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Die Grüne Mark im Neuwahlfieber

Von Wolfgang Liu Kuhn

Politik

Das geplante Leitspital im Bezirk Liezen erregt die Gemüter in der Steiermark - und könnte nun sogar zu Neuwahlen führen. Für den zuständigen Landesrat Christopher Drexler (ÖVP) steht bei der Gesundheitsreform einiges auf dem Spiel.


Graz. Üblicherweise sind den Abgeordneten zum steirischen Landtag längere Sommerferien vergönnt als in diesem Jahr. Doch einerseits werfen große Ereignisse ihre Schatten voraus, in diesem Fall ist es die steirische Landtagswahl, die eigentlich im Mai 2020 über die Bühne gehen sollte. Das könnte nun anders kommen, da die FPÖ im Rahmen eines Sonderlandtags am Montag einen Neuwahl-Antrag stellte.

Auslöser ist ein Thema, das sich längst zum Dauerbrenner der Landespolitik entwickelt hat und in deren Mittelpunkt Gesundheitslandesrat Christopher Drexler (ÖVP) steht. Es geht um das geplante Leitspital im Bezirk Liezen: Der Plan, wonach das Leitspital in Stainach-Pürgg die bestehenden Krankenhäuser Schladming, Rottenmann und Bad Aussee ersetzen soll, wurde zuvor von der lokalen Bevölkerung in einer Volksbefragung mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit abgelehnt.

In seltener Einigkeit brachte sich die Opposition aus FPÖ, Grünen und KPÖ beim Sonderlandtag am Montag in Stellung und lehnte das Vorhaben einmal mehr, einmal weniger scharf ab. Gefordert wurde in der harten Debatte ein Ausbau des Standorts Rottenmann zum Leitspital, was von der ÖVP-SPÖ-Koalition abgelehnt wurde. Der in der Schusslinie stehende Landesrat Drexler verteidigte das Vorhaben und nannte Argumente wie den rasanten, medizinischen Fortschritt, das Älterwerden der Gesellschaft, den Wandel der rechtlichen Rahmenbedingungen sowie ein neues Ärzte-Arbeitszeitgesetz.

Drexler gilt als Kronprinz

Es entbehrte nicht einer gewissen Ironie, als Drexler darauf verwies, das geplante Leitspital sei "keine masochistische Übung der Landesregierung". Denn mit der Spitalsreform hat sich der 48 Jahre alte Jurist zweifellos die schwierigste Aufgabe in der aktuellen Regionalpolitik aufgehalst. Das ist umso bemerkenswerter, da Drexler als potenzieller Kronprinz von Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer gilt. Doch mit dem Plan, die Gesundheitsversorgung im ganzen Bundesland umzukrempeln und bis zu sechs Spitäler zu schließen, macht man sich naturgemäß nicht nur Freunde. In Summe sollen bis zum Jahr 2025 an die 900 Betten abgebaut werden, von derzeit 6800 auf 5900.

Für Verärgerung in der Bevölkerung sorgt die geplante Umstrukturierung nicht zuletzt auch deshalb, da die Krankenhäuser erst vor kurzem eröffnet wurden - Schladming im Jahr 2007, Bad Aussee gar erst 2013. Doch am Beispiel von Schladming zeigen sich auch die Probleme, die zu den Reformbestrebungen geführt haben: An den Wochenenden fehlen Mediziner in den Rettungsautos, auch die Bereitschaftsdienste der Allgemeinärzte sind oft nicht besetzt. Im geplanten Leitspital sollen die Kompetenzen daher konzentriert werden, während die bisherigen Krankenhäuser in Facharztzentren aufgehen sollen, welche die Aufgabe der örtlichen Versorgung übernehmen.

Dem steht die Bevölkerung skeptisch gegenüber, womit die Opposition in Drexler ihr Feindbild gefunden hat - ein redegewandter, erfahrener Politstratege, dessen scharfe Zunge in der Vergangenheit selbst bei Parteifreunden nicht immer gut angekommen ist. In der schwierigen Frage wirkte er zuletzt zunehmend isoliert: Landeshauptmann Schützenhöfer (ÖVP) sonnt sich im Herbst seiner politischen Karriere im Umfragehoch und überlässt das schwierige Thema seinem Ziehsohn, der seinerseits stets 100 Prozent loyal zu ihm stand.

Der Koalitionspartner SPÖ unterstützte seinen Kurs zwar offiziell, hatte jedoch wenig Freude mit einem weiteren unpopulären Projekt - immerhin war es vor allem der frühere Landeshauptmann Franz Voves (SPÖ), der vor vier Jahren für die Gemeindereform die Zeche zahlen musste.

SPÖ auf falschem Fuß erwischt

Der Neuwahlantrag der FPÖ erwischte nun speziell die Sozialdemokraten auf dem falschen Fuß: Der derzeit in Russland weilende Vizelandeshauptmann Michael Schickhofer sprach im Falle einer Vorverlegung von einem "Koalitionsbruch durch die ÖVP" und setzte auf die Handschlagqualität Schützenhöfers: "Alles andere würde Schwarz-Blau bedeuten."

Doch der Landeshauptmann scheint - einmal mehr - zu pokern: Sein gespielter Theaterdonner, wonach der Neuwahlantrag das Land vor eine "völlig neue Situation" stelle, ist wohl ein Hinweis auf das vorzeitige Ende der Legislaturperiode. Ungelegen käme es ihm nicht: Die ÖVP liegt in den Umfragen deutlich voran, weder Schickhofer noch FPÖ-Chef Mario Kunasek sind ausreichend profiliert, um ihn auf Augenhöhe anzugreifen.

Auch das ungeliebte Thema der Gesundheitsreform könnte strategisch geschickt auf einen späteren Zeitpunkt vertagt werden, auch wenn sich Schützenhöfer bereits festgelegt hat ("Das Leitspital kommt"). Das würde vorläufig den Druck von Drexler nehmen, der sein gesamtes politisches Gewicht für das Projekt in die Waagschale geworfen hat - und sich zuletzt zu einer riskanten Zusage hinreißen hat lassen: Das Leitspital werde bis zum Jahr 2025 stehen, bei einer garantierten Kostenobergrenze von 250 Millionen Euro. Angesichts von Kostenexplosionen bei vergleichbaren Projekten spielt der steirische Kronprinz hier mit hohem Einsatz - im schlimmsten Fall seiner politischen Zukunft.