 50 Jahre in der Gegend wohnt", sagt er. Er meint das Klima, das dieser Region in der Südoststeiermark einen überdurchschnittlichen Temperaturanstieg bescherte.

Die Recherche-Plattform "Addendum" hat regionale Werte aus dem Spartacus-Projekt herausgelesen. Dabei handelt es sich um einen Datensatz, der die räumliche Verteilung der täglichen Lufttemperatur in Österreich seit 1961 umfasst. Mit diesen Daten lässt sich zeigen, wie sich das Klima in jeder einzelnen Gemeinde des Landes verändert hat. Und die Daten bilden auch die Basis für Zukunftsprognosen.

Halbenrain, 1750 Einwohner, hat es in der Steiermark auf Platz eins geschafft, gemeinsam mit der Nachbargemeinde Bad Radkersburg. Und auch im Vergleich mit anderen Bundesländern ist Halbenrain weit oben. Die Forscher haben die mittlere Höchsttemperatur der Monate Juni, Juli und August der Jahre 1971 bis zum Jahr 2000 mit jenen von 2008 bis 2018 gegenüber gestellt. Für Halbenrain ergibt sich ein Temperaturanstieg um zwei Grad. Zur Erinnerung: Bei der Klimakonferenz in Paris hatte sich die Weltgemeinschaft darauf verständigt, die globale Erwärmung mit zwei Grad (Durchschnittstemperatur) zu begrenzen. Doch sie steigt eben nicht überall gleichmäßig an, auch innerhalb Österreichs.

Deutlich mehr Tage mit 30 Grad und mehr

"Wenn ich an meine Kindheit denke, da gab’s noch Hochwasser bei der Mur. Das gibt es gar nicht mehr", sagt Tschiggerl. Auch beim Grundwasserstand merke man die Veränderungen. Dieser Umstand stellt die Gemeinde auch vor nachhaltige Herausforderungen. Tschiggerl ist nicht nur Landwirt, sondern auch Bürgermeister von Halbenrain und Obmann des regionalen Wasserverbandes. Vor Jahren wurde deshalb investiert und Maßnahmen gesetzt, um zu verhindern, dass irgendwann das Trinkwasser ausgeht. Die Brunnen speisen die Anschlüsse von insgesamt 100.000 Menschen.

Grundsätzlich, sagt Tschiggerl, sei die Region mit ihrem Klima gesegnet. Sie komme der kleinbäuerlichen Struktur entgegen, da es lange im Jahr Taubildung gebe. "Das hält die Vegetation aufrecht." Dennoch: "Es verschiebt sich vieles, und die Natur kommt mit diesen Riesenschritten nicht nach", sagt der Bürgermeister. Vor wenigen Jahren war die Südoststeiermark von Spätfrost schwer getroffen. Die Pflanzen trieben früh aus, dann folgten zwei Frostnächte und große Teile der Obsternte waren vernichtet.

Der Blick in die Zukunft verheißt auch keine Linderung für Halbenrain. Schafft es die Welt, die Klimaziele von Paris zu erreichen, ergibt sich für Halbenrain ein Anstieg der Durchschnittstemperatur von 0,82 bis 1,55 Grad Celsius sowie, in der fernen Zukunft (2071 bis 2100), um weitere 0,6 bis 1,6 Grad. Aber das ist die optimistische Variante. Sollten die Treibhausgasemissionen gleich bleiben, kommen laut den Berechnungen bis zum Jahr 2050 bis zu 1,9 Grad hinzu. Und in der fernen Zukunft wird es überhaupt dystopisch: bis zu 5,7 Grad mehr.

Das "Addendum-Team" hat auch die Zahl der Hitzetage ausgewertet. Diese sind fühlbarer als die Erhöhung eines Mittelwertes, und sie haben auf das tägliche Leben einen großen Einfluss. "In der Mittagshitze sieht man wenige Leute auf der Straße."

Für Halbenrain werden für die Vergangenheit 10 solche Hitzetage mit 30 Grad und mehr angegeben. Für das positive Szenario, also die Einhaltung der Paris-Ziele, wurden 11 bis 21 Hitzetage berechnet. Das ist natürlich eine große Bandbreite. Sie rührt daher, dass dies der Bereich ist, in den 80 Prozent aller berechneten Projektionen fallen. Das heißt, 10 Prozent der Projektionen sind niedriger, 10 Prozent höher. Während auch die ferne Zukunft im Paris-Szenario ähnlich ist, könnten es bis 2100 bis zu 55 Tage über 30 Grad haben.

Dass diese extrem heißen Tage mehr werden, fällt Tschiggerl schon jetzt auf. "30 Grad sind im Sommer fast schon normal. Und was wirklich unerträglich wird, ist, dass die Nachttemperaturen so hoch sind. Wenn es über 20 Grad bleibt, ist das für den Kreislauf eine ordentliche Belastung." Und der Bürgermeister ergänzt: "Auch für die Infrastruktur. Es gibt Verwerfungen an den Straßen, und es ist ein Problem im Abwasserbereich."

Ybbstaler Alpen als Profiteur der Erwärmung

Wie die Südoststeiermark ist auch das Burgenland, vor allem die Gemeinden nördlich am Neusiedler See in jener Zone, die bereits jetzt einen überdurchschnittlichen Temperaturanstieg verzeichnen, ebenso das Weinviertel.

Für die Südoststeiermark, die sich auch als touristische Destination gefunden hat, werden sich für die Sommermonate vielleicht neue Fragen auftun - Fragen, die die Region der Ybbstaler Alpen gerade beantwortet. Auf der Website des Tourismusverbandes wird die "Kühle Oase Ötscher" beworben. Wenn es an Freitagen in Wien und St. Pölten über 30 Grad bekommt, kann man um die Hälfte auf den Ötscher mit dem Sessellift fahren und sogar eine Nacht gratis im Ötscherschutzhaus verbringen.

Herbert Zebenholzer, Geschäftsführer der Ybbstaler Alpen, berichtet von "steigenden Nächtigungszahlen". Die exakten Zahlen für diesen Sommer kommen zwar erst in ein paar Wochen, doch es zeichnet sich ein klares Plus im Vergleich zum Vorjahr ab. "Intensiv spüren wir das seit zwei, drei Jahren", sagt Zebenholzer. In dieser Region des Mostviertels beginnen die höheren Alpen, dazu gibt es für die rasche Abkühlung den Lunzer See, einen der kältesten Seen im Land.

Für die Region ist das auch eine Perspektive. "Wir haben vor Jahren Zimmervermieter gesucht, und haben in fast jedem Ort jemanden bekommen. Es gibt auch wieder Übergaben", sagt Zebenholzer. Auf einmal kann sich die nächste Generation vorstellen, dass der Tourismus in der Region eine Zukunft hat. Sogar größere Hotelprojekte werden erwogen, Investoren sind dem Vernehmen nach interessiert.

Auch die Seen werden wärmer

Lunz am See und andere Gemeinden der Region wie Göstling oder Gaming gehören zu jenen, deren Temperaturanstieg noch im Rahmen bleibt, Die Durchschnittstemperatur wird den Daten von Spartacus nach um rund ein Grad steigen, wenn die Paris-Ziele erreicht werden. Und selbst wenn es keine Emissionsverringerung gibt, werden Anstieg und Mitteltemperatur im Rahmen bleiben. Sogar im Extremfall (bis 2100) sind für Lunz nur etwa 19 Hitzetage prognostiziert. Das sind immerhin um 30 weniger als im Extremszenario für Halbenrain.

Lunz am See und andere Gemeinden der Region wie Göstling oder Gaming gehören zu jenen, deren Temperaturanstieg noch im Rahmen bleibt.
© Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0, Adolf Riess

Und speziell für diese Tage gibt es ja noch den kalten Lunzer See. Allerdings wird auch der wärmer. Mehr als 20 Grad hatte der See nur ganz selten, nun sind diese Temperaturen für den Lunzer See im Sommer fast normal, wie eine Auswertung von Christoph Matulla von der ZAMG zeigt. "Das heißt aber nicht, dass es jedes Jahr so sein muss. Spätestens im Oktober ist das ,Gedächtnis’ des Sees gelöscht", sagt Matulla. Im Winter friert der See meistens zu. Dann entscheiden die warmen Monate, wie kalt der See bleibt. Freilich: Auch in Lunz werden die warmen Monate wärmer.