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Ibiza, Casinos und die Mühlen der Justiz

Von Karl Ettinger

Politik

Ermittlungen sind umfangreicher als bisher bekannt. ÖVP und FPÖ geraten wegen Schredder-Affäre aneinander.


Wien. Am Montag wird die Wirtschaftschaft- und Korruptionsstaatsanwaltschaft in einer Besprechung mit der Oberstaatsanwaltschaft Wien und dem Bundeskriminalamt die Auswertung von Beweismitteln analysieren. Es geht dabei um das weitere Vorgehen nach den Hausdurchsuchungen, die wegen des Verdachts der Bestechung und der Bestechlichkeit rund um die Bestellung eines Vorstands bei den teilstaatlichen Casinos Austrias durchgeführt wurden. Doch insgesamt laufen Ermittlungen in zumindest drei Bereichen.

Neben dem Casinos-Fall wird gleichzeitig zu insgesamt 19 Punkten in der Affäre um das Mitte Mai veröffentliche Ibiza-Video mit den Ex-FPÖ-Spitzenpolitikern Heinz Christian Strache und Johann Gudenus ermittelt. Außerdem prüft die Korruptionsstaatsanwaltschaft wegen der Schredder-Affäre, bei der ein Mitarbeiter von Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz Dateien aus dem Kanzleramt vernichten hat lassen.

Ibiza-Affäre: 19 Vorwürfe werden geprüft

Im Zusammenhang mit dem Ibiza-Video, das zum Rücktritt Straches als Vizekanzler und FPÖ-Chef und in weiterer Folge zum Ende der türkis-blauen Koalition geführt hat, sind die Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft umfangreicher, als bisher öffentlich bekannt war. Die Auskunft dazu kommt von Justizminister Clemens Jabloner in der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Liste Jetzt. Es geht um 19 Vorwürfe, die bezüglich des Vorliegens eines Anfangsverdachts und ihrer strafrechtlichen Relevanz geprüft werden, eine Enderledigung steht noch aus.

Durch Jabloners Antwort wurde auch publik, dass in der Ibiza-Affäre die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft auch wegen mutmaßlicher Steuerhinterziehung und des Vorwurfs der Gründung einer staatsfeindlichen Verbindung ermittelt. Weitere Details zu Verdachtslagen wegen des Ibiza-Videos gehen aus Jabloners Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Neos hervor. Dazu gehören die im Ibiza-Video dokumentierte Forderung nach einer Parteispende und der Verdacht der Untreue. Als Verdacht im Raum stehen auch die "Überlassung von Kokain an verschiedene Abnehmer" sowie ein Erpressungsversuch gegen Strache, dem im Juni mit weiteren Veröffentlichungen gedroht wurde. Er hat die Vorwürfe zurückgewiesen, es gilt die Unschuldsvermutung.

Nach bisherigem Stand wird laut Antwort gegen sechs natürliche Personen als Beschuldigte ermittelt. Vier Personen werden als Angezeigte geführt, zwei juristische Personen als belangte Verbände, außerdem laufen Ermittlungen gegen unbekannte Täter.

Für die Untersuchungen zur Herstellung des Ibiza-Videos ist die Staatsanwaltschaft Wien zuständig. Dort werden sieben namentlich bekannte Personen und ein unbekannter Täter als Beschuldigte geführt.

Konnex zwischen Ibiza und Schredder-Affäre?

Für zusätzliche Brisanz sorgt der Umstand, dass die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft eine etwaige Verbindung zwischen dem Ibiza-Video, das die FPÖ in Bedrängnis gebracht hat, und dem Schreddern von Festplatten im Bundeskanzleramt durch einen Mitarbeiter von Ex-Kanzler Kurz prüft. Darüber berichtete am Mittwochabend die "ZiB 2", die sich dabei ebenfalls auf die Antwort des Justizministers an die Neos bezog. Der Mitarbeiter hatte Ende Mai Druckerfestplatten unter falschem Namen schreddern lassen, die Rechnung aber dann nicht bezahlt. Laut Anfragebeantwortung wird ausschließlich gegen den damaligen Mitarbeiter wegen der Vorwürfe des schweren Betrugs, der Sachbeschädigung und der Datenbeschädigung ermittelt.

Kurz und die ÖVP haben mehrfach dementiert, das Ibiza-Video schon vor der Veröffentlichung in Medien gekannt zu haben. Das Video habe sich auch nicht auf den Datenspeichern befunden. Am Donnerstag bekräftigte die ÖVP via Austria Presse Agentur, "mit dem Ibiza-Video und einer möglichen illegalen Parteienfinanzierung der FPÖ nichts zu tun" zu haben.

Causa Casinos: Verdacht des Postenschachers

Im Zusammenhang mit der Bestellung eines Vorstandsmitglieds der teilstaatlichen Casinos Austria ermittelt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Bestechung und einen möglichen Deal von FPÖ-Politikern mit dem Glücksspielkonzern Novomatic. Der Verdacht richtet sich darauf, dass ein Postenschacher im Gegenzug zu einer abgesprochenen Vergabe von Glücksspiellizenzen erfolgt sei, was jedoch die Beteiligten vehement bestreiten. Es gilt die Unschuldsvermutung. Es geht dabei um den Vorwurf, der freiheitliche Wiener Bezirksrat Peter Sidlo sei mit Novomatic-Hilfe als Vorstand bei den Casinos Austria durchgesetzt worden.

Deswegen ist es am Montag zu Hausdurchsuchungen bei den Ex-FPÖ-Politikern Strache und Gudenus gekommen. Das ORF-Radio Ö1 hat aus dem Hausdurchsuchungsbefehl zitiert: "Johann Gudenus vereinbarte mit Novomatic-Vorstand Heinz Neumann, dass Novomatic als FPÖ-Kaniddaten Peter Sidlo benennen sollte. In enger Abstimmung mit Heinz-Christian Strache wurde im Gegenzug eine wohlwollende Unterstützung der Novomatic durch die FPÖ ausgemacht. Gegenstand war insbesondere die Erteilung einer Casino-Lizenz in Wien und einer nationalen Online-Gaming-Lizenz." Auch in einem Haus einer FPÖ-Vorfeldorganisation in Osttirol, das Strache auch als Feriendomizil genutzt hatte, erfolgte eine Hausdurchsuchung.

ÖVP und FPÖ attackieren einander im Wahlkampf

Die Ermittlungen der Justiz überschatten den Wahlkampf. Die ÖVP betonte zur Prüfung der Schredder-Affäre, sie habe mit dem Ibiza-Video und der "möglichen illegalen Parteienfinanzierung der FPÖ" nichts zu tun. Rechtliche Schritte wurden angedroht. Es handle sich um einen "unglaublichen Schmutzkübel-Wahlkampf".

FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky sieht wegen der Schredder-Affäre "Aufklärungsbedarf bei der ÖVP." Bei der Causa Casinos werde man voll mit den Behörden zusammenarbeiten, betont die FPÖ. SPÖ, Neos und Grüne fordern Sidlos Abberufung. Neos und Grüne wollen Aufklärung, was Kurz und die türkis-blauen Regierungskoordinatoren über die Postenbesetzung im Casinos-Vorstand gewusst haben.