Wien. Der Viktor-Adler-Markt ist zu einem politischen Symbol geworden. Dieser Markt in Favoriten ist ein noch wirklich gut funktionierender Markt, kaum ein Stand ist leer, und das ist keineswegs selbstverständlich. Er funktioniert, weil vor allem türkischstämmige Gemüsehändler und Fleischer die Stände nach und nach übernommen haben.

Die gute Nahversorgung ist die eine Seite, die andere, dass sich eben Markt, Bezirk und Leute hier verändert haben. Der einst erzrote Arbeiterbezirk ist bläulich geworden. Bei der Wien-Wahl war die SPÖ nur mehr knapp voran, bei der Nationalratswahl konnten die Roten den Vorsprung wieder etwas ausbauen.

Seit etlichen Jahren besetzt die FPÖ im Wahlkampf genau diesen Platz, und auch heuer wird das Wahlkampffinale der Blauen hier stattfinden. Doch die SPÖ will diesen Platz, benannt nach einem ihrer Gründerväter, wieder zurück.

Trotz Hitze war der Platz doch recht gut gefüllt, auch wenn ausgiebige Begrüßungen allerorten daraufhin deuteten, dass mehr Funktionäre als Fans erschienen waren. Aber auch das ist wichtig für einen Wahlkampf, in dem möglichst alle für die Partei rennen müssen.

Im Publikum war auch der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig, der aus dem Grüßen kaum herauskam. Und der, was bemerkenswert ist, von der lokalen Jugend einige Male um Selfies gebeten wurde. Und auch ein Zaungast grüßte – allerdings mit dem gestreckten Mittelfinger. Es ist eben kein einfaches Heimspiel für die Roten, auch wenn Parteichefin Pamela Rendi-Wagner in Favoriten aufwuchs.

In ihrer Rede betonte sie ihre Herkunft gleich zu Beginn. "Diese ersten Jahre sind prägend." Ihre Partei bezeichnete sie als "die einzige, die sich um die Menschen kümmert". FPÖ und ÖVP würden sich nur um sich selbst kümmern. "Sie haben das Land gespalten". Zuvor verteilte Schilder wurden in die Höhe gehalten, auf ihnen stand "Gemeinsam".

Migration angesprochen

Rendi-Wagner ging in ihrer Rede auch auf das Thema Migration ein, es ist ein schwieriges für die SPÖ. Über den EU-Zuzug ist die Gewerkschaft wenig begeistert, andererseits ist die Freizügigkeit eine Säule der EU, zu der sich die SPÖ bedingungslos bekennt. Die Aufnahme von Flüchtlingen wird von nicht so wenigen aktuellen wie ehemaligen SPÖ-Wählern abgelehnt, andererseits sind internationale Solidarität und Hilfe für Schwächere im Genom der Sozialdemokratie verankert.

Rendi-Wagner erklärte die SPÖ-Linie: gegen illegale Migration, Integration vor Zuzug, Maßnahmen für die Integration. Sie erzählte von einer türkischstämmigen Frau, die ihren Namen ändern wolle, weil es schwer geworden sei, mit einem solchen Namen in Österreich gut zu leben. "So ein Klima will ich nicht. Wir stehen für das Miteinander."

Kernthema bei der SPÖ bleibt freilich die Arbeit. "Wer arbeitet, soll auch gut davon leben können", sagte Rendi-Wagner, und forderte den "Mindestlohn von 1700 Euro". Bei diesen Worten klatschte und jubelte ein Verkäufer aus einem nahen Geschäft. Im Handel beträgt der Mindestlohn laut Kollektivvertrag 1571 Euro.

Nach ihrer gut 20-minütigen Rede ertönte das neue, eigens komponierte Wahlkampf-Lied der SPÖ. Zum wiederholten Mal an diesem Tag. Aber auch die Botschaften wird man noch öfter hören. Der Wahlkampf hat ja gerade erst so richtig begonnen.

Danach leerte sich der Platz, an dessen anderen Ende ein graues, düsteres Haus steht. Die Fassade blättert ab, das Gebäude erinnert an eine veraltete Justizanstalt. Über der Tür steht in roten Lettern: "Schule der Stadt Wien."