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Teure Medikamente und das Misstrauen der Patienten

Von Karl Ettinger

Politik

Wiens Patientenanwältin fordert zentrale Arzneimittelkommission.


Alpbach. Zehn bis zwölf Jahre dauert im Regelfall die Erforschung und Entwicklung eines neuen Medikaments. Die Kosten liegen bei 2,2 Milliarden Euro. Im Durchschnitt schaffen es von 10.000 nur ein bis zwei Produkte zur Marktreife. Die Darstellung der Herausforderungen für die pharmazeutische Industrie durch Sabine Radl vom Sanofi-Konzern bildete eine Basis für eine Diskussion über Kosten medizinischer Behandlungen für das Gesundheitssystem.

"Wie können wir uns Innovation noch leisten?", war am Montag Thema bei den Gesundheitsgesprächen im Rahmen des Europäischen Forums Alpbach. Thomas Gebauer von der Stiftung Medico International, einer Nicht-Regierungsorganisation aus Frankfurt, und die Wiener Patientenanwältin Sigrid Pilz argumentierten dabei ähnlich, dass die Patienten nicht zu kurz kommen dürften.

"Schiebungsverkehr"zwischen den Bundesländern

"Wir können nicht sagen, wo sich Forscher beschäftigen wollen, kommt das ganze Geld hin", betonte Pilz. Auch für die Behandlung chronischer Erkrankungen wie Diabetes oder Bluthochdruck müsse Geld da sein.

Sie schlug konkret eine nationale Arzneimittelkommission vor, in die Patienten einbezogen werden müssten. Diese sollte die Prioritäten bei Medikamenten festlegen, es müsse Transparenz bei Preisverhandlungen geben. Es solle nicht dazu kommen, dass ein Patient sich beklagt, weil er ein Medikament nicht erhält: "Da muss man raus aus dem Misstrauen, ich komme zu kurz."

Die Wiener Patientenanwältin wandte sich aber auch dagegen, dass beispielsweise Kosten für onkologische Behandlungen von Gastpatienten aus anderen Bundesländern Wien aufgehalst werden. In Österreich gebe es "einen noblen Hin-und-Her-Schiebungsverkehr" zwischen den Bundesländern, kritisierte sie. Dabei könnten etwa Krebspatienten auch in Kärnten behandelt werden.

Gebauer sagte, er treffe viele Leute, die sagen, dass Gesundheit ein Grundrecht sein, aber manche handelten nicht danach: "Das geht hinauf bis in die hohe Politik." Die Patienten würden nicht immer zu Wort kommen, das gelte vor allem für den Süden der Welt. Das Entscheidende sei, dass die Diskussion öffentlich und nicht in Hinterzimmern geführt werde. Gebauer meinte auch: "Es macht keinen Sinn, Präparate zu entwickeln, die so teuer sind, dass sie sich keiner leisten kann."

Vor allem könnten es sich weltweit viele Menschen noch immer nicht leisten, zum Arzt zu gehen. Er schlug daher eine "globale Bürgerversicherung" vor, um eine Gesundheitsversorgung für alle sicherzustellen. Das Argument, dafür sei kein Geld da, ließ er nicht gelten. Allein eine Billion Dollar werde für Wellness-Produkte ausgegeben. "Es fehlt der politische Wille", beklagte der NGO-Vertreter.

Verbesserungen fürKranke mit professioneller Hilfe

Sabine Radl nahm die Pharma-Industrie in Schutz. Man sehe nicht, was von dieser bereits gemacht werde: "Da tut sich schon sehr viel." Was chronische Erkrankungen betrifft, verwies sie darauf, dass dabei neben Medikamenten vor allem auch auf die Eigenverantwortung der Patienten gesetzt werde. Die Unterstützung der Patienten durch Ärzte und Pflegepersonal bringe "sehr viel mehr" an Verbesserungen für Betroffene, hob sie hervor.

Peter Neubeck von Kurma Partners, eine Münchner Gesellschaft, die Innovationen im Medikamentenbereich fördert, gab zu bedenken, dass die Kosten für Medikamente im Gesundheitswesen mit 15 Prozent gering seien. "Der große Batzen geht ins Krankenhaus", erklärte er. Internet-Konzerne wie Amazon und Google würden ebenfalls den Markt verändern. Wie das genau passiere, wisse heute aber niemand.